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Landtagswahl 2024 in Sachsen: So realistisch sind die Versprechen auf den Wahlplakaten

15 Euro Mindestlohn, kostenloses Mittagessen in Kitas und Schulen und keine Rundfunkgebühren mehr. Welche Wahlversprechen umsetzbar sind und welche nur ein Bluff.

Von Olivia Daume
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Bis zur Landtagswahl in Sachsen sind es nur noch reichlich zwei Wochen.
Bis zur Landtagswahl in Sachsen sind es nur noch reichlich zwei Wochen. © André Schulze

Nur noch wenige Wochen vor der Landtagswahl in Sachsen hängen sie überall: Wahlplakate. In großen Lettern prangen Versprechen nach mehr Lehrern und Forderungen nach einer starken Wirtschaft. Doch auch wenn so manches Wahlprogramm wünschenswert ist, erscheint es teils unrealistisch oder scheitert an der Umsetzung. Was ist dran an den Versprechen von CDU, AfD und Co.?

CDU: "Erstklassige Bildung schon ab der Vorschule"

In Sachsen fordert die CDU eine "erstklassige Bildung schon ab der Vorschule". Was erstklassig klingt, verpflichtet alle Kinder in Sachsen ein Jahr vor der Einschulung eine Kita zu besuchen. "Wir brauchen ein verbindliches und verpflichtendes Vorschuljahr für alle Kinder", sagte Michael Kretschmer der Leipziger Volkszeitung. Nach Ansicht des Ministerpräsidenten könnte das Vorschuljahr schon 2025 eingeführt werden.

Es geht darum, einheitliche Grundlagen für die schulische Bildung zu schaffen. "Die Kinder kommen heutzutage mit Entwicklungsunterschieden von bis zu drei Jahren in die Schule", sagte Kultusminister Christian Piwarz (CDU). Diese Unterschiede könne die Schule kaum kompensieren.

Doch es gibt Bedenken. In Deutschland ist nur die Schulpflicht ab sechs Jahren gesetzlich geregelt. Der Besuch eines Kindergartens hingegen ist freiwillig und kostet Geld. Geprüft werden müsse, ob ein verpflichtendes Vorschuljahr mit der sächsischen Verfassung vereinbar sei, sagte Piwarz.

Sachsens Verfassung betont in Bildungsfragen das Erziehungsrecht der Eltern. Für eine Verfassungsänderung wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag nötig. Der Kultusminister will prüfen, ob es auch andere Wege gibt, eine Vorschulpflicht einzuführen. Ob es das verpflichtende letzte Kita-Jahr auch in anderen Bundesländern gibt und ob dann für alle kostenfrei wird, erfahren Sie hier.

AfD: "GEZ schaffen wir ab!"

"Viele Bürger wollen nicht für einseitige Medieninhalte zahlen, die sie gar nicht konsumieren. Das ist im Zeitalter von Streamingdiensten auch nachvollziehbar", sagt Torsten Gahler, Sprecher der AfD-Fraktion Sachsen. Deshalb will die AfD die Rundfunkgebühren abschaffen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) "auf seine Kernaufgaben verschlanken".

Für eine Abschaffung des Rundfunkbeitrages ist auch der rechtsextreme Vorsitzende der AfD in Thüringen Björn Höcke. Sollte er nach der Landtagswahl Ministerpräsident werden, will er im selben Zug den MDR-Staatsvertrag kündigen.

Grundsätzlich gilt: Kündigt ein Land den MDR-Staatsvertrag, besteht die Rundfunkanstalt zwischen den übrigen Ländern weiter. Sollten sich weitere beteiligte Länder dazu entschließen, der Kündigung des ersten Landes zu folgen, wäre ein Vertrag über die Folgen der Kündigung zu schließen, heißt es vom MDR. Die Länder müssten für den gekündigten Rundfunk Alternativen finden, die den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügen. Denn im Grundgesetz steht: Es muss einen ÖRR geben.

