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Rückzug der Linkenchefs: Warum der Schritt Klarheit bringen kann

Für ostdeutsche Genossen ist der Zeitpunkt problematisch, am Wahlausgang ändert er wohl nichts. Die Bundespartei muss sich in zentralen Fragen sortieren. Ein Kommentar.

Von Thilo Alexe
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Die Linkenchefs Martin Schirdewan und Janine Wissler kandidieren beim kommenden Parteitag im Oktober in Halle nicht wieder.
Die Linkenchefs Martin Schirdewan und Janine Wissler kandidieren beim kommenden Parteitag im Oktober in Halle nicht wieder. © Montage: SZ, Martin Schutt/dpa

Ob der angekündigte Rückzug ihrer Bundesvorsitzenden Sachsens Linken im Wahlkampf schadet? Vermutlich ändert er wenig daran, dass die Landespartei weiter an der Fünfprozentmarke schrammt. Auch wenn der Verkündigungszeitpunkt zwei Wochen vor der Wahl aus Berliner Sicht wenig rücksichtsvoll ist.

Die Kernfrage lautet: Hilft es der Gesamtpartei, dass ihr EU-Fraktionschef Martin Schirdewan und die hessische Bundestagsabgeordnete Janine Wissler im Herbst nicht wieder für die Doppelspitze kandidieren? Die beiden sind integre Parteiarbeiter. Das Duo hat die Führung in turbulenten Zeiten übernommen, mit Respekt gearbeitet und schrille Töne nach außen vermieden. Es wäre auch für andere Spitzenpolitiker schwierig gewesen, gegen jemanden mit dem Charisma von Sahra Wagenknecht zu punkten.

Doch spätestens als die Linke bei der Europawahl Anfang Juni ihr Ergebnis halbierte, war klar: Es braucht Klarheit. Der Rückzug der Bundesspitze bietet der Partei spät die Chance, zentrale Themen anzugehen, um die sie sich bislang mehr oder minder geschmeidig herummogelt. Wagenknecht ist auch deshalb erfolgreich, weil sie Klartext beim Thema Migration spricht und unkontrollierte Zuwanderung begrenzen will. Eine linke Partei muss das nicht teilen. Aber sie muss entweder erklären, warum sie Stimme der Geflüchteten sein will. Oder aber sie versucht ein Konzept zu entwickeln, das letztlich auch auf Begrenzung der Migration hinausläuft. Das ist schwierig. Doch positionieren muss sich die Linke.

Ähnliches bei der Außenpolitik: Frieden ja, aber wie? Die Partei ist skeptisch gegenüber der Nato und Russland. Sie verurteilt den Krieg in der Ukraine, will aber keine Waffen liefern. Das sind, höflich gesagt, recht vielfältige Positionen in polarisierenden Zeiten, in denen eindeutige Antworten gefragt sind. Die Linke hat die Möglichkeit, sich als Friedenspartei zu profilieren. Doch dazu muss sie ihre Vorschläge für eine internationale Ordnung herausarbeiten und im Alltag präsentieren. Dazu braucht es mehr als langatmige Parteitagsbeschlüsse.

Neues Personal kann das vorantreiben. Darüber hinaus sollte sich die Partei weiter als Kümmerer präsentieren. In Großstädten ächzen Mieter unter steigenden Belastungen. Eine bundesweite Mieterbewegung ist daraus zwar nicht entstanden. Doch das Thema treibt viele um. Die Linke sollte ihr politischer Anwalt sein, so wie der von Geringverdienern und Senioren mit wenig Rente. Soziales Korrektiv auf der Oppositionsbank. Das klingt womöglich klein. Nötig ist es.