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BSW-Chefin Wagenknecht erzählt, wie ihr Gespräch mit Kretschmer lief

Sahra Wagenknecht hat mit Michael Kretschmer über Außenpolitik gesprochen. Ihr Mann Oskar Lafontaine spielt bei Gesprächen mit CDU und Sozialdemokraten in Sachsen eine Rolle.

Von Thilo Alexe
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Sahra Wagenknecht
Sahra Wagenknecht © Robert Michael/dpa

Frau Wagenknecht, Sie haben Anfang der Woche Sachsens CDU-Regierungschef Michael Kretschmer getroffen. Wie war das Gespräch?

Das war ein vertrauliches Kennenlerngespräch. Wollen wir ehrlich zusammenarbeiten, gibt es ausreichend gemeinsame Ziele? Unsere Wähler erwarten spürbare Veränderungen, einen politischen Neubeginn. Darüber haben wir gesprochen. Und auch über die großen Fragen der Außenpolitik.

Werden Sie auch ein Gespräch mit den Vorsitzenden der Sachsen-SPD führen?

Es hat ein Gespräch unserer Spitzenkandidaten mit der SPD-Spitze gegeben. Und natürlich wird es Sondierungen geben, bevor der Startschuss für Koalitionsverhandlungen fällt. Mir war es wichtig, mit dem künftigen Ministerpräsidenten zu sprechen.

Sie haben die Außenpolitik angesprochen. Ist die Haltung zum Krieg in der Ukraine wichtig für die Koalitionsbildung aus BSW-Sicht?

Das Thema ist sehr wichtig und bewegt die Menschen. Wir werden im Ukrainekrieg immer mehr zur Kriegspartei. Viele haben Angst, dass der Krieg irgendwann zu uns kommt. Die Bundesregierung hat kein Konzept, diesen Krieg zu beenden. Es wird nur auf immer mehr Waffen gesetzt. Man ist ja schon dankbar, dass Kanzler Scholz kürzlich eine Friedenskonferenz unter Einschluss Russlands immerhin ins Spiel brachte, aber wie ehrlich ist das? Am Rande eines Natogipfels hat er seine Zustimmung gegeben, wieder US-Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren, die ohne Vorwarnzeit Ziele tief in Russland erreichen können. Das ist hochgefährlich. Wir möchten, dass eine Landesregierung sich für das einsetzt, was die große Mehrheit der Sachsen möchte: mehr Diplomatie, eine Verringerung der Kriegsgefahr und eine Ablehnung der Raketenpläne.

Und das ist aus BSW-Sicht wichtig für eine Koalition in Sachsen?

Man kann nicht ernsthaft sagen, wir reden über Bürokratieabbau, über Lehrer und Migration, aber wir klammern die alles überlagernde Frage von Krieg und Frieden aus. Ohne Frieden ist alles nichts. Wir müssen aus der Spirale aus Konfrontation und einem neuen Wettrüsten herauskommen. Sich dafür einzusetzen, ist auch Verantwortung einer Landesregierung.

In der CDU gibt es Landräte und Kreisverbände, die sagen, Sie seien zu links, Kretschmer solle auf eine Minderheitsregierung setzen.

Ob die CDU mit uns koalieren möchte, muss sie entscheiden. Aber was ist heutzutage rechts, was links? Die CDU trägt eine große Mitverantwortung für die unkontrollierte Migration. Als ich die naive Willkommenskultur schon vor Jahren kritisiert habe, wurde mir auch von CDU-Politikern AfD-Nähe unterstellt. Ein linkes Kernanliegen war immer soziale Gerechtigkeit, ordentliche Löhne, gute Renten. Das ist auch heute mein Ziel. Aber viele linke Diskurse drehen sich heute um andere Fragen, sind abgehoben, selbsternannte Linke belehren die Menschen, wie sie zu leben und zu sprechen haben. Damit habe ich nichts zu tun.

"Auf keinen Fall fahrlässig Schulden machen"

Wenn man so will, ist es auch eine linke Forderung, die sächsische Schuldenbremse zu lockern. Das BSW will das, die CDU nicht.

