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Wie ein Dorfpolizist das Double von Agnes Kraus doubelte

1974 drehte die Defa in Jonsdorf im Zittauer Gebirge den Film „Schwester Agnes“.

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Von Holger Gutte

Bis heute ranken sich viele Anekdoten um die Dreharbeiten zum Defa-Film „Schwester Agnes“ im Zittauer Gebirge. Einen Monat lang wurde dort im August 1974 der Streifen produziert. Über einige Geschichten lachen die Jonsdorfer, Waltersdorfer, Lückendorfer und Bertsdorfer, die damals als Komparsen oder Helfer dabei waren, heute noch.

Auch Joachim Seibt in Großschönau kann nun darüber schmunzeln. Obwohl ihm der Film Ärger einbrachte. Damals ist er 25 Jahre alt und Polizist gewesen – Abschnittsbevollmächtigter in Jonsdorf, kurz: ABV. Und als solcher war er oft in der Nähe der Dreharbeiten. „Obwohl sie uns damals angewiesen hatten, mit den Schauspielern nicht näher in Kontakt zu kommen“, erzählt er. An einem Drehtag aber sollte er zum Sportplatz nach Jonsdorf fahren und dort, falls nötig, für Absperrungen wegen Schaulustiger sorgen.

Mit seiner Simson-Dienstschwalbe fuhr er ohne Mühe, aber zum Erstaunen der Filmcrew den Berg zum Sportplatz hoch. Mehrfach vergebens hatten die Filmleute schon versucht, das Double von Agnes Kraus mit der Film-Schwalbe den 100 Meter langen Berg hochfahren zu lassen. „Die hatten mindestens fünf Schwalben mit, aber es mit keiner geschafft“, sagt Joachim Seibt. Er überlegte nicht lange und stellte sich als Double für das Double zur Verfügung. Er schlüpfte in die Frauenkleider der Dorfkrankenschwester Agnes. Seine Koteletten, die unter der Perücke herausguckten, und die behaarten Beine störten nicht. Schwester Agnes, die in der Filmszene zu einem schwer verunglückten Jungen eilen muss, ist im Film während der Fahrt nur von hinten zu sehen.

Und weil es so gut klappte, wurde Jonsdorfs ABV auch noch für andere Szenen gebraucht. „Zu zweit sind wir Doubles mit unseren Mopeds von Jonsdorf nach Lückendorf zum Sonneberg gefahren, um den Abspann zu drehen“, sagt er schmunzelnd. Für das eigentliche Double kein Problem: Sie war eine Frau und auch Schwester. Joachim Seibt aber ist als Mann von vielen erkannt worden.

Egal, ohne sie wäre der Film zumindest mit Agnes Kraus nicht möglich gewesen. Bei der Schauspielerin hätte jeder Fahrlehrer seinen Beruf aufgegeben. Joachim Seibts Jonsdorfer ABV-Kollege hatte wirklich alles unternommen, damit Agnes Kraus ein paar Meter selbst mit dem Moped geradeaus rollt. „Sogar zwei Stützräder, wie bei Kinderfahrrädern, hat er montiert. Aber auch damit hielt sie kein Gleichgewicht“, erzählt Seibt. Der Jonsdorfer Schmied bastelte einen extrem flachen Anhänger, auf dem das Moped verankert war. Agnes Kraus wurde darauf so durch den Filmort gezogen, dass man im Film denkt, sie fährt wirklich.

Nichtsahnend freute sich Joachim Seibt, als der Film ein halbes Jahr später, im Februar 1975, im DDR-Fernsehen lief. Die Fernsehzeitung FF-dabei berichtete über die Dreharbeiten. Und da lasen auch Seibts Chefs, dass Jonsdorfs ABV als Double für Agnes Kraus einsprang. Die fanden das gar nicht lustig: Als Polizist hätte er nicht zu schauspielern. Welche Strafe er bekam, verrät Johann Seibt nicht. Mit den Spitznamen „Schwester Agnes“ aber lebt er heute noch.