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Nur Verkaufen reicht nicht

Der „Juwelier Voigt“ bietet alles an, was glitzert, tickt und glänzt. Doch ebenso wichtig ist die Werkstatt.

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Von Ines Eifler

Das Geschäft mit der großen Aufschrift „Juwelier Voigt“ ist nie leer an diesem Vormittag. Eine Kundin geht gerade aus der Tür, froh über ihr neues Uhrenarmband. Die nächste hat schon gewartet und hofft, hier eine Kette für ihre Enkelin zu finden. Zur gleichen Zeit hält ein Postauto direkt vorm Laden, der Bote eilt hinein, Ines Schulze-Voigt nimmt ihm das kleine braune Paket ab. „Manchmal kommt er drei, vier Mal am Tag“, sagt die Goldschmiedemeisterin, die das Geschäft vor gut 15 Jahren von ihrem Vater übernommen hat und von der Hospitalstraße auf die Berliner Straße gezogen ist. Sie überlässt den Verkaufsraum ihrer Mitarbeiterin, geht in das schmale Zimmer dahinter und öffnet das Päckchen unter einer hellen Lampe. An die 20 kleine Tütchen kommen zum Vorschein, gefüllt mit Ketten, Armreifen, Ringen, Ohrschmuck. Alles getragen und ein wenig kaputt. Verbunden damit ist der Auftrag, die Dinge zu reparieren. „Denn vom Verkauf allein könnten wir nicht leben“, sagt Ines Schulze-Voigt.

In ihrer Werkstatt, zwei Hinterräume weiter, sitzen zwei Goldschmiedinnen an einer Werkbank, feilen Ringe, löten Ketten, schweißen Titanschmuck, polieren edles Metall, bis es glänzt. Sie sind damit beschäftigt, Schmuck für zehn „fremde“ Geschäfte bis nach Hessen zu reparieren. Genauso für die „Juwelier Voigt“-Filiale im Bautzener Kornmarktcenter und natürlich für die Kunden in Görlitz. Ines Schulze-Voigt hat sich eine Lupe vors rechte Auge geklemmt, sichtet die Tüten, schreibt für ihre Kolleginnen auf, was zu tun ist. „Unsere Auftraggeber sind vor allem Trendshops“, sagt sie. Also Händler, die einzelne Marken anbieten, aber keine Goldschmiede sind. Dass die Kollegen im deutschen Westen mehr Geld für ihre Dienstleistung verlangen als im Osten, ist für die Görlitzer Goldschmiede ein Vorteil. Aber manchmal ist das Hin und Her auch umständlich und zehrt Energie: In einem der Tütchen findet Ines Schulze-Voigt einen Ring, den sie kennt. „Hier haben wir vorige Woche eine Perle ersetzt“, sagt sie, „doch offenbar ist die Farbe falsch.“ Ein Foto der Kundin liegt bei: An einer Hand trägt sie den Ring, ganz klein. Die Farbe der Perle ist kaum auszumachen. „Mehr braun-grüner, dunkler“, steht auf dem Zettel in der Tüte. „Einfacher wäre es, die Leute dort hätten eine eigene Auswahl an Perlen da“, sagt Ines Schulze-Voigt und will zum Telefon greifen.

Doch nun wird sie vorn im Laden gebraucht. Ein junger Mann ist mit seiner Tochter hereingekommen. „Ich möchte Ohrlöcher“, sagt das Mädchen. Ines Schulze-Voigt und ihre Mitarbeiterin gehen jede an ein Ohr, und schneller, als die Kleine den Schmerz spüren kann, glitzern zwei Stecker in ihren Ohren. Weil sie so tapfer war, bekommt sie ein Gummibärchen. „Wir stechen oft Ohrlöcher, jetzt in den Sommerferien“, sagt Ines Schulze-Voigt. „Aber nur bei Mädchen. Jungen schicke ich weg, die sollen es sich lieber gut überlegen.“ Sie geht wieder hinter, sieht die zu helle Perle liegen, nimmt den Hörer in die Hand und erfährt, dass noch mehr Fotos auf dem Weg sind. „Na mal sehen“, sagt sie, „wahrscheinlich werde ich ein paar Stück in verschiedenen Tönungen bestellen und dann zur Ansicht hinschicken müssen.“ 20 Euro kostet die Perle, sehr oft geht die Post hin und her, bis alles richtig ist. Effektiv klingt der Auftrag nicht. „Aber wir sind auf diese Kunden angewiesen“, sagt Ines Schulze-Voigt. „Und tun alles, was möglich ist.“