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Die Angst geht um im Zittauer Salzhaus 

Kunden und Mieter beschweren sich über Lärm, Müll, Vandalismus - und Fäkalien. Bibo-Frauen gehen nur gemeinsam raus. Der Vermieter reagiert. Das Problem bleibt.

Von Jan Lange
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Hausmeister Gunnar Zachmann repariert eine Lampe im Glasturm, die von den Jugendlichen beschädigt wurde.
Hausmeister Gunnar Zachmann repariert eine Lampe im Glasturm, die von den Jugendlichen beschädigt wurde. © Foto: Matthias Weber

Sie blockieren Treppenaufgang und Fahrstuhl, rennen schreiend durch die Gänge, drehen die Handy-Musik auf volle Lautstärke, rauchen verbotenerweise, zerstören Plakate, beschmieren Wände oder lassen ihren Müll und Essensreste liegen. Werden die Jugendlichen darauf angesprochen, reagieren sie mit übelsten Beschimpfungen. "Halts Maul" oder "Halt die Fresse" heißt es dann. "Sie haben null Anstand, null Respekt", regt sich Getränkehändler Wolfgang Märkisch auf. Der bullige Unternehmer lässt sich nicht so schnell von etwas einschüchtern. Doch angesichts der pöbelnden und lärmenden Jugendlichen im Zittauer Salzhaus weiß auch Märkisch, der den "Weinspeicher" betreibt, nicht so recht weiter.

"Es hat immer mal was gegeben, aber nicht in dem Ausmaß wie jetzt", erklärt Peter Hesse, Chef der Kultur- und Weiterbildungsgesellschaft (Kuweit). Die Kuweit ist Erbbaupächter des Salzhauses und damit zuständig für Ordnung und Sicherheit in dem Gebäude. Zwei Hausmeister sollen dafür sorgen und sie kommen in jüngster Zeit kaum hinterher, die Schäden und die Vermüllung zu beseitigen.

Freies WLAN lockt Schüler

Dass sich die Jugendlichen im Salzhaus treffen, ist dem freien WLAN der Deutschen Bank geschuldet. In der Regel sind es sechs bis sieben Jugendliche, manchmal kommen auch bis zu 20 zusammen, weiß Jens Holdinghausen vom Sicherheitsdienst durch seine Kontrollgänge. Die ersten stehen oft kurz nach dem Mittag in der Passage, tippen auf ihrem Handy oder hören Musik.

Wenn sie nur das freie WLAN nutzen würden, hätte keiner der Gewerbetreibenden, Händler und Kunden ein Problem. "Doch drei, vier machen das Treiben verrückt", sagt Hausmeister Gunnar Zachmann. Viele Kunden würden inzwischen die Passage meiden. 

Zachmann zeigt die Schäden, so im Treppenhaus auf Flecken, die sich nicht mehr richtig entfernen lassen. An der einen Stelle urinieren die jugendlichen Krawallmacher immer wieder hin. Ein paar Treppenstufen höher musste der Hausmeister sogar einen "Sch..."-Haufen wegräumen. Der Abdruck ist noch gut zu erkennen.

Das freie WLAN im Salzhaus zieht die Jugendlichen magisch an. 
Das freie WLAN im Salzhaus zieht die Jugendlichen magisch an.  © Foto: Matthias Weber
In diese Ecke haben Jugendliche sogar gekackt.
In diese Ecke haben Jugendliche sogar gekackt. © Foto: Matthias Weber
Der Zutritt im mittleren Treppenhaus in die oberen Etagen ist deshalb nun verboten. Kette und Schild weisen darauf hin.
Der Zutritt im mittleren Treppenhaus in die oberen Etagen ist deshalb nun verboten. Kette und Schild weisen darauf hin. © Foto: Matthias Weber
Gern treffen sich die Jugendlichen auch im Glasturm. Sie blockieren die Treppen und Fahrstühle oder werfen Essen und Getränke nach unten.
Gern treffen sich die Jugendlichen auch im Glasturm. Sie blockieren die Treppen und Fahrstühle oder werfen Essen und Getränke nach unten. © Foto: Matthias Weber
Das Fensterbrett in der ersten Etage ist von den Jugendlichen total zerkratzt worden.
Das Fensterbrett in der ersten Etage ist von den Jugendlichen total zerkratzt worden. © Foto: Matthias Weber
Eine Hausordnung regelt eigentlich, was im Salzhaus erlaubt und was verboten ist. Aber die Jugendlichen halten sich nicht daran.
Eine Hausordnung regelt eigentlich, was im Salzhaus erlaubt und was verboten ist. Aber die Jugendlichen halten sich nicht daran. © Foto: Matthias Weber

Im mittleren Treppenaufgang hat er deshalb eine Absperrkette angebracht. Keiner soll mehr in die oberen drei Etagen kommen. "Die Jugendlichen haben sich hier gern im Treppenhaus versteckt", sagt er. Seit die Kette hängt, sei es etwas besser geworden. Das ist aber nur "Kosmetik". Die Jugendlichen lungern stattdessen im Glasturm herum, machen Lampen kaputt oder reißen Aufkleber der Volkshochschule Dreiländereck von den Fenstern ab. Sie schmeißen Getränke oder Essen gegen die Glasscheiben. Auch diese Flecken sind überall zu sehen. "Sie sind schwer zu reinigen", sagt der Hausmeister. Jede einzelne Untat will er nicht verraten, um keine Nachahmer zu animieren.

