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SZ + Dynamo

Klassenerhalt mit Dynamo? "Ist doch nicht utopisch!"

Stürmer Patrick Schmidt spricht im exklusiven Interview über seine Sperre, die Chancen der Dresdner im Abstiegskampf und seinen Wunsch für die Zukunft.

Von Sven Geisler
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Mit den Fans abklatschen wie nach dem Sieg im Sachsenderby gegen Erzgebirge Aue vor der Corona-Pause - das würde Dynamos Torjäger Patrick Schmidt auch am Freitag gerne. Die Zuschauer fehlen ihm mega.
Mit den Fans abklatschen wie nach dem Sieg im Sachsenderby gegen Erzgebirge Aue vor der Corona-Pause - das würde Dynamos Torjäger Patrick Schmidt auch am Freitag gerne. Die Zuschauer fehlen ihm mega. © Lutz Hentschel

Dresden. Dynamos Personalsorgen sind groß vor dem nächsten Endspiel im Abstiegskampf der 2. Fußball-Bundesliga. Simon Makienok droht für die Partie gegen den Hamburger SV am Freitagabend auszufallen, sein Sprunggelenk war nach einem Schlag geschwollen. Es könnte etwas kaputt sein, mutmaßte Chefcoach Markus Kauczinski am Donnerstag, eine genaue Diagnose gab es nicht. Immerhin sind mit Marco Hartmann und Josef Husbauer auch zwei Spieler wieder zurück im Training.

Außerdem ist Patrick Schmidt einsatzbereit. Der Stürmer war zuletzt nach einer Gelb-Roten Karte gesperrt, musste beim 1:1 gegen Greuther Fürth tatenlos zuschauen. Im Interview mit sächsische.de erklärt der 26-Jährige, warum er an den Klassenerhalt mit Dynamo glaubt.

Patrick Schmidt, wie war es als „Geist“ im Stadion auf der Tribüne zu sitzen?

Eine Katastrophe, schlimm. Schon vor dem Spiel, die Anspannung zu spüren und zu wissen, man kann nicht eingreifen. Da macht man sich selber Vorwürfe. Es war ein Sch…-Gefühl, zuschauen zu müssen.

Wie bewerten Sie die Szene, für die Sie die zweite Gelbe kassiert haben, jetzt?

Ich bleibe dabei, dass ich vom Schiedsrichter ein bisschen Fingerspitzengefühl erwarte. Es ist für mich ein Unterschied, ob ich den Ball lustlos oder aus Wut zur Eckfahne haue oder versuche, noch aufs Tor zu schießen. Trotzdem darf ich dem Schiri nicht die Möglichkeit geben, diese Entscheidung zu treffen. Die Gelbe Karte kann man dann geben. Das meine ich: Ich ärgere mich über mich selber, weil ich im Kopf nicht schnell genug geschaltet und die Aktion durchgezogen habe.

Mit einem entschlossenen Kopfball erzielte Patrick Schmidt das 2:2 in Wiesbaden und brachte Dynamo mit diesem Tor kurz vor der Halbzeitpause zurück ins Spiel.
Mit einem entschlossenen Kopfball erzielte Patrick Schmidt das 2:2 in Wiesbaden und brachte Dynamo mit diesem Tor kurz vor der Halbzeitpause zurück ins Spiel. © dpa-POOL/Ronald Wittek

Können Sie als Stürmer nicht anders?

Jeder, der mal gekickt hat, weiß das. Mit Zeitspiel hatte das nichts zu tun. Trotzdem, noch mal, darf es mir nicht passieren.

Das Gute daran: Sie hatten eine Pause, sind vor dem Spiel am Freitag gegen den Hamburger SV ausgeruht …

Wenn man etwas Positives sehen will, ja. Für mich war es einfach ärgerlich. Ich habe mich gut gefühlt, hätte gegen Fürth spielen können. Jetzt bin ich aber froh, dass ich am Freitag wieder dabei bin.

In Wiesbaden haben Sie Dynamo mit dem 2:2 kurz vor der Pause zurück ins Spiel gebracht. Wie haben Sie die Schwächephase davor erlebt?

Dass wir in Wiesbaden nach der Führung den Faden verloren haben, hat jeder gesehen. Trotzdem habe ich immer dran geglaubt. Gerade, wenn der Gegner viele Chancen vergibt, kann dich eine Aktion zurück ins Spiel bringen. Das ist fakt. Als ich sah, wie der Chris (Löwe/d. Red.) den Ball auf Außen annimmt, war ich mir sicher, dass er eine gute Flanke bringt und ich entschlossen reingehen muss. Dass es so passt, ist vielleicht ein Quäntchen Glück, spricht aber auch für die Qualität der Flanke – und im Torabschluss.

Auch gegen Fürth lag Dynamo zurück, schaffte den Ausgleich. Ist das jetzt das Motto: Geduldig bleiben, nicht Nerven verlieren?

Ja, deshalb war es sogar gut, dass wir in Wiesbaden genau so gewonnen haben. Weil man sieht, dass du ein Spiel auf den Kopf stellen kannst, auch wenn du vorher wenig auf die Kette bekommst. Das ist in unserer Situation wichtig, zu wissen, das muss in den Köpfen drin sein, dass wir nie aufgeben dürfen, immer an unsere Qualität glauben, noch ein Tor zu machen.

