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Umsatzeinbruch wegen Dresdner Großbaustelle

An der Kesselsdorfer Straße finden weniger Kunden ihren Weg in die Geschäfte. Stau und Umleitungen beschäftigen die Verkehrsteilnehmer. 

Von Juliane Richter
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Seit drei Wochen fahren nur noch Baustellenfahrzeuge über die untere Kesselsdorfer Straße, wo die neue Zentralhaltestelle entstehen soll.
Seit drei Wochen fahren nur noch Baustellenfahrzeuge über die untere Kesselsdorfer Straße, wo die neue Zentralhaltestelle entstehen soll. © Sven Ellger

Trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt steht die Ladentür von Marion Bode sperrangelweit offen. „Sonst kommt ja gar keiner mehr rein“, sagt sie. Die Inhaberin vom Papierhaus Dresden an der Kesselsdorfer Straße 26 kämpft seit gut drei Wochen mit einem Umsatzeinbruch von 30 bis 40 Prozent. Seitdem die Arbeiten an der Großbaustelle direkt vor ihrer Tür begonnen haben, bleiben viele Kunden weg.

Der Abschnitt bis in Höhe Poststraße ist derzeit voll gesperrt. Von dort in Richtung Wernerstraße können zwar noch Autos ein- und ausfahren, aber nicht mehr halten oder parken. Die Straßenbahnlinien 6, 7 und 12 fahren gleich einen ganz großen Bogen um die Kesselsdorfer, deren Anfang aufgerissen wurde und über Monate nur noch von Baggern befahren wird. Bis Ende September soll hier eine neue Zentralhaltestelle samt Fußgängerboulevard entstehen.

Marion Bode verkauft seit drei Jahren jede Form von Papier, Bastel- und Geschenkbedarf in dem Laden. „Eigentlich ist das ein guter Standort. Nur das mit dem Ausbau zum Boulevard...Wer soll hier schlendern? Da müsste es einen anderen Händlermix geben.“ Vor allem Bäcker und Friseure dominieren den gut 500 Meter langen Baustellenabschnitt bis zur Wernerstraße. 

Schreibwaren-Händlerin Marion Bode hat bis zu 40 Prozent weniger Umsatz. Wo bisher reger Betrieb war, sind die Fußwege nun häufig leer. Der Wechsel von einer Straßenseite zur anderen ist wegen der Arbeiten schwierig.
Schreibwaren-Händlerin Marion Bode hat bis zu 40 Prozent weniger Umsatz. Wo bisher reger Betrieb war, sind die Fußwege nun häufig leer. Der Wechsel von einer Straßenseite zur anderen ist wegen der Arbeiten schwierig. © Sven Ellger

Die 57-jährige Marion Bode erwartet noch am selben Tag Besuch von ihrer Vermieterin aus Berlin und hofft auf eine Mietminderung. Dass sich die Zahl der Kunden in den nächsten Wochen wieder steigert, glaubt sie nicht. Diese Meinung teilen viele der Händler. Lutz Jäckel, Filialleiter vom Fleischer Gretenkord, flucht herzhaft über die Baustelle. Er hat mindestens 50 Prozent Umsatzeinbußen. „Sonst sind die Leute direkt vor der Tür aus der Bahn ausgestiegen und haben sich hier schnell einen Kaffee oder ein Fleischbrötchen geholt“, sagt Jäckel. Er hat reagiert und die Öffnungszeiten verkürzt. Statt von 7 bis 20 Uhr hat die Filiale wochentags nur noch von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Einen Zuwachs durch die Bauarbeiter spürt er nicht. Die gehen womöglich öfter zur Fleischerei Korch gegenüber. Deren Chefin Karin Küchenmeister macht aus der Not eine Tugend, hat ein Bauarbeiterfrühstück und zehn Prozent Rabatt für die Arbeiter aufgelegt. Den Umsatzeinbruch merkt sie trotzdem „erheblich“.

Kathrin Möbius von der Reinigung „Die Kleidermeister“ zuckt frustriert mit den Schultern. Diese Vollsperrung vor der Tür passe nicht mit der wachsenden Bequemlichkeit der Menschen zusammen. „Alle sind es gewöhnt, bis vor die Tür zu fahren, kurz zu halten und die Kleidungsstücke schnell abzugeben.“ Vor allem die Geschäftskunden würden fernbleiben. Weil Anzüge und Hemden aber einen Großteil des Umsatzes ausmachen, sei er auch hier um mindestens 50 Prozent eingebrochen. Bis auf die Mitarbeiterin eines Fotostudios beklagen alle Händler große Einbrüche. Martina Korn, Betreiberin eines großen Tabak-, Lotto- und Schreibwarenladens denkt schon darüber nach, ihr Geschäft aufzugeben. Sie stellt fest, dass vor allem die älteren Kunden fernbleiben und glaubt, dass das an den holprigen Baustellenwegen liegt. 

Während des Großprojekts müssen erwartungsgemäß aber nicht nur die Händler mit Einschränkungen rechnen. Weil nun viel mehr Verkehr über die Wernerstraße fließt, kommt es dort im Berufsverkehr schnell zum Stau. Ebenso wie an deren unteren Ende an der Kreuzung mit der Löbtauer Straße. wo Autofahrer aus der Hirschfelder Straße versuchen, auf die Hauptstraße einzubiegen.

© Sven Ellger

Der zuständige Straßen- und Tiefbauamtschef Reinhard Koettnitz sieht das Durchkommen der Umleitungsbusse als wichtigen Indikator. Es laufe zwar „nicht unheimlich flüssig“, aber ganz gut. Dass es in der Wernerstraße zu Spitzenzeiten zu Problemen kommt, weiß er. Aber erfahrungsgemäß würde sich der Verkehr einrütteln, weil manche Autofahrer sich andere Wege suchen.

Auch die Dresdner Verkehrsbetriebe sind bisher mit dem Ablauf zufrieden. Sprecher Falk Lösch ist sich aber bewusst, „dass eine solch große und zentral gelegene Baustelle nicht völlig geräuschlos über die Bühne geht.“ Vor Ort kritisieren einige befragte DVB-Nutzer, dass sie nun deutlich länger für ihre gewohnten Wege brauchen. Lösch verdeutlicht aber noch einmal: „Irgendwann muss halt mal gebaut werden. Und der Zustand der Straße und Schienen vor Ort war, sehr freundlich ausgedrückt, miserabel. Vom Unfallschwerpunkt auf der Kesselsdorfer Straße noch gar nicht zu reden.“ Die DVB haben vor Ort ein Infoteam positioniert und versuchen die Abläufe noch zu verbessern. So wurde die Endhaltestelle der Linie 1 an der Saxoniastraße noch ein kleines Stück in Richtung Kesselsdorfer Straße verschoben, damit der Fußweg für die Fahrgäste etwas kürzer wird.