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Demos gegen AfD-Parteitag: Essen steht ein turbulentes Wochenende bevor

Die AfD will am 29. und 30. Juni in in Essen ihren Bundesparteitag abhalten. Voraussichtlich Zehntausende werden dagegen protestieren, es soll auch Blockadeaktionen geben. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

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Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Kundgebung gegen die AfD in Essen. Am kommenden Wochenende wollen dort Zehntausende gegen den AfD-Parteitag demonstrieren.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Kundgebung gegen die AfD in Essen. Am kommenden Wochenende wollen dort Zehntausende gegen den AfD-Parteitag demonstrieren. © Christoph Reichwein/dpa

Von Felix Huesmann

Berlin. Der Ruhrgebietsstadt Essen steht ein turbulentes Wochenende bevor. In der Grugahalle auf dem Essener Messegelände findet am Samstag und Sonntag (29. und 30. Juni) der Bundesparteitag der AfD statt. Im Essener Stadtgebiet und auch an der Messe haben Gegnerinnen und Gegner der AfD von Freitag bis Sonntag zu mehreren Demonstrationen aufgerufen.

Ein Bündnis will die Anreise der AfD-Delegierten mit friedlichen Sitzblockaden stören. Im Internet kursieren außerdem einzelne Aufrufe zu Gewaltaktionen. Herausfordernd wird das Wochenende besonders für die Polizei, die durch die Fußball‑EM bereits stark ausgelastet ist.

Worum geht es beim AfD-Parteitag?

Die AfD will bei ihrem Bundesparteitag am 29. und 30. Juni in Essen unter anderem ihren Bundesvorstand neu wählen. Dabei stellen sich auch die beiden Bundessprecher Tino Chrupalla und Alice Weidel wieder zur Wahl für die Parteispitze. Es wird aber nicht nur gewählt, auch die zurückliegende Europawahl und die in Teilen katastrophal verlaufene Wahlkampfkampagne der AfD werden ein Thema sein. Streit ist vorprogrammiert.

Wieso kann der Parteitag in der Grugahalle in Essen stattfinden?

Schon im Januar 2024 hatte die AfD einen Vertrag mit der Essener Messe geschlossen, um die Grugahalle auf dem Messegelände für ihren Parteitag im Juni zu nutzen. Grundsätzlich muss die Messegesellschaft, die mehrheitlich der Stadt Essen gehört, die Halle Parteien für solche Zwecke vermieten. Solange die AfD nicht verboten ist, darf sie dabei nicht anders behandelt werden als etwa die SPD, CDU oder FDP. Die Stadt Essen versuchte jedoch, die AfD nachträglich zu einer Ergänzung des Mietvertrags zu zwingen, um sicherzustellen, dass auf dem Parteitag keine verbotenen Parolen geäußert werden. Konkret ging es dabei etwa um die Losung „Alles für Deutschland“ der SA. Wegen der Verwendung dieses Ausspruchs war der AfD-Politiker Björn Höcke zuletzt gerichtlich verurteilt worden. Weil die AfD keinen Zusatzvertrag unterschreiben wollte, hat die Messe Essen der Partei den Mietvertrag gekündigt. Dagegen ging die AfD vor Gericht jedoch erfolgreich vor.

Was für Proteste gegen den AfD-Parteitag sind geplant?

Bereits am Freitagabend mobilisieren AfD-Gegnerinnen und Gegner zu einer Rave-Demo gegen die Partei in Essen. Die Demonstration mit lauter Musik soll um 19 Uhr am Essener Hauptbahnhof starten und bis zur Grugahalle ziehen, wo am nächsten Morgen der AfD-Parteitag beginnt.

Am Samstag sind in Essen mehrere Versammlungen und Protestaktionen angemeldet oder angekündigt. Um 10 Uhr soll eine Großdemonstration am Essener Hauptbahnhof starten und anschließend ebenfalls bis zur Grugahalle ziehen. Zu dieser Demonstration ruft das Protestbündnis Gemeinsam laut auf.

Für den Nachmittag organisiert die Stadt Essen eine zentrale Versammlung unweit der Grugahalle auf dem Messeparkplatz P2 - das Motto ist: „Zusammen für Demokratie, Vielfalt und Toleranz – Kein Raum für Hass und Hetze“. Dort könnten laut Polizei rund 45 000 Menschen zusammenkommen. Geplant sind Reden, Informationsstände und am Abend Musik.

