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Wegen Wahlbetrug in Dresden werden Neuwahlen gefordert

Ein Dresdner steht im Verdacht, Stimmzettel manipuliert zu haben. Dadurch könnte er selbst illegal ein Mandat bekommen haben. Deshalb wird nun über die Wiederholung einer bestimmten Wahl diskutiert.

Von Andreas Weller
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In diesen Sammelbehältern sind die Stimmzettel auf Langebrück aufbewahrt worden, darin auch die manipulierten Briefwahlscheine.
In diesen Sammelbehältern sind die Stimmzettel auf Langebrück aufbewahrt worden, darin auch die manipulierten Briefwahlscheine. © Dirk Hein

Dresden. Die Wahlfälschungen bei den Stadtrats-, Ortschaftsrats- und Landtagswahlen in Dresden und Umgebung beschäftigen weiter die Justiz und deren Extremismus-Abwehr-Einheiten. Der Verdächtige ist Mitglied der rechtsextremen Partei "Freie Sachsen" und hat auch für diese kandidiert - in einem Fall erfolgreich.

Bisher war man davon ausgegangen, dass der Betrug keine direkten Auswirkungen darauf hatte, welche Parteien, Kandidatinnen und Kandidaten bei den Wahlen erfolgreich waren. Das gestaltet sich nun anders und führt zu der Forderung, einen Teil der Wahlen zu wiederholen.

Bei Razzia Verdacht verdichtet

Beamte der Soko Rex - dem Spezialbereich des Polizeilichen Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrums des Landeskriminalamts Sachsen zur Bekämpfung rechtsextremistischer Straftaten - haben am vergangenen Freitag einen Dresdner hochgenommen. Der Mann, der in Langebrück wohnt, steht im Verdacht, für die Manipulation von Stimmzetteln für Briefwahlen verantwortlich zu sein. Dabei handelt es sich offenbar um Michael Schleinitz, Pflegefachkraft und Kandidat der "Freien Sachsen".

"Bei der Durchsuchung wurden mögliche Beweismittel sichergestellt", teilte die Generalstaatsanwaltschaft danach mit. "Der Tatverdacht hat sich im Zuge der Maßnahme weiter verdichtet."

So viele manipulierte Stimmzettel sind bekannt

Am 9. Juni haben die Kommunalwahlen in Dresden stattgefunden. Dabei erreichten die "Freie Sachsen" stadtweit 1,2 Prozent Stimmanteil und errangen einen Sitz im Stadtrat. In Langebrück, wo nun 154 manipulierte Stimmzettel der Briefwahl entdeckt wurden, gab es die extremste Abweichung nach oben - das Ergebnis im Stimmbezirk Langebrück 1 für "Freie Sachsen" lag bei 14 Prozent. Bei der Ortschaftsratswahl lag es in einer ähnlichen Dimension - 13,4 Prozent.

Die Ermittler haben bislang für die Kommunalwahlen 154 manipulierte Stimmzettel bei der Briefwahl in zwei Wahlkreisen in Dresden-Langebrück festgestellt - alle zugunsten der rechtsextremen Partei. Bei der Landtagswahl am 1. September sind es laut Generalstaatsanwaltschaft insgesamt 126 Stimmzettel, die ebenfalls zugunsten der Partei "Freie Sachsen" verändert wurden. Davon stammen 111 Stimmzettel aus Dresdner Wahlkreisen, ebenfalls zum größten Teil aus Langebrück, 14 Stimmzettel aus zwei Wahlbezirken in Radeberg sowie ein Stimmzettel im Wahlbezirk Dohna.

Politikerin fordert Neuwahlen

Schleinitz ist durch die Manipulation zwar nicht in den Landtag oder den Stadtrat gewählt worden, aber in den Ortschaftsrat Langebrück - kandidiert hat er für alles. Die Piraten in Dresden haben genau nachgerechnet und festgestellt, dass bereits 34 der Briefwahlscheine weniger, mit jeweils drei Stimmen für den Mann der "Freie Sachsen", ausgereicht hätten, damit er das Mandat nicht gewinnt - manipuliert waren 154 Stimmzettel in Langebrück.

"Deshalb fordern wir die Neuwahl des Ortschaftsrats", so Piraten-Stadträtin Anne Herpertz. "Rechtsextreme greifen Wahlen und damit die Demokratie grundlegend an."

Wenn die manipulierten Stimmzettel alle für ungültig erklärt werden, wie bei der Landtagswahl, würde das für den Ortschaftsrat Langebrück wahrscheinlich bedeuten, dass Schleinitz rausfliegt und die Grünen einen zweiten Sitz erhalten. "Wir prüfen gerade die rechtlichen Möglichkeiten", so Dresdens Grünen-Chef Klemens Schneider. Ob die Partei klagt, werde noch entschieden. "Aber es wäre tragisch für das gesamte Wahlrecht, wenn dieser Mensch damit durchkommt."

Man könne nicht nachvollziehen, wen die Wählerinnen und Wähler eigentlich gewählt hätten, deshalb reiche es nicht aus, die Stimmen für ungültig zu erklären, so Herpertz. "Auch deshalb wären Neuwahlen angezeigt."

Tatverdächtiger bereits offiziell Ortschaftsrat

Langebrücks Ortsvorsteher ist der Fraktionschef der CDU im Landtag, Christian Hartmann. Der hat vergangenen Woche die Ortschaftsräte zu ihrem Ehrenamt verpflichtet und der Rat sich konstituiert. "Ich hatte vorher bei der Stadt Dresden angefragt, ob wir das nicht besser verschieben, wegen der Vorwürfe, die im Raum stehen. Die hat mitgeteilt, dass das Ergebnis amtlich festgestellt sei. Dann kam die Razzia bei dem Verdächtigen."

Der Ortschaftsrat habe die Stadt darauf hingewiesen, dass es beim Wahlergebnis dieselbe Auffälligkeit gab wie bei der Stadtratswahl - extrem viele Stimmen für "Freie Sachsen" im Verhältnis zum sonstigen Ergebnis. "Wir werden jetzt im Ortschaftsrat beraten und rechtliche Schritte prüfen", so Hartmann. "Wir werden auf eine Überprüfung des Ergebnisses drängen, sonst bleibt uns nur, zu klagen. Das Ergebnis kann nicht amtlich sein, wenn eine Fälschung vorliegt, die von der Wahlleitung nicht erkannt wurde."

Auch er sagt, die Stimmen für ungültig zu erklären, reiche nicht aus. "Bei der Landtagswahl hat es keine Auswirkung auf das Gesamtergebnis, bei der Stadtratswahl wohl auch nicht, aber in Langebrück können 154 Stimmzettel entscheidend sein. Es kann ja auch sein, dass diese Wählerinnen und Wähler alle eigentlich CDU gewählt haben, dann stünde das Mandat eher der CDU zu als den Grünen. Die Ortschaftsratswahl sollte wiederholt werden."