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Polizei erschießt Bewaffneten in München: Ermittler sehen Bezug zu islamistischer Miliz HTS

Ein 18-Jähriger schießt beim israelischen Generalkonsulat auf Polizisten. Die Beamten schießen zurück und töten ihn. Der Täter könnte aus islamistischen Motiven gehandelt haben.

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Die Fahne Israels weht am frühen Morgen vor dem Israelischen Generalkonsulat, das von der Polizei zu nach dem versuchten Anschlag abgesperrt wurde.
Die Fahne Israels weht am frühen Morgen vor dem Israelischen Generalkonsulat, das von der Polizei zu nach dem versuchten Anschlag abgesperrt wurde. © Matthias Balk/dpa

München. Sicherheitskreise gehen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur davon aus, dass der Verdächtige des vereitelten Anschlags auf das israelische Generalkonsulat in München einen Bezug zur islamistischen Gruppe HTS hatte. HTS steht für "Haiat Tahrir al-Scham", eine militant-islamistische Miliz.

Der bayerische Verfassungsschutz schreibt, dass HTS 2017 aus dem Zusammenschluss eines früheren Al-Kaida-Ablegers und einiger kleinerer militanter syrischer Gruppen hervorgegangen sei. Anders als Al-Kaida, die weiter Anschläge im Westen plane, konzentriere sich HTS auf Syrien und wolle den dortigen Machthaber Baschar al-Assad stürzen.

Bereits kurz nach der Tat am Donnerstag gingen Ermittler von einem versuchten Terroranschlag des getöteten Schützen aus. Nach derzeitigen Erkenntnissen sehe man bei dem Angriff des mit einem Gewehr bewaffneten 18-jährigen Österreichers einen "Bezug zum Generalkonsulat des Staates Israel", teilten Polizei und Generalstaatsanwaltschaft München mit.

500 Polizisten waren vor Ort im Einsatz

Polizisten hatten am Donnerstagvormittag gegen 9.00 Uhr in der Maxvorstadt den mit einem älteren Karabiner samt Bajonett bewaffneten Mann entdeckt. Er schoss laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gezielt auf die Polizisten, die das Feuer erwiderten. Fünf Beamten waren laut einem Polizeisprecher an dem Schusswechsel beteiligt.

Die Ermittlungen unter Federführung der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus konzentrieren sich demnach auf das genaue Motiv des jungen Mannes. Er wurde bei dem Schusswechsel mit der Polizei schwer verletzt und starb noch am Ort. Infolge des Vorfalls waren in der Münchner Innenstadt rund 500 Polizisten im Einsatz, darunter auch Spezialkräfte. Abgesehen von dem Schützen wurde laut Polizei niemand verletzt.

Nach den Schüssen in München waren 500 Polizisten vor Ort im Einsatz, darunter viele Spezialkräfte.
Nach den Schüssen in München waren 500 Polizisten vor Ort im Einsatz, darunter viele Spezialkräfte. © Peter Knefel/dpa

"Die Hintergründe der Tat müssen noch aufgeklärt werden", sagte Herrmann. Allerdings: "Wenn jemand hier unmittelbar in Sichtweite zum israelischen Generalkonsulat parkt, dann mit dem Gewehr um dieses Generalkonsulat herum geht, da mit dem Schießen beginnt", sei das "sicherlich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Zufall".

Schütze war Behörden in Österreich als mutmaßlicher Islamist bekannt

Gegen den jungen Mann aus dem Salzburger Land war nach Angaben der österreichischen Polizei vergangenes Jahr ermittelt worden - wegen des Verdachts, dass er sich religiös radikalisiert sowie für Sprengstoff und Waffen interessiert hatte. Für den Mann mit bosnischen Wurzeln wurde ein Waffenverbot verhängt.

Der damals noch 17-Jährige war den Behörden nach einer Drohung gegen Mitschüler und einer Körperverletzung aufgefallen. In diesem Zusammenhang sei ihm die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen worden, hieß es. Laut Informationen der österreichischen Nachrichtenagentur APA wurde Propaganda der Terrororganisation Islamischer Staat auf seinem Mobiltelefon gefunden. Doch die Staatsanwaltschaft Salzburg habe die Ermittlungen im April 2023 eingestellt, hieß es von der Polizei. Seither sei der 18-Jährige nicht mehr polizeilich in Erscheinung getreten.

Nach dem mutmaßlichen Anschlagsversuch wurde sein Wohnort im Salzburger Land durchsucht. Zahlreiche Beamte rückten nach Neumarkt am Wallersee aus, um Beweise und Spuren zu sichern. Das teilte ein Salzburger Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur mit.

Der 18-Jährige hatte in Neumarkt zusammen mit seinen Eltern gewohnt. Zur Sicherheit sei das Wohnhaus und die benachbarten Gebäude evakuiert worden, sagte der Polizeisprecher. Im Nachhinein habe aber sich herausgestellt, dass keine Gefahr bestanden habe.

Schusswechsel dauerte nur wenige Minuten - Video zeigt mutmaßlichen Schützen

Der 18-Jährige war nach Polizeiangaben gegen 9.12 Uhr getroffen worden. Schon nach wenigen Minuten habe er keine Gegenwehr mehr leisten können, sagte der Münchner Polizeipräsident Thomas Hampel. Innerhalb kürzester Zeit waren rund 500 Polizistinnen und Polizisten in der Innenstadt im Einsatz, wie Bayerns Innenminister Herrmann berichtete. Darunter waren laut Polizei auch Spezialkräfte und ein Hubschrauber. Der Bereich um das Konsulat war über Stunden weiträumig abgesperrt.