Auch die Verträge zur Finanzierung des ÖRR und zur Höhe des Beitrags sind dem MDR zufolge grundsätzlich kündbar. Die aktuelle Höhe von monatlich 18,36 Euro ist allerdings nicht durch einen Staatsvertrag, sondern durch das Bundesverfassungsgericht geregelt. Die Kündigung des MDR-Staatsvertrages kann in Bezug auf den Rundfunkbeitrag also nichts ausrichten. Die Regelung des Bundesverfassungsgerichts besteht solange fort, bis die Länder eine staatsvertragliche Neuregelung über die Finanzierung des ÖRR vorgenommen haben.

Die Linke: "Kostenloses Mittagessen für Kinder"

Seit 2008 macht die Linke im Landtag Druck für eine kostenlose und gesunde Mittagsversorgung von der Krippe bis zum Schulabschluss. „Eine vollwertige Ernährung ist die Voraussetzung für Bildungserfolg und ein gutes Aufwachsen", sagt Linken-Spitzenkandidaten Susanne Schaper.

Inzwischen müssen immer mehr Eltern ihre Kinder von der Versorgung abmelden, weil die Kosten für das Kita- und Schulessen steigen. "Der Landtag soll den Kommunen die nötigen Mittel zur Verfügung stellen. Es gibt bereits jetzt Kommunen, in denen die Eltern nichts mehr oder nur einen Teilbetrag zum Essen zuzahlen müssen", so Schaper.

Auch der Verband deutscher Schul- und Kitacaterer (VDSKC) fordert bereits seit Jahren das kostenfreie Mittagessen für Kita- und Schulkinder in ganz Deutschland. "Eine staatliche Subventionierung würde vor allem Familien aus mittleren und unteren Einkommensklassen deutlich entlasten und so für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgen", sagt Ralf Blauert, Vorsitzender des VDSKC.

Wie eine Mittagsverpflegung in Kitas und Schulen finanziert werden soll, damit hat sich der wissenschaftliche Dienst des Bundestages befasst. Eine Finanzierung aus dem Bundeshaushalt würde eine Änderung des Grundgesetzes mit sich ziehen. Möglich wäre eine Änderung der Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer, um den Ländern einen finanziellen Ausgleich für die Bereitstellung kostenfreier Mittagessen zu gewähren. Auch bei der Änderung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes hätte der Gesetzgeber einen gewissen Spielraum.

SPD: "Das Richtige für Sachsen: 15 Euro Mindestlohn"

Sachsens Sozialministerin und SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping fordert die Anhebung des bundesweiten Mindestlohns auf 15 Euro. Ziel sei es, die Einkommensunterschiede zwischen Ost und West auszugleichen. Dabei setzt die SPD vor allem auf mehr Tarifverträge, starke Betriebsräte und eine neue Arbeiterbewegung.

In Sachsen sei die Lage besonders dramatisch: "Der mittlere Bruttolohn in Sachsen beträgt 3.012 Euro, im ebenfalls ländlichen Hessen liegt er bei 3.939 Euro, in Hamburg sogar bei 4.127 Euro", sagte Köpping in einem Interview mit dem Nachrichtenportal T-Online. "Die Kluft ist enorm, ein gerechter Mindestlohn könnte diese Lohnlücke mindern." Hinzu kämen gestiegene Preise, auch wenn die Inflation wieder gesunken ist.

Eigentlich berät eine Kommission über die Höhe des Mindestlohns. Seine Anhebung sei Verdi-Sprecher Jörg Förster zufolge vor allem eine gewerkschaftliche Forderung. Aber: "Es bedarf hierzu einer Gesetzgebung, die von der sächsischen SPD zwar unterstützt, aber nicht durchgesetzt werden kann." Das Gleiche gelte auch für die neue Regierungskoalition nach der Bundestagswahl.

Weitaus regionaler und deshalb realistischer sei der Ansatz, für gleiche Arbeit gleiche Löhne zu fordern. "Tarifverhandlungen können aber nur dort erfolgreich geführt werden, wo eine Tarifbindung besteht. Hier haben wir in Sachsen extremen Nachholbedarf", so Förster.