Wiesbadens Torhüter Heinz Lindner hat keine Chance gegen den Kopfball von Patrick Schmidt. Doch Dynamos Torschütze sah kurz vor Schluss beim 3:2-Sieg für angebliches Zeitspiel zum zweiten Mal Gelb in der Partie und damit Rot, war deshalb gegen Fürth gespe
Wiesbadens Torhüter Heinz Lindner hat keine Chance gegen den Kopfball von Patrick Schmidt. Doch Dynamos Torschütze sah kurz vor Schluss beim 3:2-Sieg für angebliches Zeitspiel zum zweiten Mal Gelb in der Partie und damit Rot, war deshalb gegen Fürth gespe © dpa-POOL/Ronald Wittek

Was ist das 1:1 gegen Fürth wert?

Nach dem Spiel wusste keiner so richtig: War es ein gewonnener Punkt oder haben wir zwei verloren? Wir haben uns nicht wirklich gefreut, waren aber auch nicht enttäuscht. Mit etwas Abstand sage ich: Wir müssen jeden Punkt mitnehmen. Es war wichtig, nicht zu verlieren, weil wir so nicht mehr drei Punkte weg sind vom Relegationsplatz, sondern nur noch zwei. Wir haben die schlechtere Tordifferenz, von daher kann dieser Punkt entscheidend sein.

Nun folgt die Hammer-Woche mit dem Spiel gegen den HSV und der Deutschland-Reise nächste Woche: Bielefeld, Kiel, Sandhausen. Was ist drin?

Wir gewöhnen uns immer besser an den Rhythmus. Natürlich wissen wir, dass mit Hamburg und Bielefeld zwei Bretter auf uns zukommen. Aber wir schenken diese Spiele ganz sicher nicht vorher ab, sondern glauben daran, dass etwas geht.

Auch das ist ein Satz von Ihnen: Wenn keiner mehr an uns glaubt, wir schon. Woher nehmen Sie die Überzeugung?

Ich bin ein positiv denkender Mensch. Deshalb war mir die Stimmung nach den Niederlagen gegen Stuttgart und in Hannover zu negativ. Es war klar und hatte nichts mit Träumerei zu tun: Wenn wir in Wiesbaden gewinnen, sind wir dran. Fakt. Jetzt haben wir das Spiel gewonnen und haben es durch das Nachholspiel selber in der Hand. Warum sollten wir nicht an uns glauben? Das ist doch nicht utopisch.

Sie sind im Januar aus Heidenheim gekommen, hatten dort nur viermal gespielt. Bei Dynamo sind Sie Stammspieler, haben fünf Tore erzielt. Wieso funktioniert es für Sie in Dresden so gut?

Ich habe mich von Tag eins hier wohlgefühlt, wurde super aufgenommen von den Jungs und dem Trainerteam, habe sofort gespürt, dass ich gebraucht werde. Das Vertrauen ist für einen Stürmer wichtig. Deshalb bin ich froh, dass ich es bisher zurückzahlen konnte. Ich bin im Januar hierher gekommen, weil ich an den Klassenerhalt glaube. Es ist eine große Aufgabe, aber wir können es schaffen. Die Qualität ist einfach da. Wir sind auf einem guten Weg.

Nach dem Sieg im Derby gegen Aue meinten Sie zu ihrem Plan: erst drin- und dann dableiben. Steht der noch?

Meine Situation ist klar: Wenn wir drinbleiben, hat Dynamo die Kaufoption. Das wäre mir am liebsten, wie ich es gesagt habe.

Ihr Fallrückzieher zum 2:1 gegen Aue wurde zum „Tor des Monats“ gewählt. Was bedeutet Ihnen das?

Es ist eine schöne Erinnerung, wenn man später die Medaille sieht, ein schönes Andenken. Aber daran verschwende ich keine Gedanken mehr. Was zählt, ist allein der Klassenerhalt mit Dynamo. Das ist das Einzige, wofür ich meine Energie aufbringe.

Das bislang letzte Tor vor Zuschauern im Rudolf-Harbig-Stadion war ein besonders schönes. Der Fallrückzieher, mit dem Patrick Schmidt im Derby Aues Torwart Martin Männel überwand, wurde in der ARD-Sportschau zum "Tor des Monats" im März gewählt. Die Plake
Das bislang letzte Tor vor Zuschauern im Rudolf-Harbig-Stadion war ein besonders schönes. Der Fallrückzieher, mit dem Patrick Schmidt im Derby Aues Torwart Martin Männel überwand, wurde in der ARD-Sportschau zum "Tor des Monats" im März gewählt. Die Plake ©  dpa/Robert Michael

Wie tanken Sie jetzt Energie?

Ich versuche, Ruhephasen zu bekommen, wann immer es geht, viel zu schlafen. Das ist jetzt elementar wichtig. Ich unternehme privat weniger, lege mittags lieber die Beine hoch, als mal in die Stadt zu gehen. Wirklich nur: trainieren, essen, schlafen.

Ihre Ausleihe gilt bis 30. Juni. Wären Sie denn bei einer Relegation im Juli da?

Davon gehe ich fest aus. Wenn es rechtliche Dinge zu klären gibt, werden die Vereine das sicher regeln.

Das Heimspiel gegen den HSV wäre mit gut 30.000 Zuschauern ausverkauft – normalerweise. Wie sehr fehlen Ihnen als emotionalen Spieler die Fans?

Mega! Seit ich Fußball spiele, will ich vor so einer Kulisse spielen, wie ich sie in Dresden erleben durfte. Es ist keine Frage, dass uns die Fans fehlen, vielleicht auch für den letzten Push. Aber wir müssen das annehmen, und man hat zuletzt gesehen, dass wir auch im leeren Stadion das Feuer entfachen können. Wir würden es natürlich lieber gemeinsam mit unseren Fans machen.