Eigentlich gibt es eine Hausordnung im Salzhaus, nach der beispielsweise keine Speisen außerhalb der Gastronomiebereiche gegessen werden dürfen und auch Fahrräder sind in der Passage verboten. Selbstverständlich auch das Rauchen. Doch die Jugendlichen halten sich nicht an die Regeln. Sie holen sich etwas vom Asia Imbiss, eine Pizza oder einen Döner, setzen sich ins Salzhaus und lassen die Reste liegen. "Als die Hausmeister ein paar Tage nicht da waren, sah es richtig schlimm aus", berichtet Friseurmeisterin Simone Rothe vom "Salon Besser" und ergänzt, dass sie erst mal Müll wegräumen müsse, wenn sie früh kommt.

Türen werden abgeschlossen

Die Sitzbänke, die sonst in der Passage im Erdgeschoss stehen, hat Gunnar Zachmann inzwischen ins Lager geräumt, nachdem er sie zuvor bereits zweimal reparieren musste.

Wenn es vor dem "Weinspeicher" zu laut wird, dann verschließt die Verkäuferin die Tür zur Passage und informiert per Aushang, dass der Zugang nur von außen möglich ist. Solche Maßnahmen können die Mitarbeiter der Bibliothek und der Volkshochschule nicht machen, ihre Einrichtungen sind ausschließlich über den Glasturm zu erreichen. Und die Mitarbeiter können das Haus auch nur über diesen Weg verlassen. "Wir versuchen immer gemeinsam zu gehen", sagt Bibliotheksleiterin Carola Becker. 

Beim Friseursalon ist das nicht immer möglich, manchmal bedient eine Mitarbeiterin noch eine Kundin, während die anderen schon Feierabend machen. Simone Rothe umschleicht ein mulmiges Gefühl, wenn sie eine Kollegin allein lassen muss. Wenn sie selbst allein ist, schließt sie sicherheitshalber die Eingangstür ab. Diese Angst ist nicht unberechtigt: Vor einem Jahr ist sie von Jugendlichen bespuckt worden.

Jens Holdinghausen schaut regelmäßig nach dem Rechten im Salzhaus.
Jens Holdinghausen schaut regelmäßig nach dem Rechten im Salzhaus. © Foto: Rafael Sampedro

Sicherheitsdienst verstärkt

Die Polizei sollte, fordert die Friseurmeisterin, regelmäßig Kontrollen machen. Ob dies helfen würde, bleibt fraglich. "Wenn die Polizei gerufen wird, verschwinden sie oder behaupten Minderjährige zu sein", weiß Peter Hesse. Der Kuweit-Chef ergriff derweil andere Schritte. Die Videoüberwachung wurde verschärft und die Kontrolle durch den Sicherheitsdienst verstärkt. Jens Holdinghausen und seine Mitarbeiter sollen die Krawall machenden Jugendlichen aus dem Gebäude entfernen. Manchmal gehen die Jugendlichen bereits, wenn sie die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes sehen, manchmal müssen sie auch mit Nachdruck hinausbefördert werden, berichtet Holdinghausen. 

"Oft sind sie schnell wieder drin", weiß Carola Becker. Sie schaut deshalb mit ihren Mitarbeitern selbst nach dem Rechten. "Am Anfang haben wir nur reagiert, wenn sich Kunden beschwerten", sagt die Bibliothekschefin. "Jetzt achten wir auf Geräusche und gehen täglich eine Runde am Nachmittag." Abends, bevor sie das Salzhaus verlassen, machen sie ebenfalls einen Kontrollgang. Das Gebäude ist dann verschlossen. Früher blieb die Salzhaus-Passage offen, so lange, wie die Gaststätte "Alter Sack" geöffnet war. Doch das ist seit dem Vorjahr nicht mehr möglich - wegen der jungen Krawallmacher. Am Wochenende ab Samstagmittag ist das historische Gebäude auch dicht.

Die zusätzlichen Kosten für den Objektschutz und die Schäden hat bislang die Kuweit allein getragen. "Aber es wird die Frage kommen, ob wir sie auf die Mieter umlegen", sagt Hesse. Mancher würde dann streiken, glaubt er. Aus diesem Grund könne auch nicht noch mehr Objektschutz beauftragt werden, was mehr Kosten erzeugen würde.

Erforderlich wäre er. Denn mit den bisherigen Maßnahmen ist die Kuweit dem Problem nicht Herr geworden. "Was wir machen konnten, haben wir gemacht", sagt Hesse. Seiner Meinung nach fehle es im Stadtzentrum an Alternativen, wo sich die Jugendlichen treffen können. Dabei gibt es das Cafe X auf der Böhmischen Straße. Aber das öffnet meist erst am späten Nachmittag. Die Schüler wollen teilweise auch nicht dorthin gehen, da sie im Jugendcafe nicht so frei sein können wie im Salzhaus, weiß Gunnar Zachmann.

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