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Politik
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Harte Fragen statt Wohlfühltalk bei Miosga: Sahra Wagenknecht in der Defensive

Kein Wohlfühltalk: Caren Miosga versucht, Sahra Wagenknecht in die Ecke zu drängen. Sie scheitert auf erkenntnisbringende Weise und zeigt die Grenzen des Geschäftsmodells Wagenknecht auf.

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Am Sonntag war Sahra Wagenknecht in Caren Miosgas Talkshow zu Gast.
Am Sonntag war Sahra Wagenknecht in Caren Miosgas Talkshow zu Gast. © Bernd von Jutrcenka/dpa (Archiv)

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Sie ist schon seit vielen Jahren omnipräsent in den Medien – aber erst nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hat Sahra Wagenknecht mit ihrem BSW politische Gestaltungsmacht. Am Sonntag war sie in Caren Miosgas Talkshow – und die Moderatorin machte es ihr nicht einfach.

Das Thema

„Ist mit Ihnen ein Staat zu machen, Frau Wagenknecht“, ist Miosgas Leitfrage für die Sendung. Die Frage hat mehrfachen Hintersinn: Schließlich konzentrierte sich Wagenknechts politische Karriere in den vergangenen rund 30 Jahren darauf, den Staat zu kritisieren, auch aus fundamental-kommunistischer Richtung. Inzwischen bezeichnet sie sich als „linkskonservativ“. Die US-amerikanische Politologin Sheri Berman vergleicht Wagenknechts aktuelle Positionen im Gespräch mit dem RND mit denen von Marine Le Pens „Rassemblement National“ in Frankreich und sagt: „Die Positionen, die Wagenknecht vertritt, sind eine extreme Version von Positionen, die wir in anderen europäischen Ländern finden.“

Bisher erschöpfte sich Wagenknechts Position darin, zu kritisieren – und zu spalten, nicht zuletzt ihre frühere Partei Die Linke. Nun will sie mit dem nach ihr benannten Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das nicht einmal neun Monate alt ist, regieren. Und stellt Forderungen: Wer in den Ländern mit dem BSW zusammenarbeiten wolle, müsse auch mit ihr reden.

Diejenigen, die mit ihr reden müssen, würden das indes lieber vermeiden. Aber: „An ihr kommt keiner vorbei. Ohne das BSW ist in Thüringen und Sachsen keine Regierung möglich“, so führt Caren Miosga ihren Hauptgast ein. Besonders die CDU steht vor einer Zerreißprobe, mit einer Partei reden zu müssen, die nicht unbedingt für Westbindung und Marktwirtschaft steht. Da kann Parteichef Friedrich Merz noch so oft dementieren, dass es eine Zerreißprobe gebe.

Die Gäste

Fast eine Solosendung bekommt Sahra Wagenknecht, Talkshow-Dauergast und zurzeit natürlich omnipräsent in allen Medien. Von TV-Legende Friedrich Küppersbusch stammte der Satz: „Die Besetzung einer Talkshow erfolgt nach den Regeln des Kasperletheaters.“ Dementsprechend war für Linke mit Sendungsbewusstsein immer die Rolle des Krokodils vorgesehen. Gregor Gysi und die Sahra Wagenknecht von früher füllten diese Krokodils-Rolle idealtypisch aus. Die neue Sahra Wagenknecht spielt eine andere Rolle. Die Hauptrolle natürlich. Aber auch die des „one trick pony“. So heißen die Zirkuspferde, die unter der Kuppel des großen Zeltes genau einen Trick zeigen. Den aber in Perfektion. Sahra Wagenknecht ist so gesehen das Ein-Trick-Panjepferd der aktuellen Politbühne.

Ihre Wortwahl ist immer die gleiche: Sie spricht von der „Repräsentationslücke“, die das BSW im politischen System schließen wolle. Sie sagt: „Ich halte Politiker, die Kriege beginnen, für Verbrecher. Nicht nur Putin“ und kritisiert dann die Kriege der USA derart heftig, dass der zweite Miosga-Gast Michael Bröcker nur „heuchlerische Doppelmoral“ kontern kann.

