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Männerfestung Landtag: Warum so wenige Frauen im sächsischen Parlament sitzen

Unter den gerade gewählten Landtagsabgeordneten in Sachsen sind auffallend wenig Frauen. Wie das kommt und welche Auswirkungen das auf die Politik haben könnte.

Von Elisa Schulz
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Wo sind die Frauen? Der Anteil an Frauen im sächsischen Landtag ist mit knapp einem Viertel schwindend gering.
Wo sind die Frauen? Der Anteil an Frauen im sächsischen Landtag ist mit knapp einem Viertel schwindend gering. © Foto: SZ/ Veit Hengst

Von den 120 Abgeordneten, die Anfang September für den sächsischen Landtag gewählt wurden, sind nur 33 Frauen. Das entspricht knapp 25 Prozent. Bei den Stadträten, Kreistagen und Bürgermeisterposten sind es noch weniger. In den sächsischen Gemeinde- und Stadträten sind nur rund 22 Prozent der Sitze mit Frauen besetzt.

Für die Themenvielfalt macht es durchaus einen Unterschied, ob Frauen oder Männer im Landtag sitzen, sagt Kathrin Mahler Walther, Vorsitzende der Europäischen Akademie für Frauen (EAF), eine gemeinnützige Organisation, die gleichberechtigte Teilhabe fördert. "Es bringt mehr Perspektiven in die Themen", sagt Walther. Ein großes Thema seien die immer noch fest verankerten Rollenbilder. "Die traditionellen Geschlechterrollen verorten Männer in der öffentlichen Sphäre, Frauen eher in der privaten und häuslichen Sphäre - dazu gehört nicht der Bereich der Politik", sagt Walther. Die Sorgearbeit ist ein großer Punkt in den Stereotypen. "Frauen bringen pro Woche acht Stunden mehr Zeit mit Care-Arbeit auf als Männer."

"Das Problem sind nicht die Männer, die keine Frauen wählen. Das Problem ist eher, dass sich zu wenige Frauen in den Wahlkreisen bewerben", sagt Andrea Dombois, erste Vizepräsidentin des Sächsischen Landtages. Sie ist seit 1979 Mitglied in der CDU und seit 1990 Mitglied des Landtags. Zur diesjährigen Wahl wurde sie nicht wieder aufgestellt, da sie im Oktober in Rente geht.

Dass wenige Frauen sich für eine Karriere in der Politik entscheiden, bemerkt sie schon lange. "Oft übernehmen Frauen die Arbeit mit den Kindern oder dem Haushalt. Sie brauchen dann eher einen geregelten Tag, das geht bei so einem Mandat selten", sagt die 66-Jährige, "Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist nur ein Slogan und funktioniert in der Politik nicht, wie man das denkt."

"Noch schwerer wird es für Alleinerziehende"

Aus ihren langjährigen Erfahrungen kennt sie den familiären Konflikt. "Wenn die Männer einen guten Job haben, dann wollen sie ihn auch gern behalten und die Frau steckt zurück. Noch schwerer wird es für Alleinerziehende", sagt die Vizepräsidentin.

Rückblickend auf ihr eigenes Leben in der Politik hat sie Verständnis für eine solche Entscheidung. "So ein eigenes Leben hat man da eigentlich nicht mehr, und das wird viele Frauen davon abhalten. Die Unterstützung fehlt."

Nicht nur Sachsen hat wenige Frauen im Landtag. Auch in anderen Bundesländern sind nur ein Drittel bis ein Viertel der Landtagsabgeordneten Frauen. Die meisten Frauen, die in die Politik gehen, haben vorher ein Ehrenamt ausgeübt. "Knapp 70 Prozent der Frauen waren vorher in einem zivilgesellschaftlichen Bereich tätig", sagt Kathrin Walther. Doch auch dort gibt es immer noch weniger Frauen als Männer. "Förderprogramme richten sich oft auf Vereine und Verbände aus, die eher in einem männlich dominierten Bereich befinden, wie Katastrophenschutz oder die freiwillige Feuerwehr", so Walther.

