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Reichsbürger aus Landkreis Görlitz versetzt Eibenstock in Aufruhr

Die deutsche Finanzaufsicht hat Grundstücke bei Eibenstock im Erzgebirge konfisziert und bietet sie der Stadt zum Kauf an. Doch der Eigentümer, ein Reichsbürger aus Ostsachsen, akzeptiert das nicht.

Von Ulrich Wolf
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Nahe der Seilbahn im Erzgebirges-Städtchen Eibenstock streiten sich Finanzaufsicht, Stadt und ein Reichsbürger um Waldgrundstücke und ein Schlösschen.
Nahe der Seilbahn im Erzgebirges-Städtchen Eibenstock streiten sich Finanzaufsicht, Stadt und ein Reichsbürger um Waldgrundstücke und ein Schlösschen. © SZ-Archiv: Jürgen Lösel

Eibenstock/Frankfurt am Main/Boxberg. Ein Waldbesitzer in Wolfsgrün bei Eibenstock versetzt die Kleinstadt im Erzgebirgskreis in Unruhe. Der Mann, der der reichsbürgerähnlichen Organisation Königreich Deutschland angehört, will eine Beschlagnahme seiner Grundstücke durch die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (Bafin) nicht hinnehmen. Er setzt Stadträte unter Druck, droht mit Prozessen und schreibt öffentliche Briefe. Dabei stößt er in Eibenstock nicht nur auf Ablehnung.

Bei dem Waldbesitzer handelt es sich um Marco Ginzel, der nach eigenen Angaben auf Schloss Bärwalde in Boxberg im Landkreis Görlitz gemeldet ist. Auch diese Immobilie gehört Anhängern des Königreichs Deutschland. Dessen vorbestrafter Gründer, der sachsen-anhaltinische Kaufmann Peter Fizek, leugnet die Existenz der Bundesrepublik, der Verfassungsschutz stuft ihn seit Jahren als Extremisten ein. Ginzel fungierte bei einem Besuch von Sächsische.de in Bärwalde als Sprecher von Fitzeks sektenähnlicher Organisation.

Bafin ordnete Abwicklung des Vermögens an

In Eibenstock ist Ginzel Eigentümer mehrerer Waldgrundstücke rund um eine Jugendstilvilla, die als Wolfsgrüner Schlösschen in der Region bekannt ist. Diese Immobilie hatte nach der Wende zuletzt einem Orthopäden im ostfriesischen Papenburg gehört, seit Ende August 2022 steht jedoch der 36-jährige aus Bärwalde im Grundbuch. Das gilt auch für die umliegenden Waldgrundstücke sowie die naheliegende Gaststätte Sächsischer Hof. Dem Vernehmen nach soll Ginzel seinerzeit einen siebenstelligen Betrag für das gesamte Areal gezahlt haben.

Ende November 2023 untersagte die Bafin Ginzel jedoch, Geldgeschäfte für das Königreich Deutschland zu tätigen. Er soll mehrere Vereine geleitet haben, über deren Bankkonten Fitzek Zahlungen abwickelte und Geld einsammelte. Die Behörde beauftragte den Nürnberger Wirtschaftsjuristen Stefan Oppermann mit der Abwicklung dieser Geschäfte. Damit darf der Anwalt wie ein Insolvenzverwalter über das Vermögen des in der Schweiz geborenen Ginzel sowie über das von Fitzek verfügen. Oppermann beschlagnahmte das Areal in Eibenstock, das Landeskriminalamt Sachsen durchsuchte es ebenso wie das in Bärwalde.

Ginzel behauptet nun, er klage gegen die Abwicklung beim Verwaltungsgericht in Frankfurt am Main. Zudem habe er eine Strafanzeige gegen Oppermann bei der Staatsanwaltschaft Zwickau eingereicht. Das Vorgehen der deutschen Behörden sei nicht rechtens, der Bundesgerichtshof habe das bereits 2018 in einem Urteil festgehalten. Zudem geriere sich Oppermann fälschlicherweise als Insolvenzverwalter, dessen Handlungen seien "kriminell". Das alles publizierte er in weit gestreuten Unterlagen, die auch Sächsische.de vorliegen.

Der Sprecher des Königreichs Deutschland, Marco Ginzel, unterhält sich mit Anwohnern am Schloss Bärwalde im Landkreis Görlitz. Als Eigentümer der Wolfgrüner Schlössschens bei Eibenstock macht er dort gegen die Beschlagnahme des Areals mobil.
Der Sprecher des Königreichs Deutschland, Marco Ginzel, unterhält sich mit Anwohnern am Schloss Bärwalde im Landkreis Görlitz. Als Eigentümer der Wolfgrüner Schlössschens bei Eibenstock macht er dort gegen die Beschlagnahme des Areals mobil. © SZ-Archiv: Kairospress

Ginzel setzt Stadträte von Eibenstock unter Druck

Seine umfangreichen Schreiben erreichten auch die Stadträte von Eibenstock. Er wollte damit offenbar verhindern, dass das Gremium in seiner jüngsten Sitzung am 5. September dem Angebot von Bafin-Abwickler Oppermann zustimmt, die Stadt könne die insgesamt 34.000 Quadratmeter umfassenden Wald-, Wiesen- und Teichgrundstücke für rund 33.000 Euro rund um das Wolfsgrüner Schlösschen kaufen. Ein solcher Beschluss sei "rechtswidrig", warnte Ginzel die Stadträte. Und weiter: Sollten sie das Angebot Oppermanns annehmen, "bin ich aufgefordert, auch gegen Sie Strafanträge zu stellen".

