Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Feuilleton

Wer AfD-Wähler so beschimpft, hilft im Osten niemandem

Der Kabarettist Florian Schroeder hat mit einer satirischen "Wählerbeschimpfung" auf AfD-Erfolge reagiert. Hier entgegnet ihm der Dresdner Kabarettist Philipp Schaller.

 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Gibt es wertvolle und wertlose Wähler?
Gibt es wertvolle und wertlose Wähler? © dpa

Ich habe auf den Shitstorm gewartet. Eine Stellungnahme der ARD. Eine Distanzierung der Programmleitung. Was war passiert? Florian Schroeder, der wertvolle Kabarettist des öffentlich-rechtlichen-Rundfunks, hat für Spiegel Online eine Satire verfasst, eine Wählerbeschimpfung. Er schimpft auf AfD-Wähler. Zitat: „Und wenn ich dann eben Putin-Klatschvieh wie AfD und BSW die Stimme gebe, dann bedeutet das, dass ich mit dem Prinzip Freiheit offensichtlich überfordert bin.“

So weit so mutig. Aber ein wertvoller Kabarettist belässt es nicht beim Schimpfen. Ein wertvoller Kabarettist gibt eine Antwort, denkt weiter, bietet Auswege, Lösungen. Die Lösung des wertvollen Kabarettisten Florian Schroeder im Wortlaut: Politiker sollten “ihre Verantwortung nicht darin sehen, verlorene Seelen zurückzuholen, die gar nicht zurückgeholt werden wollen. Sie sollten vielmehr eine gute Politik für die wertvollen drei Viertel im Land machen.“

Florian Schroeder ist Satiriker, Moderator und Publizist.
Florian Schroeder ist Satiriker, Moderator und Publizist. © dpa/Arne Dedert

Die wertvollen drei Viertel im Land. Die Wertvollen. Ich habe auf den Shitstorm gewartet. Auf die Empörung der wertvollen Kommentatoren, die wenige Tage zuvor den Comedian Luke Mockridge zerrissen hatten. Sat1 hatte mutig verkündet, Mockridges angekündigte Sendung nicht auszustrahlen. Spiegel Online hatte mutig gefragt, warum die beiden Podcaster, mit denen Mockridge armlose Paralympicer ertrinken ließ, noch keine Stellungnahme veröffentlicht haben. Wo waren die Empörten? Die Sprachsensiblen? Wer stellte die Frage, was dann das restliche Viertel im Land sei? Die Wertlosen? Die Unwerten? Wo sind die eifrigen Nazi-Sprache-Vergleicher, wenn man sie mal braucht?

Stellen wir uns einmal vor, der wertvolle Kabarettist des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hätte folgenden Satz geschrieben: Der Staat solle “doch nicht mehr behinderte Sportler fördern, sondern vielmehr nur noch die wertvollen Sportler.“ Schroeders Karriere wäre am Ende gewesen. Zum Glück weiß der wertvolle Kabarettist, dass ostdeutsche AfD-Wähler nicht mit der Empörung der Aufrechten rechnen dürfen.

Ich lehne die AfD aus vollem Herzen ab. Und Schroeder hat recht, wenn er schreibt, AfD-Wähler wüssten, wen sie wählen. Aber wenn eine ganze Gruppe mit NS-Sprache diffamiert wird, muss ich – wohl oder übel in diesem einen Fall – auf der Seite der AfD-Wähler stehen. Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen.

Philipp Schaller ist künstlerischer Leiter des Kabaretts Herkuleskeule in Dresden.
Philipp Schaller ist künstlerischer Leiter des Kabaretts Herkuleskeule in Dresden. © Matthias Rietschel

Bei der Gelegenheit werde ich die Wähler fragen, ob sie jetzt noch irgendeinen Sinn darin sehen, ein Quäntchen Sinn, mit den wertvollen Drei Viertel im Land zu reden? Und ob sie mir noch zuhören möchten, wenn ich ihnen erkläre, warum ich die AfD für eine menschenfeindliche Partei halte?

Florian Schroeder, Sie sind ein Verräter! Aber ein wertvoller! Mit ihrem wertvollen Beitrag für die wertvollen Drei Viertel im Land sind Sie den Menschen in den Rücken gefallen, die eigentlich ihre Verbündeten sein sollten. Menschen, die hier im Osten versuchen, noch irgendwas zu reißen. Kabarettisten, die in Reichenbach, Spremberg oder Zwickau die Zuschauer fragen, ob die Grünen nicht ganz sicher ein dankbares, aber vielleicht das falsche Feindbild sind. Und ob ein handwerklich miserables Heizungsgesetz wirklich ein Grund ist, die Rechtsradikalen zu wählen.

Sie sind den Bürgermeistern in den Rücken gefallen, die auch auf kommunaler Ebene noch die Brandmauer hochhalten und sie trotzdem einen Spalt geöffnet lassen, um mit der Gegenseite (ihren Nachbarn) zu reden. Sie sind allen Menschen in den Rücken gefallen, die glauben, der Satz „jeder Mensch ist wertvoll“ sei mehr als eine linke Utopie. Dass dieser Satz eine Gesprächsgrundlage sei. Grund und Boden für Verständigung, letzte Gemeinsamkeit einer friedlosen Gemeinschaft.

All diesen Menschen sind Sie in den Rücken gefallen! Danke Florian Schroeder! Das haben Sie sehr gut gemacht!