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Karstadt Dresden verkauft weiter Feinkost

Die Kaufhauskette bekennt Geldnot, aber ihre Lebensmittel-Abteilung bleibt geöffnet.

Von Georg Moeritz
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Wegen Corona sind die meisten der rund 400 Dresdner Karstadt-Beschäftigten in Kurzarbeit.
Wegen Corona sind die meisten der rund 400 Dresdner Karstadt-Beschäftigten in Kurzarbeit. © SZ/Youssef Safwan

Dresden. Die Glastüren an der Prager Straße sind geschlossen, die Vitrinen mit Meissener Porzellan geleert. Doch ein Teil des größten Kaufhauses im Bezirk Dresden ist weiterhin geöffnet: die Markthalle mit den Lebensmitteln im Untergeschoss. Schilder und angeklebte Pfeile weisen den Kunden den Weg zum Nebeneingang. Gerne dürfe die Lebensmittelabteilung auch „über die Tiefgarage“ betreten werden, hat das Team um den Dresdner Chef Michael Zielke geschrieben.

Kleidung und Koffer gibt es derzeit bei Karstadt und Kaufhof nur online. Am Donnerstag war Parfüm online im Angebot, auf Kleidung gab es im Internet teilweise 20 Prozent Nachlass. Wegen Corona sind die meisten der rund 400 Dresdner Karstadt-Beschäftigten in Kurzarbeit, auch die jeweils rund 150 in Leipzig und Chemnitz. Laut Vereinter Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) hat das Unternehmen 90 Prozent vom Lohn als Kurzarbeitergeld zugesagt. Für die nächsten drei Monate dürfte es nun sogar etwas mehr Geld geben: Galeria Karstadt Kaufhof hat ein Schutzschirmverfahren beantragt. Daher bekommen die Beschäftigten wohl zunächst Insolvenzausfallgeld, das laut Verdi dem vollen Gehalt entspricht. 

Jede Woche mehr als 80 Millionen Euro Verlust

Der sächsische Verdi-Handelsexperte Jörg Lauenroth-Mago findet das Ziel „immens sportlich“, bis Anfang Juli ein Konzept für die Zukunft des Handelskonzerns zu entwickeln. Doch er hält es für richtig, dass dank des Schutzschirmverfahrens die Manager weiter planen dürfen. Bei einer Insolvenz würde ein Gericht einen Anwalt als Verwalter bestimmen, Karstadt ist einer solchen Anordnung zuvorgekommen: Beim Schutzschirmverfahren darf sich das Unternehmen selbst Berater aussuchen. „Wo jetzt geöffnet ist, geht es weiter“, sagt Gewerkschafter Lauenroth-Mago. In den Lebensmittelabteilungen in Dresden und Leipzig heißt das: montags bis freitags von 9.30 bis 20 Uhr. Auch die Betriebsräte seien weiterhin tätig.

Schon voriges Jahr im Februar war in Leipzig Karstadt geschlossen worden, Kaufhof blieb übrig. Nicht die Fusion der beiden Handelskonzerne war in Leipzig zum Anlass für die Schließung genommen worden, sondern ein Streit mit dem Vermieter über die Jahresmiete für das Kaufhaus – sieben oder elf Millionen Euro im Jahr.

In Dresden gab es immer nur Karstadt, in Chemnitz nur Kaufhof. Vor Jahren geschlossen wurden die Warenhäuser in Görlitz und Hoyerswerda. 2015 kürzte Karstadt mit einem Sozialplan die Belegschaft, vorher gab es in Dresden 700 Beschäftigte.

Der ganze Konzern mit seinen 28.000 Mitarbeitern sucht nun mit dem Schutzschirmverfahren Schutz vor seinen Geldgebern, darunter den Vermietern der Immobilien. Karstadt teilte am Konzernsitz Essen mit: „Die harten wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise für den innerstädtischen Non-Food-Handel und die langwierige Umsetzung staatlicher Hilfe über die Hausbank haben diesen Schritt notwendig gemacht.“ Nach eigenen Angaben verliert Galeria Karstadt Kaufhof seit der Schließung der Warenhäuser am 18. März jede Woche mehr als 80 Millionen Euro Umsatz. Bis Ende April werde sich der Umsatzausfall auf mehr als eine halbe Milliarde Euro summieren.

Alle Mietzahlungen gestoppt

Um die eigenen Kosten zu senken, hatte der Warenhaus-Konzern bereits vor Wochen für weite Teile der Belegschaft Kurzarbeit beantragt. Außerdem stoppte der Konzern die Mietzahlungen für alle Warenhäuser, Sporthäuser, Reisebüros und Logistikimmobilien. In einem Brief an die Vermieter schrieb das Unternehmen, die wegen der Corona-Pandemie staatlich angeordnete Schließung der Geschäfte lasse dem Unternehmen „keine andere Wahl“. Zugleich bemühte sich der Konzern um staatliche Hilfsgelder.

Doch eine Einigung mit den Banken erwies sich als schwieriger als erhofft. Finanzvorstand Miguel Müllenbach klagte, der Prozess, in dem Geschäftsbanken eine entscheidende Rolle spielen, sei sehr bürokratisch und koste wertvolle Zeit. Der Ausgang sei letztlich ungewiss. Nun habe man nicht mehr länger warten können. Die angeordneten Schließungen für Läden, die keine Lebensmittel verkaufen, stellen zurzeit viele deutsche Handelsketten vor große Probleme.

Für Galeria Karstadt Kaufhof ist die Situation doppelt schwierig. Denn die Krise trifft das Unternehmen mitten im Restrukturierungsprozess. Die Warenhäuser kämpfen schon seit Jahren mit Umsatzrückgängen und roten Zahlen. Der Online-Handel, Einkaufscenter und veränderte Einkaufsgewohnheiten forderten ihren Tribut. Der Zusammenschluss von Karstadt und Kaufhof galt deshalb als letzte Chance für das in die Jahre gekommene Geschäftsmodell. (mit dpa)