Bröcker ist Chefredakteur von „Table Media“ und im politischen Berlin, besonders bei der Union, exzellent vernetzt. Aus der Union kommt auch der dritte Gast, Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Die Sendung

Als AfD-Chef Tino Chrupalla im April bei Miosga zu Gast war, versuchte die Moderatorin zunächst eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, spielte lange das Leutselige-Handwerker-Spiel des Görlitzer Malermeisters mit. Das brachte ihr deutliche Kritik an. „Ich finde den Ansatz trotzdem richtig“, sagte Miosga im RND-Interview. Mit Wagenknecht aber gab es solch ein Geplänkel nicht. Miosga ging gleich in die Vollen. Sie zeigte Wagenknecht-Tassen und Wagenknecht-Hoodies aus dem BSW-Fanshop und versuchte Wagenknecht beim Thema „Personenkult“ zu packen.

Wagenknecht ließ das noch abtropfen, doch Miosga ließ nicht locker. Sie warf Wagenknecht ihre Wortwahl vor, zeigte die Parallelen zum AfD-Sound eines Björn Höcke auf. „Vasallenkanzler“ hatte Wagenknecht Bundeskanzler Olaf Scholz genannt. „Sie wollen doch nicht ernsthaft behaupten, Scholz sei Vasall der Vereinigten Staaten“, hielt Miosga ihr vor. Wagenknecht wollte sich nicht von dem Begriff distanzieren. „Er hat zumindest in all den Entscheidungen relativ wenig Rückgrat und eigene Statur bewiesen.“ Heiße das, die Bundesrepublik sei kein souveräner Staat, fühlte Miosga vor. „Natürlich sind wir ein souveräner Staat, aber haben keine souveräne Regierung“, antwortete Wagenknecht.

Die Moderatorin warf ihr - nicht wenig überzogen - Nähe zu Reichsbürger-Sprech vor, was Wagenknecht empört zurückweisen konnte. Weniger souverän aber konnte Wagenknecht auf Miosgas folgenden Vorwurf reagieren, sie rede zwar viel von Altersarmut und sozialen Schieflagen, es fehle ihr aber an eigener Anschauung. „Es gibt keine Bilder von Ihnen in sozialen Einrichtungen. Wir haben bei Sozialverbänden angerufen, in Ostdeutschland und in Ihrem Landesverband Nordrhein-Westfalen. Niemand kann sich erinnern, dass sie jemals persönlich eine soziale Einrichtung besucht haben.“

Wagenknecht windet sich. „Ich war auch schon bei Tafeln“, sagt sie zunächst, um dann einzuschränken, dass sie einmal „mit jemandem gesprochen habe, der eine Tafel macht“. Sie verweist auf Mails, die Menschen ihr schreiben, auf Gespräche am Flughafen und im Wahlkampf. Doch das Bild bleibt: Wagenknecht braucht die Distanz, sie scheut den Realitätsabgleich ihrer Thesen.

Als die Männer dazukommen, droht die Sendung zu eskalieren

Nach einer halben Stunde harten, aber konstruktivem Solo-Verhör kommen dann Frei und Bröcker hinzu. Wagenknecht, die sich ohnehin in die Ecke gedrängt fühlte, will die beiden Männer kaum zu Wort kommen lassen. Die halten es ähnlich, die Sendung droht zu eskalieren.

Doch Bröcker zumindest hat ein ehrliches Erkenntnisinteresse daran, wie sich die politische Black Box BSW weiterentwickeln könnte. Er wirft Wagenknecht ihre entgrenzte Rhetorik vor, ihre stets weiter hochgetriebenen Forderungen für die Koalitionsverhandlungen. „Sie könnten doch einmal abrüsten“, sagt er mit Blick auf ihre friedenspolitischen Forderungen. „Dieser Krieg wird doch nicht in Sachsen und Thüringen entschieden.“

Thorsten Frei verteidigte die Unvereinbarkeitsbeschlüsse der Union mit der AfD und auch mit der siechen Linkspartei. Gegenüber dem BSW aber brauche es einen solchen Beschluss nicht: In der Außen- und Sicherheitspolitik vertrete man „sicher sehr unterschiedliche Positionen“. Aber in den Themenfeldern Bildung, Migration, Gesellschaftspolitik und Staatsangehörigkeitsrecht gebe es durchaus „Schnittmengen, die ich mit der Linken nicht sehe“.

Für die maßgeblichen Teile der CDU, so scheint es, ist mit Wagenknecht durchaus ein Staat zu machen.