Tatsächlich verfing die Aktion von Königreich-Deutschland-Funktionär bei einigen Menschen rund um Eibenstock. Die Zeitung Freie Presse berichtet, vor der Stadtratssitzung habe es einen Protest gegen den Erwerb der Waldflächen gegeben. Vertreter der Bürgerinitiative Herzgebirge Eibenstock, die mit zwei Mitgliedern auch im Stadtrat vertreten ist, hätten gar von "Enteignung" gesprochen. Hinter dem Begriff Herzgebirge verbirgt sich ein offensichtlich von Rechtsradikalen geprägter Online-Textilhandel ohne Impressum.

Eibenstocks Bürgermeister, der Christdemokrat Uwe Staab, hingegen betonte dem Bericht der Freien Presse zufolge, er wolle wieder Waldflächen im Bestand der Kommune haben und zudem die Reichsbürgerszene aus dem Ort fernhalten. Zutiefst enttäuscht müsse er zur Kenntnis nehmen, dass offenbar Informationen aus dem Haupt- und Finanzausschuss "von Mitgliedern oder dort anwesenden Gästen" an die Szene rund um das Königreich Deutschland weitergegeben worden seien.

Er bezeichnete die Aktion Ginzels und seiner Unterstützer als "bisher einmaligen Vorfall". Er habe seinen Glauben verloren, dass im Stadtrat Dinge vertraulich behandelt werden. Dennoch fand sich letztendlich eine Mehrheit für den Kauf der von Oppermann angebotenen Grundstücke.

Bafin-Abwickler betont Rechtmäßigkeit seines Handelns

Bafin-Abwickler Oppermann hält sich mit der Bewertung der Ereignisse zurück. Er betonte, der Abwicklungsbescheid der Bafin sei für ihn weiterhin bindend. Gäbe es ein Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt, wäre er auch nicht mehr Abwickler. Zudem habe eine solche Klage auch keine "rechtsaufschiebende Wirkung".

Er habe sich nach außen nie als Insolvenzverwalter ausgegeben, wohl aber sei "in ein oder zwei Briefen" das Abwicklungsverfahren versehentlich als Insolvenzverfahren bezeichnet worden. Er sei bislang weder vom Verwaltungsgericht Frankfurt noch von der Staatsanwaltschaft Zwickau zu irgendwelchen Klagen oder Anzeigen gehört worden.

Königreich-Deutschland-Gründer Peter Fitzek ist Ende Juli vor dem Landgericht Dessau in Berufung gegangen gegen ein Urteil, demzufolge er wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung für acht Monate ins Gefängnis gehen sollte. Der Prozess läuft no
Königreich-Deutschland-Gründer Peter Fitzek ist Ende Juli vor dem Landgericht Dessau in Berufung gegangen gegen ein Urteil, demzufolge er wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung für acht Monate ins Gefängnis gehen sollte. Der Prozess läuft no © Henrik Schmidt/dpa

Fitzek und sein Königreich Deutschland liegen juristisch schon seit mehr als zwölf Jahren im Clinch. 2018 hob der Bundesgerichtshof (BGH) ein strafrechtliches Urteil des Landgerichts Halle gegen Fitzek auf, in dem es um dessen Geldgeschäfte ging. Das Gericht begründete dies unter anderem mit fehlenden Ermittlungsergebnissen. Der BGH sprach Fitzek nicht frei, sondern gab das Verfahren zur Neuentscheidung an das Landgericht zurück. Das stellte das Verfahren in einer Art Kosten-Nutzen-Rechnung ein, da Fitzek bereits in U-Haft gesessen hatte und diese Haftzeit bei einer möglichen Verurteilung hätte angerechnet werden müssen.

Oppermann sagte dazu, der strafrechtliche Beschluss des BGH habe nichts mit seinem auf dem öffentlichen Recht beruhenden Bafin-Auftrag zu tun. Er sei nach wie vor nicht nur Abwickler des Vermögens von Ginzel, sondern auch über das von Fitzek. Dem Vernehmen nach sucht er weiterhin nach einem Käufer für das Wolfsgrüner Schlösschen sowie den Sächsischen Hof. Zur Zukunft der Immobilie in Bärwalde im Landkreis Görlitz wollte er sich nicht äußern.

Der Verkauf des Lehnguts in Halsbrücke bei Freiberg an das Königreich Deutschland war am kommunalen Vorkaufsrecht gescheitert. Im brandenburgischen Rutenberg hat sich eine Bürgerinitiative gebildet; sie will verhindern, dass Fitzeks Leute rund um die dortige Naturscheune ein wirtschaftlich autarkes Zentrum errichtet.