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Glückliches Schwein schmeckt besser

Andrea Franke ist die einzige Wurst-Sommelière in Sachsen und zaubert aus Wurst nicht nur Pralinen.

Von Peggy Zill
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Andrea Franke mit einem Schweinekotelett in der Weinböhlaer Fleischerei: Sie ist Sachsens einzige Wurst-Sommelière. Nun will sie sich auch noch zur Schinken-Expertin ausbilden lassen.
Andrea Franke mit einem Schweinekotelett in der Weinböhlaer Fleischerei: Sie ist Sachsens einzige Wurst-Sommelière. Nun will sie sich auch noch zur Schinken-Expertin ausbilden lassen. © Norbert Millauer

Weinböhla. Auch Schweinen ist es an manchen Tagen zu heiß. Eine kleine Abkühlung aus dem Schlauch ist da willkommen. Andrea Franke hat den kurzen Clip auf die Facebook-Seite der Fleischerei Franke in Weinböhla gestellt. Die Meißner Landschweine, die im Video duschen, hängen bald im Kühlhaus. Bis es so weit ist, haben sie ein schönes Leben gehabt. Mit viel Auslauf und im Schlamm suhlen. 

Das Glück kann man schmecken, sagt Andrea Franke. „Man merkt es an der Fleischstruktur. Die Tiere haben eine straffere Muskelausbildung.“ Die 55-Jährige muss es wissen. Sie ist eine von wenigen Fleisch-Sommelièren in Sachsen und die Einzige, die sich auch noch zur Wurst-Expertin hat ausbilden lassen. Nächstes Ziel: Schinken-Sommelière. Botschafterin des guten Geschmacks will sie sein und gleichzeitig Traditionen wahren, das Handwerk erhalten.

Wurst wird bei Frankes noch nach alter Tradition hergestellt. So wenig Inhaltsstoffe wie möglich, nur die nötigsten Konservierungsstoffe und natürliche Gewürze. Fleisch landet nach wie vor oft viel auf den Tellern, aber die Kunden achten mehr auf die Inhaltsstoffe, den Fett- und Salzgehalt und wo die Produkte herkommen. „Und die Leute sind bereit, mehr zu bezahlen, wenn es exzellente Qualität ist“, sagt Andrea Franke.

Die Landschweine kommen aus Bahra bei Meißen, die Kühe von Züchtern aus Diera oder Großdobritz, Gallowayrinder aus dem Erzgebirge und Dexter-Rinder von einem Züchter aus Brandenburg. „Wir nehmen auch gern Tiere von Hobbyzüchtern“, sagt Andrea Franke. Tiere, die ohne Stress und im Herdenverband aufgewachsen sind. Und die bis zum Schlachten vom Züchter begleitet werden. 

„Wenn die Tiere auf dem Weg zur Schlachtung Stress haben, verliert das Fleisch durch das Adrenalin an Qualität“, erklärt die Expertin. Deshalb sei es wichtig, dass das Schlachten professionell ausgeführt wird. Frankes machen das nicht selbst.

 Aus den gelieferten Schweine- oder Rinderhälften kreiert die Sommelière richtige Kunstwerke. Pasteten mit Schachbrettmuster oder eingearbeiteten Blumen, Pralinen aus Wurst, mit roter Beete eingefärbte Bratwürste. Da kann die eingeschweißte Konkurrenz aus dem Kühlregal im Supermarkt nicht mithalten. So etwas würde ihr auch nicht über die Sommelière-Zunge kommen, sagt Andrea Franke. „Das sind keine gesunden Lebensmittel.“

Eine Spezialität der Fleischerei ist das Dry Aged Beef. In Reifeschränken, bei zwei Grad Celsius und 85 Prozent Luftfeuchtigkeit, hängen die Rinderteile vier bis fünf Wochen. Dabei schrumpft das Fleisch zwar, weil es Flüssigkeit verliert, aber der Geschmack intensiviert sich. 

Andrea Franke bevorzugt dennoch Steaks aus Butterreifung. Lady Steak nennt sie das auch, weil es leicht verdaulich ist, nachdem das Fleisch vier Wochen in Butterschmalz eingepackt war. Auch so ein Trick aus dem Sommelière-Kurs.

Dass eine Frau Fleisch- oder Wurstspezialistin wird, sei selten, weil dafür eigentlich ein Meisterbrief nötig ist. Den hat Andrea Franke zwar nicht, aber trotzdem viel Erfahrung. Gelernt hat sie zunächst Köchin, danach Fleischerei-Fachverkäuferin. 

Mit ihrem Mann Lothar führt sie das Weinböhlaer Familienunternehmen in vierter Generation. Seit 30 Jahren sitzt sie mit in der Prüfungskommission der Handwerkskammer, sie gibt Seminare und der Betrieb arbeitet eng mit der berufsvorbereitenden Schule in Großenhain zusammen. 

Sommelière darf sich nur nennen, wer einen der begehrten Plätze im Intensivkurs bekommt. Der dauert zwar nur zwei Wochen, aber die Vorbereitung ein Jahr, um am Ende die schriftliche und mündliche Prüfung zu bestehen, sagt Andrea Franke. 

Gelernt wird nicht nur, Qualität zu sehen, riechen und schmecken, sondern auch die Kreation neuer Produkte. Und die Vermarktung. Dazu gehört eine eigene Facebook-Seite, die Andrea Franke pflegt. Und auf der die Kunden nicht nur die Speisekarte des Imbisses präsentiert bekommen, sondern eben auch den Schweinen beim Duschen zusehen können.