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Zustimmung zu höheren Fleischpreisen

Der Bund denkt zum Wohl der Tiere über höhere Steuern auf Fleisch nach. Viele Görlitzer wären dazu bereit - stellen aber eine Bedingung.

Von Maximilian Helm
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Claus Hein leitet die Niederschlesische Wurstmanufaktur in Görlitz. Höhere Abgaben für Fleisch hält er grundsätzlich für sinnvoll - sie müssen aber beim Erzeuger landen.
Claus Hein leitet die Niederschlesische Wurstmanufaktur in Görlitz. Höhere Abgaben für Fleisch hält er grundsätzlich für sinnvoll - sie müssen aber beim Erzeuger landen. © Nikolai Schmidt

Über zu wenig Kundschaft können sich die Görlitzer Fleischereien an diesem sonnigen Mittwochmittag kaum beschweren: In den meisten Läden stehen die Kunden Schlange, kaufen Wurst, Gehacktes oder ein Stück zum Braten. Nur über den Gang zum Grill wird zu dieser Jahreszeit noch niemand nachdenken. 

Dafür tragen viele Kunden Plastikschalen mit Alufolien-Deckel in den Händen. Fleischereien sind als schneller, günstiger Mittagsimbiss beliebt. "Heute hatten wir keine Zeit zum Kochen", sagt ein Rentner-Ehepaar vor der Fleischerei Homilius am Demianiplatz, "deshalb gibt es heute Sülze vom Fleischer." 

Doch an den gefälligen Preisen könnte sich gleich etwas ändern. Die Diskussion über höhere Fleischpreise ist nicht neu, so greifbar wie jetzt, war sie allerdings noch nie. Denn der Vorwurf "Fleisch ist zu billig" kommt längst nicht mehr nur von Tierschützern. Auch Teile der Fleischindustrie kritisieren die Kultur des billigen Fleisches und geben vor allem den großen Supermarktketten die Schuld, die die Preise drücken. 

24 Euro im Jahr

Besonders das Tierwohl ist ein Argument. Mit den aktuellen Gewinnmargen sei das nicht zu verbessern, sagen die Bauern. Doch schlicht die Preise zu erhöhen, sei ebenfalls nicht möglich, weil die Supermärkte sonst vermehrt auf Fleisch aus dem Ausland zurückgreifen - was oft unter schlechteren Bedingungen für Mensch und Tier hergestellt wird. 

Eine Expertenkommission schlägt höhere Fleischpreise vor - zum Wohl der Tiere.
Eine Expertenkommission schlägt höhere Fleischpreise vor - zum Wohl der Tiere. © Armin Weigel/dpa

Also schlägt eine Expertenkommission nun eine zusätzliche Belastung von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch vor - mit denen strengere Regeln bei Platz, Auslauf und Beschäftigungsmöglichkeiten für Tiere finanziert werden sollen. Bei einem Fleischkonsum von 60 Kilo im Jahr pro Kopf wären das 24 Euro.

"Wir wären bereit, das Geld auszugeben", sagt das Rentner-Ehepaar vor der Fleischerei Homilius. Sie würden ohnehin nicht mehr so viel Fleisch essen - schon aus gesundheitlichen Gründen. Das hätte sich mit der Rente geändert, jetzt gäbe es mehr Zeit zum Kochen. Eine Bedingung haben sie jedoch: "Es muss schon wirklich den Tieren zugutekommen, und da haben wir so unsere Zweifel."

Nachfrage aus China

Ähnlich äußern sich viele Görlitzerinnen und Görlitzer bei unserer Befragung in der Innenstadt. "Wenn es wirklich den Tieren zugutekommt, würde ich das schon bezahlen", sagt zum Beispiel Sabine Welz. Doch ob das mit höheren Steuern garantiert ist, bezweifelt sie. Sie hat gerade in der Fleischerei Gruske Buletten und Kartoffelsalat gekauft. 

Dabei ist wichtig: Kunden von Fleischereien sind ohnehin eher bereit, etwas mehr für das Produkt auszugeben. Die wirklichen Preiskämpfe, vier Euro für das Kilo Hack, finden vor allem im Supermarkt statt.

Viele Discounter werben mit billigem Hackfleisch.
Viele Discounter werben mit billigem Hackfleisch. © dpa

Dass die befragten Görlitzer wenig Unmut äußern ist dennoch ungewöhnlich, denn vor allem die Preise für Schweinefleisch sind in den letzten Monaten ohnehin deutlich gestiegen. Schuld ist die Nachfrage aus China, das wegen der Afrikanischen Schweinepest deutlich weniger Schweinefleisch produziert und deswegen viel Fleisch einkauft. Deutschlands Schweine-Exporte nach China haben sich innerhalb des vergangenen Jahres fast verdoppelt.

Sind die Supermärkte schuld?

Das sieht auch Claus Hein, der die Schlesische Wurstmanufaktur in Görlitz in dritter Generation leitet. "Die Rohstoffpreise steigen, aber der Handel will seine Preise nicht erhöhen", sagt er, "und wir stehen als Verarbeiter genau dazwischen." Er befürwortet den Vorstoß - unter der Voraussetzung, dass die 40 Cent direkt an Erzeuger und Verarbeiter weitergegeben werden und nicht im Handel verbleiben.

"Ich bin auch kein Befürworter, jeden Tag Fleisch zu essen", sagt er und lacht, weil dieser Satz für einen Wurstmacher doch ungewöhnlich ist, "lieber weniger, aber wenn dann etwas Hochwertiges." Die Manufaktur liefert in alle Preissegmente. Dass Kunden mehr auf Qualität achten würden, kann Hein nicht beobachten: "Es geht leider meistens nur um den Preis."

Doch unter den Görlitzern gibt es auch kritische Stimmen. "Fleisch ist schon teuer genug, ich finde nicht dass der Staat jetzt noch weiter zugreifen sollte", sagt der Görlitzer Knut Lange. In seinem kleinen Pastikbeutel liegen Hackepeter und Aufschnitt. Das Tierwohl hat für ihn keine Priorität. "Das sind einfach Nutztiere, sie sind dazu da um uns zu versorgen", sagt er. 

Ob die Regelung so umgesetzt wird, steht derzeit noch in den Sternen. Es ist eine von mehreren Möglichkeiten, die das Bundes-Landwirtschaftsministerium prüft.

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