Görlitz will bunt bleiben
Am Morgen nach dem Wahlsonntag ist Daniel Preißler mit einer Idee aufgewacht: Man müsste am Abend eine spontane Demo machen, die zeigt, dass Görlitz bunt ist. „Nach dem Wahlergebnis bei der Europawahl und in Görlitz bei der Kommunalwahl mit Trend hin zu populistischen und nationalistischen Parteien muss man deutlich zeigen, dass es hier viel mehr Buntes gibt, als es das düstere, nach außen getragene Bild von unserer Stadt vermittelt“, sagt der 35-Jährige. Immerhin sieben von zehn Wählern hätten eben nicht AfD gewählt und damit ausgedrückt, dass sie es bunt mögen.
„Nun ist so eine Demo aber nicht so schnell organisiert, also habe ich mich am Tag nach der Wahl bei Facebook angemeldet und die Initiative ‚Görlitz bleibt bunt‘ gestartet“, erzählt der junge Mann, der in seinem Berufsleben das katholische Kinderhaus Sankt Hedwig in Görlitz leitet. Vor drei Jahren kam der Görlitzer an die Neiße zurück, nachdem für ihn 15 Jahre lang Berlin sein Lebensmittelpunkt war. Monique Hänel und ihr Mann Maik Blessau waren sofort mit von der Partie. Sie sind gebürtige Berliner und leben seit drei Jahren hier. Kennengelernt haben sich alle drei aber erst in Görlitz. Politische Ambitionen hatten sie bislang kaum. Frau Hänel, die ihr drittes Kind erwartet, hatte sich mit 20 – jetzt ist sie 34 – kurzzeitig in der SPD engagiert. Weitere Mitstreiter fanden sich schnell über soziale Medien.
Sie alle wollen mit der Initiative deutlich machen, dass sie nicht gegen etwas sind, sondern für etwas: für Demokratie, für Verschiedenheit in der Bevölkerung, für eine bunte Vielfalt. Um das in der Stadt bekannt zu machen, wurden Flyer gedruckt und ein Button zum Anstecken mit dem Motto „Görlitz bleibt bunt“ hergestellt. Finanziert wurde das über Crowdfunding, eine Geldsammlung übers Internet. Diese erbrachte nach wenigen Tagen mehr als die angestrebten 444 Euro. „Das zeigt, dass das Interesse an unserer Initiative Zustimmung und Leute findet, die dafür Geld geben,“ freut sich der 35-jährige Gründer der Initiative. „Beim Europamarathon am vergangenen Sonntag haben wir die Anstecker verteilt und die Initiative vorgestellt“, erzählt Daniel Preißler und ist sehr froh, dass „Görlitz bleibt bunt“ auf ein immer größeres Echo stößt. „Mehrere Parteien beispielsweise sind auf uns aufmerksam geworden“, berichtet Preißler. Vereinnahmen lassen will man sich aber von keiner. Fast 400 Mal ist seine Facebook-Seite in einer Woche mit dem Button „Gefällt mir“ versehen worden.
Ob sie sich nun als Initiative oder als Bündnis „Görlitz bleibt bunt“ bezeichnen, wissen die jungen Leute so kurze Zeit nach der Gründung noch nicht genau. Auf jeden Fall sind sie offen für viele Mitstreiter und neue Ideen für ein noch bunteres Görlitz. Fest steht: „Wir streben Nachhaltigkeit an, um zu zeigen, wie vielfältig und weltoffen Görlitz ist“, betont Preißler. Eine Demonstration vom Bahnhof bis zum Rathaus am 14. Juni soll das kurz vor dem zweiten Wahlgang für das Oberbürgermeisteramt noch einmal verdeutlichen und motivieren, zur Wahl zu gehen. Die Demo ist beantragt. „Kümmern wir uns darum, dass die demokratische Vielfalt am 16. Juni in Görlitz gewinnt, auch wenn nicht jeder über die Personalie glücklich ist. Mit einem bunten Stadtrat haben wir da alle Chancen, denn wir haben ‚Bock auf besser!“ heißt es auf der Facebookseite des Gründers.
Auch über die Wahl hinaus will die Initiative aktiv bleiben. „Es gibt hier viel mehr Verbindendes als Trennendes, auch über Ländergrenzen hinweg“, ist Monique Hänel überzeugt. Erste Ideen gibt es, wie die bunte Vielfalt in der Stadt aussehen kann. An ein internationales Café ist gedacht, an ein internationales Chortreffen ebenfalls. Schulen sollen eingebunden werden. Der Gründer der Initiative kann sich vorstellen, mit ihr den Rahmen für Projekte zu geben. Mitmachen kann dabei jeder, dem Weltoffenheit, Demokratie, Zusammenarbeit und Kompromissfindung Bedürfnisse sind.
Die Initiative „Görlitz bleibt bunt“ ist unter www.facebook.com/buntesgoerlitz zu erreichen.
E-Mail: [email protected]
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