Wir sind für einen verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeld. Das heißt, auf keinen Fall fahrlässig Schulden zu machen. Auf Bundesebene ist das in den vergangenen Jahren geschehen, trotz Schuldenbremse. Die Bundesregierung hat seit 2020 Hunderte Milliarden Euro Schulden gemacht, um die eigenen politischen Fehlentscheidungen auszugleichen: Erst die Folgen der Lockdowns, dann die Preissteigerungen bei Öl und Gas als Folge der Russlandsanktionen.

Die CDU beharrt auf den Verfassungsrang der sächsischen Schuldenbremse. Regierungschef Kretschmer fordert aber ein 100-Milliarden-Sondervermögen des Bundes für Investitionen in Bahn und Infrastruktur.

Das ist dringend notwendig, wie man an der eingestürzten Brücke in Dresden sieht. Viele Brücken und Straßen sind marode, Schienennetze wurden abgebaut und nicht ordentlich gewartet. Ich habe in Chemnitz promoviert. Wer dahin mit der Bahn will, hat einen beschwerlichen Weg, in vielen Kleinstädten ist es noch viel schlimmer. Dringend nötige Investitionen in die Infrastruktur kann man nicht aus dem laufenden Haushalt finanzieren. Dafür sind Kredite notwendig. Auch verantwortungsvolle Unternehmen investieren auf Kredit. Investitionen bedeuten, dass mit mehr Wachstum auch die Schulden zurückgezahlt werden können.

BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht kommt zu einem Pressestatement.
BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht kommt zu einem Pressestatement. © Kay Nietfeld/dpa

Koalieren Sie nur mit Herrn Kretschmer, wenn die CDU in Thüringen die BSW-Kandidatin wählt?

Wenn wir in Thüringen stärker als die CDU geworden wären, hätten wir das selbstverständlich erwartet. Aber bei der Wahl lag die CDU vorn, deshalb stellt sich die Frage nicht.

Die BSW-Fraktion in Sachsen konstituiert sich am Montag. Haben Sie einen Favoriten oder eine Favoritin für den Vorsitz?

Das wird vor Ort entschieden. Wir haben jedenfalls tolle Leute in der Fraktion – Politikerfahrene und auch viele, die bis vor wenigen Monaten in normalen Berufen gearbeitet haben. Dieser frische Wind wird dem Landtag guttun.

Welche Rolle spielt Oskar Lafontaine?

Wird Ihr Mann Oskar Lafontaine über eine Regierung in Sachsen mit verhandeln?

Die Koalitionsverhandlungen werden unsere Spitzenkandidaten und die Fachpolitiker führen. Selbstverständlich stimmen wir uns ab. Und diejenigen unter uns, die Regierungserfahrung haben, da gehört mein Mann ja dazu, helfen und beraten. Aber sie sitzen natürlich nicht am Tisch. Wir sind ja in einer besonderen Situation. Dass eine Partei, die im Januar gegründet wurde, im Herbst womöglich Koalitionsverhandlungen führen muss, ist ja schon eine Herausforderung.

Also er verhandelt mit, sitzt aber nicht mit SPD und CDU am Tisch, richtig?

Also wir haben eine Reihe von Leuten, die uns dabei unterstützen, solide Konzepte in die Verhandlungen einzubringen. Wir gehen da ja nicht mit einem wolkigen Wünsch-Dir-was rein, sondern legen Forderungen auf den Tisch legen, die machbar sind, die sich finanzieren lassen und das Land voranbringen. Da wir noch nicht zig Legislaturperioden Landtagserfahrung in Sachsen haben, müssen wir unsere Kompetenzen zusammenlegen.

Gut, wir werden sehen, wer nach Dresden kommt. Als Sie unlängst hier sprachen, haben sie die aktuelle Stimmung mit der zum Ende der DDR verglichen. Können Sie solche Vergleiche noch machen, wenn Sie in Regierungsverantwortung sind?

Das ist doch ein Lebensgefühl vieler Menschen. Also ich habe die Endphase der DDR noch erlebt. Man hatte das Gefühl, die Leute im Politbüro leben in einer anderen Welt, weit weg von der Realität und den Problemen im Land. Und man hat gespürt: so geht es nicht weiter. Heute gibt es natürlich kein Politbüro mehr, aber viele Politiker in Berlin haben ebenfalls jede Bodenhaftung verloren und keinen Plan, keine Ideen für die Zukunft. Die Ostdeutschen sind da sehr sensibel und zwar zu Recht.