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Bloß keine Pilzberatung aus dem Netz

Wie Pilze aus dem Boden schießen Pilzberater nicht mehr. Das sorgt auch Steffen Hoeflich und Uwe Bartholomäus.

Von Daniela Pfeiffer
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Pilzberater Steffen Hoeflich im Naturkundemuseum Görlitz neben einer Vitrine mit Pilzen. Hier berät er auch seine Klienten.
Pilzberater Steffen Hoeflich im Naturkundemuseum Görlitz neben einer Vitrine mit Pilzen. Hier berät er auch seine Klienten. ©  SZ-Archiv / Nikolai Schmidt

Was für ein grandioses Pilzjahr. Es begann spät, aber gewaltig. Noch immer sind vor allem morgens viele Autos an Waldwegen zu sehen – egal ob in den Königshainer Bergen oder in der Heide. Und alle haben volle Körbe. Steffen Hoeflich und Uwe Bartholomäus besonders. Beide sind Pilzberater – Bartholomäus kommt aus Hähnichen und deckt den nördlichen Landkreis ab, Hoeflich als Görlitzer seine Heimatstadt.

Aber so wie die Pilze aus dem Boden schießen: mit den Experten für ebenjene sieht es ganz anders aus. Da kommt nicht viel Nachwuchs hinterher. Uwe Bartholomäus sieht das mit Sorge. Er denkt zurück an die Zeiten, als beim Rat des Kreises noch ehrenamtliche Pilzberater tätig waren und die Kreise in dieser Hinsicht feste Strukturen hatten. „Jetzt wird das nur noch als privates Vergnügen angesehen, das halte ich für sehr kurzsichtig, schließlich hat das Auswirkungen“, so der 65-Jährige, der noch berufstätig ist. Er arbeitet an der Hochschule in Zittau und ist Diplomingenieur für Tiefbohrtechnik.

Mit Auswirkungen sind nicht zuletzt Pilzvergiftungen gemeint. Erst kürzlich wurde Bartholomäus ins Krankenhaus nach Weißwasser gerufen, ein kleines Kind lag dort mit einer ziemlich schweren Pilzvergiftung. Die Schwestern hatten schon mithilfe einer App versucht, die Pilze zu bestimmen, um die es sich handeln könnte. Doch die Technik versagte kläglich, was angezeigt wurde, war vollkommen falsch, sagt Uwe Bartholomäus. Darum hält er auch nichts von derlei technischer Beratung per Handy oder Internet. Das über Jahre und Jahrhunderte weitergebene Fachwissen sei immer noch am besten und zuverlässigsten, wenn es um Pilze geht. Dem kann Steffen Hoeflich nur zustimmen, schließlich sind manche Pilze kaum zu unterscheiden – mitunter erst am vollständigen Stiel bestimmbar.

Deshalb bittet Hoeflich seine Klienten immer wieder, den kompletten Pilz mitzubringen, wenn sie zu ihm in die Beratung ins Naturkundemuseum kommen. Seit exakt 20 Jahren bietet Steffen Hoeflich sein Fachwissen schon an, anfangs noch im Humboldthaus – auf dem Treppenabsatz vor der Aula. Eigentlich hatte er nie vor, Pilzberater zu werden. „Ich kam dazu wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind“, erzählt er. 1999 fand er bei einer Wanderung am Ziegeleiweg eine ihm unbekannte Art und wollte wissen, was das ist. „Damals hatte ich den ‚Rothmaler‘ noch nicht, unser Standard-Nachschlagewerk.“ Von einem Bekannten bei Senckenberg, der ihm beim Bestimmen half, erfuhr er auch vom Tod zweier damaliger Pilzexperten. So wurde Steffen Hoeflich, der damals schon beim Kulturbund der Fachgruppe Mykologie (die Lehre vom Pilz) angehörte, ob er nicht vorerst die ehrenamtliche Pilzberatung für Görlitz übernehmen könnte. Er machte eine Prüfung und legte los. „Aus dem ‚vorerst‘ sind 20 Jahre geworden. Ich kann es selbst kaum glauben.“ Seinen Klienten ist er dankbar für das große Vertrauen, das sie in ihn setzen. Dem Team des Naturkundemuseums dankbar ebenso wie seinem Bekannten Horst Krisch, der ihn seit Jahren regelmäßig bei Pilzwanderungen begleitet und selbst einst Pilzsachverständiger am Bodensee war.

Uwe Bartholomäus aus Hähnichen berät seit vielen Jahren zu Pilzfragen. Hier ist er mit einem Zunderschwamm zu sehen. Mit diesem Pilz, der fest mit dem Baumstamm verwachsen ist, kann man Feuer machen. Er ist nicht giftig, aber auch ungenießbar.
Uwe Bartholomäus aus Hähnichen berät seit vielen Jahren zu Pilzfragen. Hier ist er mit einem Zunderschwamm zu sehen. Mit diesem Pilz, der fest mit dem Baumstamm verwachsen ist, kann man Feuer machen. Er ist nicht giftig, aber auch ungenießbar. ©  SZ-Archiv / André Schulze

Bei Uwe Bartholomäus war der Weg zum ehrenamtlichen Pilzberater durch Vater und Großvater quasi genetisch bedingt. Seine Jugend hat er in der Magdeburger Börde verbracht – dort, wo angeblich nicht viel los ist mit Pilzen. Doch Uwe Bartholomäus fand sie. Seit 20 Jahren ist auch er nun schon Pilzberater im Landkreis. Er bietet seine Pilzwanderungen, Beratungen und Pilzausstellungen in verschiedenen Einrichtungen wie dem Erlichthof in Rietschen oder auf Märkten wie dem Schleifer Herbstmarkt an. Und steht natürlich für private Anfragen auch außerhalb zur Verfügung. „Viele rufen zu Hause an und fragen, ob sie mal vorbeikommen können“, sagt er. Mitunter steht hinter dem Bestimmungswunsch nicht mal das Vorhaben, den Pilz zu verspeisen. Die Leute wollen einfach wissen, was sie da vor sich haben.

Weniger Pilze in städtischen Parks

Das ist in dieser Saison eine ganze Menge. Auch Bartholomäus bestätigt, dass es ein später Start ins Pilzjahr war. Und auch, dass im Moment noch viele wachsen. „Den Erfahrungen nach verschiebt sich das nach hinten, die Pilze wachsen immer länger. Ein rapides Ende ist erst bei einer längeren Frostperiode zu erwarten.“

Die Veränderungen hat auch Steffen Hoeflich festgestellt, der das mit Sorge sieht, hänge es doch seiner Ansicht nach mit dem Klimawandel zusammen. „Vor allem die Trockenheit, weniger der Temperaturanstieg, macht mir wirklich Angst“, sagt er. Wenn es auch gebietsweise aktuell eine große Pilzausbeute gibt, seien doch die Görlitzer Park- und Grünanlagen 2019 pilzmäßig genauso ausgestorben wie schon im vergangenen Jahr. Er habe andere Jahre erlebt und wisse, wie viele Pilze es auch im städtischen Gebiet mal gegeben hat und eigentlich auch noch geben müsste. „Das ist einfach nur erschreckend.“

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