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Sachsen hofft bei Wasserstoff auf Tausende Jobs

Sachsens Landesregierung hat sich auf eine Wasserstoffstrategie geeinigt. Die Industrie soll helfen – und davon profitieren.

Von Georg Moeritz
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Die Abkürzung H2 wird künftig häufiger zu sehen sein: Auch Sachsen hat jetzt eine Wasserstoffstrategie.
Die Abkürzung H2 wird künftig häufiger zu sehen sein: Auch Sachsen hat jetzt eine Wasserstoffstrategie. © Archivfoto: Rene Meinig

Dresden. Wenn es nach Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) geht, dann hat Sachsen in acht Jahren alles, was zur Wasserstoffwirtschaft gehört: riesige Elektrolyse-Anlagen, die mit Ökostrom das energiereiche Gas Wasserstoff aus Wassermolekülen abspalten. Verdichter, Leitungen und Tankanlagen. Stahlwerke, Zement- und Chemiefabriken, die Wasserstoff nutzen. Und natürlich die Industriebetriebe, die geeignete Anlagen planen und herstellen. Dulig sagte am Dienstag in Dresden, Sachsen wolle bis 2030 diese „komplette Wertschöpfungskette“ für Wasserstoff zusammenbauen.

Einige Bestandteile sind schon vorhanden. Das zeigt die Sächsische Wasserstoffstrategie – ein Heft aus 58 Seiten, das Dulig gemeinsam mit Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) und Regionalentwicklungsminister Thomas Schmidt (CDU) vorstellte. Das Papier samt Grußwort des Ministerpräsidenten war schon im Herbst weitgehend fertig, doch der federführende Minister Günther stoppte es damals.

Erst musste der Streit mit dem CDU-Kollegen Schmidt über neue Abstandsregeln für Windkraftanlagen beigelegt werden. Günther argumentierte, mit wenig Windstrom lasse sich nicht genügend Wasserstoff herstellen. Die Wasserstoffstrategie beruhe also auf zusätzlichen Windrädern.

Stark im Anlagenbau: Linde, Siemens, Sunfire

Dulig betonte, Wasserstoff sei ein „zentrales Element, um die Klimaziele zu erreichen“. Die Kosten für umweltfreundlichen Wasserstoff würden künftig sinken, während fossile Energie teurer werde. Sachsen brauche eine Strategie, die beim Umbau der Industrie helfen könne. Selbst Stahlwerke seien künftig nur noch dann international konkurrenzfähig, wenn sie „grünen Stahl“ vorweisen könnten – hergestellt mithilfe von Wasserstoff.

Der Wirtschaftsminister lobte immer wieder den Standort: Sachsen habe die besten Voraussetzungen, um beim Wasserstoff „technologisch führend in Deutschland“ zu werden. Per Pressemitteilung betonte auch Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU), die Forschungseinrichtungen seien seit Jahren dafür „gut aufgestellt“: Sie entwickeln oft mit Firmen gemeinsam Brennstoffzellensysteme weiter, verbessern großtechnische Anlagen zur Wasserstoffgewinnung und optimieren Materialien und Prozesse.

Mit Firmennamen hält sich das Strategiepapier der Landesregierung zurück. Doch Dulig betonte Sachsens Stärken im Anlagenbau: Sunfire, Linde und Siemens hätten das nötige Wissen. Regionalentwicklungsminister Schmidt sagte, Wasserstoff sei eine Chance für den Siemens-Turbinenstandort Görlitz. Kraftwerksturbinen müssten auch mit Energie aus Wasserstoff zurechtkommen, der Bedarf entstehe weltweit.

Davon sollten möglichst auch die Noch-Braunkohleregionen profitieren. Ob dort allerdings auch die geplante „sächsische Kompetenzstelle Wasserstoff“, kurz KH2, angesiedelt wird, blieb noch offen. Sie soll ausgeschrieben werden und künftig alle Wasserstoffakteure koordinieren.

Sachsen-Anhalt hat etwas, was Sachsen fehlt

Zu koordinieren gibt es viel: Umweltminister Günther betonte, dass auch mit Polen und Tschechien zusammengearbeitet werden müsse. Die Nachbarländer Thüringen und Sachsen-Anhalt haben ihre Wasserstoffstrategien schon im Mai und Juni unterschrieben. Und bei allem Lob für die vorhandene Industrie und Forschung in Sachsen: Das Strategiepapier erwähnt, dass der Freistaat auch Schwächen hat. Sachsen hinkt bei der Produktion von Ökostrom hinterher und hat auch keine natürlichen Untergrundspeicher.

Diese Kavernen hat Sachsen-Anhalt: Ab 2026 will die VNG Verbundnetz Gas AG dort Wasserstoff unter Tage speichern. In Leuna entsteht für die Chemieindustrie eine große Wasserstoffproduktion mithilfe der Dresdner Ingenieure des Linde-Konzerns.

Geforscht wird an vielen Orten, in Sachsen auch in Görlitz, Zittau und Chemnitz. Dulig erinnerte an die „bayerische Intervention“ während des Bundestagswahlkampfs. Damals bekam zwar Chemnitz den Zuschlag als ein Nationales Wasserstofftechnologiezentrum, muss sich die Aufgabe aber mit anderen Orten teilen. Dabei sei Chemnitz „eindeutig die Nummer 1“ in diesem Wettbewerb gewesen, sagte Dulig. Nun entstünden dort Labore und Prüfzentren, „ideale Möglichkeiten“. In Leipzig wurde eine Handelsplattform namens Hint.co angesiedelt.

Wasserstoffnetzwerk HZwo vermisst Zielmarken

Erfreut über die Sächsische Wasserstoffstrategie äußerte sich Karl Lötsch, Geschäftsführer des Wasserstoffnetzwerks HZwo. Er sagte, zur schnellen Umsetzung der Strategie fehlten allerdings noch „Zielmarken, Meilensteine und einige Programme“.

Der Verein HZwo arbeitet seit 2018 mit dem Verein Energy Saxony in einem Innovationscluster an Anwendungsvorhaben und bekommt dafür Fördergeld vom Land. In einer Studie mit der Technischen Universität Chemnitz kam er zu dem Schluss, dass durch Wasserstoff in Sachsen 4.800 Arbeitsplätze und 1,7 Milliarden Euro Umsatz bis 2030 möglich seien.

Darauf hofft auch Dulig. Nach seinen Worten soll Sachsen bald „in der ersten Liga mitspielen“, wenn es um Wasserstoff geht. Die Technologie eigne sich, um einiges auszugleichen, was bei anderen Industrien im Strukturwandel verlorengehe.