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First Lady trifft Stahlbau-Chefin

Eine Unternehmerin aus Kamenz ist für einen Wirtschaftspreis nominiert. Jetzt hatte sie prominenten Besuch.

Von Ina Förster
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Treffen starker Frauen: Sabine Lottes (l.), Geschäftsführerin der Kamenzer Firma Leichtmetall- und Stahlbau, führte Sachsens First Lady und Schirmherrin des Adelie-Awards 2020, Annett Hofmann, durch ihre Firma.
Treffen starker Frauen: Sabine Lottes (l.), Geschäftsführerin der Kamenzer Firma Leichtmetall- und Stahlbau, führte Sachsens First Lady und Schirmherrin des Adelie-Awards 2020, Annett Hofmann, durch ihre Firma. © Matthias Schumann

Kamenz. Freitagmorgen im Metallbaubetrieb. Zeit für ein Treffen starker Frauen.  Nicht typisch für die Branche, aber beachtlich. Es gibt Häppchen und Kaffee. Und ernsthafte Gespräche. Sachsens First Lady sitzt mit am Tisch.  Später wird sie durch die Stahlbau-Hallen gehen, raue  Arbeiterhände schütteln. Es riecht nach schwerer Arbeit und Schweißrauch. Annett Hofmann ist auf ein Stündchen in die Lessingstadt gekommen. Als Zuhörende und Schirmherrin  des  Adelie-Award. In dessen Finale steht die Kamenzerin Sabine Lottes - 40-jährige Chefin des Leichtmetall- und Stahlbau Lottes.

 Der Award hat sich zum Ziel gesetzt, erfolgreiche Frauen in Sachsens Wirtschaft sichtbarer zu machen. Mit ihr sind die Leipzigerin Anke Mai von der Plan-Objekt GmbH sowie Doris Bach von der Brotschmiede Görlitz nominiert. Die Dresdner Persönlichkeitstrainerin Daniela Kreissig rief den Preis vor drei Jahren ins Leben. Das Kürzel steht für die wichtigsten Eigenschaften, die jede langfristig erfolgreiche Unternehmerin ausmachen: Anfangen, Dranbleiben, Energie, Leidenschaft, Ideen und Erfolg. Die Siegerin wird im Rahmen der Preisverleihung am 19. März in Dresden bekannt gegeben.  Noch gibt es Karten dafür. 

Schnelle Entscheidung nach dem Tod des Vaters

Dass die Kamenzerin es bis ins Finale geschafft hat, wundert nicht. Ihre Lebensgeschichte ist besonders. Dass sie sich in einer von Männern dominierten Handwerks-Branche behauptet, ringt Respekt ab. Am meisten ihren Kollegen. Dabei ging ihr Weg lange Zeit in eine andere Richtung. Doch Lebenswege verlaufen selten gerade. Sabine Lottes hat das vor neun Jahren schmerzhaft erfahren. Da starb ihr geliebter Vater Gerd Lottes nach schwerer Krankheit viel zu früh. Und hinterließ eine große Lücke.  Auch in der Firma, die er 1988 gründete.

 Heute stehen auf dem 6.000 Quadratmeter großen Firmengelände an der Güterbahnhofstraße – früher Lausitzer Keramik – neun Mitarbeiter in Lohn und Brot. Bis zu seiner schweren Krebserkrankung hatte er die Zügel fest in der Hand, war ein fairer Geschäftspartner.  Dann der Schicksalsschlag 2011.  "Ich hatte nicht viel mit der Firma meiner Eltern am Hut. Natürlich bin ich als Kind in den Ferien mit auf Baustellen gefahren und kannte die Werkstatt in- und auswendig. Der Werkstoff Metall, die Maschinen, Arbeitsabläufe und Gerüche waren mir nicht fremd", sagt Sabine Lottes. Dennoch geht ihr Berufswunsch  in eine andere Richtung. Sie wird Fotografin, studiert später in Düsseldorf Kommunikationsdesign. Anschließend flattert vor Ort ein Jobangebot als Junior Art Director ein. "Ich war glücklich, hatte mich gut in der Großstadt arrangiert", erzählt sie.

Aber dann kam das große Umdenken. "Nach dem Tod meines Vaters konnte ich die Firma einfach nicht verkaufen. Alles in mir sträubte sich dagegen. Auch wenn er es nie von seiner Tochter verlangt hat, geht die damals 32-Jährige einen Schritt, der ihr Leben auf den Kopf stellt: Sie kündigt innerhalb einer Woche Job und Wohnung in Düsseldorf. Und zieht in die Heimat zurück.  Doch die Geschäftsübernahme gestaltet sich komplizierter als gedacht. Vor allem die Banken spielten nicht mit.  "Mein Vater starb an einem Freitag, 15 Uhr. Gegen 17 Uhr waren bereits alle Konten gesperrt", sagt sie. Da halfen nur zähe Verhandlungen. 

Als Frau allein auf weiter Flur in der Branche

Sie ackert sich in den nächsten Jahren durch Schulungen. Fährt mit ihrem Freund nach Belgien zu einem Systemhersteller und lernt, Fenster und Fassaden zu bauen. "Nur wenn ich etwas von der Pike auf beherrsche, kann ich doch mitreden", so ihr Credo. Sie besorgt sich Ausbildungsbücher von Metallbaulehrlingen. Dreimal in der Woche sitzt sie über zwei Jahre in Dresden auf der Schulbank und macht ihren Betriebswirt. Nebenher kämpft sie in Kamenz gegen Vorurteile,  muss die  verunsicherte Kundschaft überzeugen.  Und in Verhandlungen muss sie sich gegen Männer durchsetzen. "Mit weiblicher Intuition kann man aber viel erreichen. Der Umgangston mit einer Frau basiert auf einem anderen Level. Gerade auf dem Bau. Außerdem habe ich immer die Aufmerksamkeit auf meiner Seite, wenn sie merken, dass ich die Chefin bin", weiß sie heute. Trotzdem: Es ist eine harte, anstrengende Zeit. Manchmal hab ich auf der Fahrt nach Dresden gedacht: Fahr zurück, du packst das heute nicht!"

Annett Hofmann durfte beim Schweißen auch schon mal genauer hinsehen - natürlich ordnungsgemäß mit Schweißer-Helm.  
Annett Hofmann durfte beim Schweißen auch schon mal genauer hinsehen - natürlich ordnungsgemäß mit Schweißer-Helm.   © Matthias Schumann

Heute ist Sabine Lottes angekommen. Die Auftragsbücher sind voll. Die Firma baut bundesweit. Hauptsächlich aber in Sachsen. Balkone, Wintergärten, Haustüren, Fenster, Zäune und Tore, Treppen und Fluchtweg-Anlagen. Ob Arbeitsamt Bautzen, Krankenhaus Kamenz, große Wohnanlagen, die Facebook-Zentrale in Berlin,  Kläranlage bei Müllermilch, Azurit Seniorenheim oder aktuell die Energiefabrik Knappenrode – ihre Firma liefert überall dort ab, wo individuelle Lösungen  gefragt sind.  2021 soll eine neue Stahlbau-Halle errichtet werden. Annett Hofmann  lauscht der Geschichte der Kamenzerin, hinterfragt Dinge.  Sie ist heute nicht nur Schirmherrin, sondern auch  einfach nur eine Frau, die der anderen Respekt  zollt.  

www.adelie-award.de

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