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Ampel will härtere Regeln für pöbelnde Abgeordnete einführen

Abgeordnete, die im Bundestag unflätig werden oder stören, sollen stärker sanktioniert und zur Kasse gebeten werden. Der Plan von SPD, Grünen und FDP betrifft auch Ausschüsse und Vizepräsidenten-Wahlen.

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Im Bundestag sollen störende Abgeordnete künftig stärker sanktioniert werden können.
Im Bundestag sollen störende Abgeordnete künftig stärker sanktioniert werden können. © Michael Kappeler/dpa (Symbolbild)

Berlin. Wer im Plenum des Bundestages andere Abgeordnete persönlich beleidigt oder im Ausschuss herumschreit, soll dafür künftig stärker sanktioniert werden können. Das sieht ein Antrag vor, der am Dienstag von den Ampel-Fraktionen beschlossen wurde. SPD, Grüne und FDP halten darin fest, dass in Zukunft automatisch ein Ordnungsgeld fällig werden soll, wenn ein Abgeordneter innerhalb von drei Sitzungswochen drei Ordnungsrufe kassiert.

Die Höhe des Ordnungsgeldes soll nun außerdem verdoppelt werden - also auf 2.000 Euro steigen, beziehungsweise 4.000 Euro im Wiederholungsfall.

Bisher heißt es in der Geschäftsordnung lediglich: "Wegen einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages kann der Präsident gegen ein Mitglied des Bundestages, auch ohne dass ein Ordnungsruf ergangen ist, ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 Euro festsetzen. Im Wiederholungsfall erhöht sich das Ordnungsgeld auf 2.000 Euro."

Anhörungen nicht mehr auf die lange Bank schieben

Geplant ist laut Tagesordnung, dass über den Antrag am Mittwoch in erster Lesung beraten werden soll. Vertreter der Regierungskoalition haben der Deutschen Presse-Agentur berichtet, sie hätten sich mit der Unionsfraktion zwar nicht auf einen gemeinsamen Antrag verständigen können, hielten aber weiter an diesem Ziel fest.

"Wir wollen auch die Rechte der Oppositionsfraktionen erweitern: Von ihnen verlangte öffentliche Anhörungen müssen künftig innerhalb von zehn Sitzungswochen behandelt werden", sagt Filiz Polat von den Grünen. Bisher gab es dazu keine zeitlichen Vorgaben. In dem Antrag wird zudem vorgeschlagen, in der Geschäftsordnung den Satz zu ergänzen: "Jegliche beleidigenden oder diskriminierenden, insbesondere rassistischen oder sexistischen Äußerungen oder Verhaltensweisen gegenüber einem anderen Mitglied oder Dritten sollen unterlassen werden."

Zusätzliche Bedingungen ab dem vierten Wahlverfahren

Die AfD versucht seit ihrem erstmaligen Einzug in den Bundestag 2017 immer wieder vergeblich, einen Abgeordneten aus ihrer Fraktion zum Vizepräsidenten wählen zu lassen. Bisher erreichte jedoch keiner der von ihr vorgeschlagenen Kandidaten die dafür erforderliche Mehrheit. In Zukunft soll eine Fraktion laut dem nun vorgelegten Antrag nach dem dritten erfolglosen Wahlverfahren nur dann einen weiteren Kandidaten aufstellen dürfen, wenn ein solches weiteres Wahlverfahren von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundestages unterstützt wird.

Ausschussvorsitzende sollen durchgreifen können

Erweitert werden soll zudem das Instrumentarium der Ausschussvorsitzenden. Laut Antrag soll der Vorsitz eine formelle ordnungsrechtliche Kompetenz gegenüber Mitgliedern erhalten. Bei erheblichen Störungen soll der Vorsitzende mit der Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit künftig den Störer von der weiteren Beratung ausschließen können. Die Geschäftsordnung des Bundestages stamme im Wesentlichen aus dem Jahr 1980, sagt Johannes Fechner (SPD). Eine grundlegende Modernisierung sei notwendig. Es gehe auch darum, lebendigere Debatten zu ermöglichen, betont Stephan Thomae (FDP). Beispielsweise sollten nun auch in Aktuellen Stunden Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen zugelassen werden.

AfD-Justiziar Brandner sieht Licht und Schatten

Die Änderungen beim Ordnungsgeld sieht der AfD-Justiziar, Stephan Brandner, kritisch. "Das geht natürlich voll gegen uns", sagt er der dpa. Überhaupt findet er, die geplante Reform "zementiert teils rechtswidriges Verhalten der letzten Jahre". Dass die Ausschussvorsitzenden mehr Instrumente in die Hand bekommen sollen, findet er dagegen nicht schlecht.

Auch der Vorschlag, Zwischenbemerkungen in Aktuellen Stunden zu erlauben, sei "in Ordnung". Seine Fraktionskollegin Beatrix von Storch hält die schon die aktuell im Plenum geltenden Regeln für zu streng. Sie meint, der Ampel gehe es lediglich darum, Äußerungen im Bundestag zu unterbinden, die SPD, Grüne und FDP "nicht hören wollen".

Union befürchtet Einschränkung der freien Rede

Die CDU/CSU-Fraktion betont, sie sei prinzipiell für eine Stärkung des parlamentarischen Ordnungsrechts und habe hierfür auch früh Vorschläge unterbreitet. "Eine Einschränkung der freien Rede im Parlament lehnen wir jedoch entschieden ab", betont ihr Parlamentarischer Geschäftsführer, Thorsten Frei (CDU). Er findet, die Vorschläge der Koalition gehen zu weit - da dort allgemein auf "diskriminierende" Äußerungen abgestellt werde. Frei sagt: "Solch unbestimmte Begriffe schädigen die Debattenkultur im Bundestag."

Die Union hat inzwischen einen eigenen Antrag mit dem Titel "Demokratie stärken - Für eine echte Parlamentsreform im Deutschen Bundestag" formuliert. Darin kritisiert sie, dass Antworten auf Fragen von Parlamentariern von der Bundesregierung nicht selten unter anderem mit der Begründung verweigert würden, dass die erbetenen Angaben nicht statistisch aufbereitet vorlägen. Dies untergrabe die parlamentarische Kontrolle und schade letztlich dem öffentlichen Ansehen von Regierung und Parlament. (dpa)