Ein auf X kursierendes Video zeigt offenbar einen Teil der Tat. Auf dem Video ist ein augenscheinlich junger Mann mit heller Hautfarbe zu sehen, er trägt eine schwarze Jacke, eine rote Hose und Turnschuhe. Zu sehen ist, wie die Person ein mit Bajonett besetztes Gewehr lädt, einen Schuss abgibt und anschließend vergeblich versucht, die Scheibe eines Fensters am israelischen Generalkonsulat einzuschlagen. Nach Informationen des Münchner Merkurs gehe die Polizei davon aus, dass das Video authentisch sei und den Tatverdächtigen zeige.

Ebenfalls auf X erschienen bereits kurze Zeit nach der ersten Polizeimeldung am Morgen erste Beiträge und Videos von Personen, die von mehreren Schüssen berichteten. Der Journalist Ronen Steinke, der bei der Süddeutschen Zeitung arbeitet, hat auf seinem Account bei X ein Handyvideo geteilt. Das Video, so berichtet es Süddeutsche.de, sei der Redaktion von einem Zeugen geschickt worden. Das Video zeigt den Blick aus dem Fenster einer Wohnung, dabei sind deutlich in der Nähe abgefeuerte Schüsse zu hören.

Warum der Einsatzort und das Datum besonders sind

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sprach mit Blick auf den zeitgleichen Jahrestag des Olympia-Attentats in München von einem schlimmen Verdacht. "Ein Zusammenhang ist möglicherweise gegeben. Es muss noch geklärt werden", sagte der CSU-Politiker in der Nähe des Tatorts.

Heute jährt sich der Terroranschlag bei den Olympischen Spielen im Jahr 1972 in München zum 52. Mal. Damals erschossen palästinensische Terroristen im Olympischen Dorf zwei Männer und nahmen neun Geiseln. Rund 18 Stunden später endete ein Befreiungsversuch mit dem Tod der neun israelischen Geiseln, eines Polizisten und von fünf der Attentäter.

Das NS-Dokumentationszentrum am Karolinenplatz. Die Einrichtung setzt sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinander und blickt auf Gegenwart und Zukunft.
Das NS-Dokumentationszentrum am Karolinenplatz. Die Einrichtung setzt sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinander und blickt auf Gegenwart und Zukunft. © Matthias Schrader/AP/dpa

Der Ort des Geschehens hat ebenfalls aus historischen Gründen größere Bedeutung. Das NS-Dokumentationszentrum, das sich an der Briennerstraße und dem Karolinenplatz befindet, wurde an der Stelle errichtet, an der sich einst das sogenannte "Braune Haus" befand. Darin war die Parteizentrale der nationalsozialistischen NSDAP. Das Dokuzentrum wurde 2015 eröffnet.

Im selben Jahr zog auch das israelische Generalkonsulat in die Nachbarschaft dieses Ortes. Dieser Umzug war ein historisches Ereignis: 70 Jahre nach dem Holocaust siedelte sich die israelische Repräsentanz im ehemaligen Parteiviertel der Nazis an.

Aufgrund der besonderen Gefährdungslage beider Gebäude wird ein erhöhter Schutz benötigt. Die Polizei ist durchgängig präsent. Am Generalkonsulat werden zudem auch israelische Sicherheitskräfte eingesetzt.

Israel dankt Münchner Polizei für Einsatz nahe Konsulat

Die israelische Generalkonsulin Talya Lador-Fresher dankte der Polizei für ihr Handeln. "Dieses Ereignis zeigt, wie gefährlich der Anstieg des Antisemitismus ist", schreibt Lador-Fresher auf der Plattform X.

"Es ist wichtig, dass die breite Öffentlichkeit ihre Stimme dagegen erhebt." Das Generalkonsulat sei wegen des Jahrestages des Terroranschlags bei den Olympischen Spielen 1972 geschlossen gewesen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb auf der Plattform X: "Die schnelle Reaktion der Einsatzkräfte in München hat heute womöglich Grausames verhindert. ... Ich sage es ganz deutlich: Antisemitismus und Islamismus haben bei uns keinen Platz."

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die Ereignisse von Donnerstagmorgen als "schwerwiegenden Vorfall". Weiter sagte sie: "Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Münchner Polizei, die da einen guten Einsatz aus meiner Sicht machen." Der Schutz jüdischer und israelischer Einrichtungen habe oberste Priorität. Es sei sehr bitter, dass sich der Vorfall ausgerechnet vor dem NS-Dokumentationszentrum und dem israelischen Generalkonsulat ereignet habe, so die Bundesinnenministerin.

Israelitische Kultusgemeinde: Unsicherheitsgefühl wird sich verfestigen

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, sagte: "Das Unsicherheitsgefühl nicht nur in der jüdischen Gemeinschaft wird sich nach diesem Vorfall noch einmal verfestigen. Der Auftrag für die politisch Verantwortlichen ist deshalb sehr klar: Gewalttätiger Extremismus muss wieder aus dem öffentlichen Raum zurückgedrängt werden, alles andere wäre das Ende unserer offenen Gesellschaft."

Das Generalkonsulat in München sei zum Zeitpunkt des Vorfalls wegen des Gedenkens zum Jahrestag des Olympia-Attentats geschlossen gewesen, schrieb die Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland, Talya Lador-Fresher, auf der Plattform X. "Dieses Ereignis zeigt, wie gefährlich der Anstieg des Antisemitismus ist. Es ist wichtig, dass die breite Öffentlichkeit ihre Stimme dagegen erhebt." (dpa/mit SZ/fad)