Bereits ab dem frühen Morgen wollen AfD-Gegner den Parteitag außerdem mit Blockadeaktionen rund um die Grugahalle blockieren. Das Bündnis Widersetzen ruft dazu auf, den Parteitag so zu verhindern. Die Aktivisten betonen auf ihrer Webseite: „Von uns geht dabei keine Gewalt und keine Eskalation aus.“

Wie viele Menschen werden zu den Protesten erwartet?

Genaue Angaben dazu, wie viele Demonstrantinnen und Demonstranten erwartet werden, gibt es nicht. Die Protestveranstalter selbst rechnen mit 70.000 bis 100.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Polizei Essen teilte auf Anfrage lediglich mit, von mehreren Zehntausend auszugehen.

Für die Proteste und auch die Blockadeaktionen wird bundesweit mobilisiert. Mehr als 60 Reisebusse aus rund 40 Städten sollen am Samstag in Essen ankommen.

Wer unterstützt die Proteste?

Mehr als 300 Organisationen und 3000 Einzelpersonen haben den Aufruf zur Großdemo des Bündnisses Gemeinsam laut unterzeichnet. Darunter sind etwa der Diözesanrat im Bistum Essen, Fridays for Future, Ortsverbände von Gewerkschaften und Parteien, aber auch Antifagruppen und zahlreiche andere politische Initiativen. Auch mehrere Politikerinnen und Politiker haben den Aufruf unterzeichnet, darunter Bundestagsabgeordnete von SPD und Grünen.

Ist mit gewaltsamen Aktionen gegen den AfD-Parteitag zu rechnen?

In den vergangenen Wochen wurden etwa auf der linksradikalen Website Indymedia auch Aufrufe zu gewaltsamen Aktionen rund um den Parteitag veröffentlicht. Man rechne damit, dass mehrere Hundert gewaltbereite Störer aus ganz Deutschland nach Essen reisten, sagte Einsatzleiter Detlef Köbbel am Dienstag. „Wir wissen auch, dass es gezielt Trainings gab, um sich auf die Verhinderung des Parteitags vorzubereiten.“ Aufgabe der Polizei sei es, sowohl den ungestörten Verlauf des Parteitags als auch die friedlichen Proteste zu schützen. In einem Online-Aufruf hieß es etwa, man werde den Samstag „mit ein wenig Feuer einleiten“. Auch von Angriffen auf die Polizei ist die Rede. Solche Aufrufe gab es im Vorfeld von AfD-Parteitagen und rechtsextremen Veranstaltungen in der Vergangenheit bereits häufiger. Wie viele Menschen tatsächlich nach Essen reisen werden, um sich dort auch an gewaltsamen Aktionen zu beteiligen, ist im Vorfeld allerdings kaum einzuschätzen.

Die Einsatzkräfte wollen vor allem verhindern, dass Aktivisten die Anreise der AfD-Delegierten behindern oder in den gesperrten Bereich um die Grugahalle eindringen. „Falls es wirklich erforderlich sein sollte, werden wir diesen Schutz auch durch ein robustes Einschreiten gegen möglicherweise unfriedliche Störer gewährleisten“, betonte Essens Polizeipräsident Andreas Stüve. Den 600 Delegierten seien Verhaltenshinweise für ihre Anreise an die Hand gegeben worden, sagte Köbbel - Details nannte er auch auf Nachfrage nicht.

Wie stellt sich die Polizei auf den Einsatz ein?

„Den AfD-Parteitag auf der einen und die friedlichen Gegenproteste auf der anderen Seite zu schützen wird neben der Europameisterschaft und dem normalen polizeilichen Alltag eine riesige Aufgabe für die Polizei“, sagte der NRW-Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Michael Mertens dem RND. „Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sich beide Parteien nicht zu nahekommen, sonst ist die Eskalation vorprogrammiert“, fügte Mertens an. Die Polizei in NRW werde die Sicherheit aller Beteiligten nur dadurch sicherstellen können, dass viele Kräfte aus dem Bundesgebiet zusammengezogen werden.

„Ich rechne mit einer Größenordnung wie beim G20‑Gipfel in Hamburg. Man muss die Aufrufe aus dem linksextremen Bereich ernst nehmen“, mahnte Mertens. „Aus polizeilicher Sicht wird das das schwierigste Wochenende, das ich in den letzten zehn, vielleicht sogar 20 Jahren erlebt habe.“

Für die Polizei ist der Einsatz eine Herausforderung, weil am Samstag - dem Tag der größten Proteste - in Dortmund die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im EM-Achtelfinale steht. Die Polizei werde am Wochenende in Essen trotzdem mit mehreren Tausend Beamten im Einsatz sein, betonte Köbbel. „Wer glaubt, wir wären personell nicht in der Lage, diese Einsatzlage zu bewältigen, der irrt.“ (mit dpa)