Dazu kommt außerdem noch ein geschichtlich gewachsener Ost-West-Unterschied. "In Westdeutschland hat man ja noch ziemlich Unterschied im Arbeitsvolumen von Frauen und Männern", sagt die Vorsitzende der EAF. Laut ihr liegt darin eines der größten strukturellen Probleme für die Frauen in der Politik: "Das heißt, Frauen in Ostdeutschland arbeiten ähnlich viel wie Männer, investieren aber trotzdem eben sehr viel mehr Zeit in Care-Arbeit. Und diese Zeit fehlt eben für so etwas wie Engagement."

"Männer machen das ohne zu überlegen"

Zudem ist der ländliche Anteil in Ostdeutschland eine Herausforderung "Die Stereotypen werden dort noch traditioneller gelebt", sagt Walther. "Häufig lange Fahrtwege, Pendelwege zum Beruf, Fahrtwege zum Engagement, Pendeln oder Fahrtwege zum Einkaufen und so weiter schlägt dann noch extra auf die zusätzliche Zeit", sagt sie.

Für Tina Trompter, der jüngsten Abgeordneten im neu gewählten Landtag, sind die Rollenbilder nicht das zentrale Problem. "Ich bin 23 - in meiner Generation spielt das Thema Aufteilung des Alltages und der Familie nicht mehr so eine wesentliche Rolle", sagt die CDU-Politikerin. Stattdessen führt sie das Selbstverständnis der Frauen als einen Grund an. "Frauen überlegen sich dreimal, ob sie für ein Amt geeignet sind und Männer machen das ohne zu überlegen, ob sie jetzt 100 Prozent die Kriterien erfüllen."

Kathrin Mahler Walther kann erklären, woher das kommt: "Bei Frauen wird die Kompetenz häufiger aufgrund ihres Geschlechts hinterfragt", sagt sie. Dazu kommt ein gewisser Alltagssexismus, sagt Walther: "Wenn wir uns anschauen, wie viele unfassbar viele Artikel und Kommentare es über das Aussehen von Angela Merkel oder Annalena Baerbock gab. Ich glaube, kein einziger männlicher Politiker hat jemals ansatzweise so viele Kommentare für sein Äußeres bekommen."

"Wir wollen Frauen, die gut sind in dem, was sie tun"

Die SPD, Grünen und Linken stellen bereits ihre Mandate paritätisch auf - also gleich viele Männer und Frauen. Dadurch ziehen bei der SPD fünf Männer und fünf Frauen in den neu gewählten Landtag. Bei den Grünen sind es vier Frauen und drei Männer und auch bei den Linken sind die Abgeordneten mit drei Frauen und drei Männern ausgeglichen. Die AfD, CDU und das BSW machen das noch nicht. Bei der AfD ziehen auf 40 Plätze nur vier Frauen in den Landtag, das sind gerade einmal zehn Prozent. Bei der CDU sind es elf von 41 Sitze und damit ein Viertel der künftigen Abgeordneten. Beim Bündnis Sahra Wagenknecht sind es immerhin schon ein Drittel.

Kathrin Mahler Walther von der Europäischen Akademie für Frauen zieht deswegen auch eine Frauenquote in der Politik in Betracht. "Das wäre auf jeden Fall ein sinnvoller und richtiger Schritt, um ungleiche Ausgangsbedingungen von Frauen und Männern ein Stück weit ausgleichen", sagt sie.

Für die beiden Politikerinnen Andrea Dombois und Tina Trompter ist das keine Lösung. "Wir wollen Frauen, die gut sind in dem, was sie tun und nicht nur auf die Wahlliste kommen, weil sie ausgezählt wurden", sagt Dombois. Tina Trompter sieht das ähnlich. "Die Anreize müssten anderswo geschaffen werden", sagt die 23-Jährige, "Termine könnte man auf Hybrid abhalten, sodass man ein bisschen flexibler wird, und wenn es dann auch um die Mandate geht, sollten Frauen auch zielgerichtet angesprochen werden."

Kathrin Walther stimmt da zu: "Es braucht viele Empowerment-Angebote, also Angebote für Frauen, Einladungen an Frauen, sich zu vernetzen und zu engagieren. Frauen müssen aus den Parteien heraus aktiv angesprochen werden", sagt sie, "die Repräsentanz von Frauen muss einfach aktiv hergestellt werden."