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SZ + Bautzen

Mit Musik gegen den Rechtsruck

Junge Leute haben eine Konzerttour durch Ostdeutschland organisiert. Bautzen ist die einzige Station in Ostsachsen.

Von Theresa Hellwig
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Bruno Rössel und Frieda Schiller organisieren mit anderen die „Wann Wenn Nicht Jetzt“-Konzerttour, die am Wochenende in Bautzen haltmacht.
Bruno Rössel und Frieda Schiller organisieren mit anderen die „Wann Wenn Nicht Jetzt“-Konzerttour, die am Wochenende in Bautzen haltmacht. © Steffen Unger

Bautzen. Mitten auf dem Kornmarkt soll ein Sofa stehen. Wenige Meter weiter: ein Kaffeezelt. Ein mobiles Wohnzimmer soll das sein, so stellen sich es Frieda Schiller und Bruno Rössel vor. Ein Sofa, das einlädt, sich zu setzen – und sich zu unterhalten.

Es ist Teil der Marktplatz- und Konzerttour unter dem Motto „Wann Wenn Nicht Jetzt“, die derzeit durch Sachsen, Thüringen und Brandenburg zieht. Ähnlich wie bei der Veranstaltung „Wir sind mehr“ vor rund einem Jahr in Chemnitz kommen Musiker für das politische Statement in elf Städte. Am Freitag und Sonnabend macht die Tour in Bautzen halt, es ist die einzige Station in Ostsachsen.

„Dass ich Leute mit politischer Arbeit umstimmen kann, diese Hoffnung habe ich verloren“, sagt die 19-jährige Frieda Schiller, die an der Organisation der Bautzener Veranstaltungen mitwirkt. Sie meint zum Beispiel Leute, die AfD wählen, die sich „rechts“ verorten. „Wir wollen zeigen, dass es nicht nur eine rechte Antwort auf die vielen Probleme gibt“, sagt sie – und dafür sei das Sofa da. „Wir wollen dort mit den Menschen ins Gespräch kommen.“ Doch nicht nur das: „Die Tour soll vor allem Engagement sichtbar machen“, sagt Bruno Rössel, der unter anderem für seine Arbeit bei „Bautzen bleibt bunt“ bekannt ist und sich bei der Organisation der Konzerttour sachsenweit einbringt. Dass Bautzen engagiert ist, zeigen nicht nur Frieda Schiller und Bruno Rössel. Ein Team aus etwa 15 Leuten hat das Programm für die Spreestadt auf die Beine gestellt. Seit Januar planen und organisieren sie das Programm.

Abwanderung ist auch ein Thema

Die Tour will sich dabei dem Rechtsruck in Ostdeutschland entgegenstellen, auf Rassismus und soziale Spaltung aufmerksam machen und zum Gespräch einladen. „Es geht um Probleme wie die Abwanderung aus dem ländlichen Raum, den Klima- und den Strukturwandel – und die Wende“, sagt der 20-jährige Bruno Rössel. „Wir wollen dieses Thema nicht alleine der AfD überlassen.“ Doch das ist nicht der einzige Grund, der die jungen Menschen aus dem Landkreis Bautzen dazu motiviert hat, aktiv zu werden und die Tour mit zu planen. Der rechte Wahlerfolg auf kommunaler Ebene, sagt Frieda Schiller, sorgt sie – und zwar auch, weil sie Angst hat um soziale und kulturelle Freiräume, wie sie es nennt. „Rechte Übergriffe auf öffentlichen Plätzen und parlamentarische Angriffe auf Projekte, die etwas dagegensetzen, werden zur Normalität“, sagt sie.

Am kommenden Wochenende wollen sich all diese Projekte zeigen, die es in der Region gibt. Schon am Freitag beginnt das Programm im kleinen Rahmen mit einem Workshop dazu, wie Menschen politisch aktiv werden können. Um 20 Uhr zeigen die Organisatoren im Haus der Sorben einen Dokumentarfilm über die Mitglieder des Seenotrettungsvereins Mission Lifeline. Crewmitglieder sind dabei, sie laden anschließend zur Diskussion ein.

Wendezeit und Klimawandel

Auf dem Kornmarkt wird das bunte Treiben vor allem am Sonnabend sichtbar. Ab 10 Uhr informieren verschiedene Initiativen und Vereine über ihre politische Arbeit, für Kinder gibt es eine Hüpfburg. Auf einer Bühne diskutiert die Leipziger Initiative Aufbruch Ost ab 14 Uhr über die Wendezeit und Erfahrungen mit der Treuhand. Auch eine Debatte zum Thema Feminismus ist geplant, die soll um 14 Uhr im Frauenzentrum stattfinden. Parallel gibt’s auf dem Kornmarkt einen Graffiti-Workshop, und der Verein „Bautzen rollt“ zeigt Interessierten das Skaten. Auch über den Klimawandel wollen die Organisatoren reden.

Laut wird es am Abend, denn dann treten Bands auf. Auf der Bühne steht da zum Beispiel der Sänger der Dresdner Synthie-Popgruppe Polarkreis 18, Felix Räuber. Auch der Berliner Rapper Matondo tritt auf, ebenso die Dresdner Indie-Rock-Band Fred A Rick, The Monotrones und Konrad Küchenmeister aus Dresden. „Die Konzerte sollen Leute aus den großen Städten zu uns locken“, erklärt Bruno Rössel.

Dass am Rande der Auftritte tatsächlich auch Gespräche mit denjenigen stattfinden, die mit der Botschaft gemeint sind – also zum Beispiel mit Wählern der AfD –, da ist sich Bruno Rössel recht sicher. „Deshalb veranstalten wir das Ganze mitten in den Städten auf Marktplätzen“, erklärt er. So bekommen Passanten davon mit. „In Zwickau hat das gut geklappt.“ Dort machte die Tour bereits vergangenes Wochenende halt. „Wir waren am Ende vielleicht nicht einer Meinung“, erzählt Bruno Rössel von einem Sofa-Gespräch, „aber wir haben uns gegenseitig verstanden.“

wannwennnichtjetzt.org und www.unteilbar.org/aktionen/marktplatz-konzerttour/