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„Die Provokationen stammen nicht von uns“

René Hein ist AfD-Fraktionschef im Radebeuler Stadtrat. Im Interview spricht er über Bernig-Wahl, Wasapark und Museumserweiterung.

Von Silvio Kuhnert
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René Hein ist 54 Jahre alt und Landtagsabgeordneter. In Radebeul führt er die sechsköpfige AfD-Fraktion an, die seit rund einem Jahr erstmals im Stadtrat vertreten ist. Die Mandatsträger wollen gegen Aufkleber an Straßenmasten vorgehen.
René Hein ist 54 Jahre alt und Landtagsabgeordneter. In Radebeul führt er die sechsköpfige AfD-Fraktion an, die seit rund einem Jahr erstmals im Stadtrat vertreten ist. Die Mandatsträger wollen gegen Aufkleber an Straßenmasten vorgehen. © Norbert Millauer

Herr Hein, ob Bundestag oder Sächsischer Landtag - in beiden Parlamenten ist Ihre Partei jeweils der Oppositionsführer und möchte auch vom Namen her eine Alternative zu den etablierten Parteien bilden. Welche Rolle spielt die AfD-Fraktion im Radebeuler Stadtrat?

Prinzipiell unterscheidet sich Kommunalpolitik sehr stark von der Bundes- und Landesebene. Im kommunalen Bereich geht es nur zu einem sehr geringen Teil um Politikideologie. Es dominieren ganz konkrete Sachfragen, für die Lösungen gefunden werden müssen. Es geht um die Gestaltung des Wohnumfeldes der Radebeuler. Und hierbei versteht sich die AfD-Fraktion als Stimme der Vernunft, wobei es zum Großteil im Stadtrat vernünftig zugeht. Viele Entscheidungen sind einstimmig.

Ich fragte, weil die AfD bisher fast jede Vorlage der Verwaltung mitgetragen hat ...

Die Radebeuler Stadtverwaltung ist gut aufgestellt. Es gibt nicht viel Anlass zum Beanstanden. Wir sind bis jetzt gut behandelt worden. Ein positives Beispiel ist die Debatte um den Haushalt. Die geplanten Einnahmen und Ausgaben sowie Investitionsvorhaben bekamen wir vonseiten der Verwaltung nachvollziehbar präsentiert. In anderen Kommunen wird den Räten dagegen nur eine Exceltabelle mit Zahlen vorgelegt, die sie dann beschließen sollen. Es gibt bislang wenig Kritikpunkte an der Verwaltung. Wenn wir welche finden, werden wir diese auch benennen.

Und wie fühlen Sie sich von den anderen Fraktionen aufgenommen?

Am Anfang wurden wir erst einmal mit Argusaugen angeschaut. Ich persönlich habe nicht das Empfinden, dass hier die AfD ausgeschlossen wird, wie es auf höheren Ebenen üblich ist. Bringt die AfD beispielsweise im Landtag einen Antrag ein, lehnen ihn die anderen Fraktionen automatisch ab. Im Radebeuler Stadtrat redet dagegen im Grunde jeder mit jedem. Man macht auch mal Scherze. Allerdings fanden wir die gesamte Debatte um die Wahl von Jörg Bernig zum Kulturamtsleiter verfehlt. Vor allem weil mit Lügen und Unterstellungen gearbeitet wurde.

Was meinen Sie damit?

Der Fraktionschef der Linken, Daniel Borowitzki, behauptete via Twitter und Co., CDU und AfD hätten einen Neurechten in die Leitung des Kulturamtes durchgedrückt. Wie kommt er zu solchen Mutmaßungen? Es war eine geheime Wahl.

Die Debatte hat einen Riss durch die Radebeuler Gesellschaft offenbart. Auf der einen Seite verweisen viele auf das Ergebnis einer demokratischen Wahl. Andererseits gab es lauten Protest, der zu einer Wahlwiederholung führte, bei der Herr Bernig nicht erneut antrat ...

Der Riss wurde provoziert. Die Provokationen stammen nicht von uns. Von wem kamen denn die Angriffe, von wem das Echauffieren über eine Mehrheitsentscheidung? Es waren Bürgerforum/Grüne/SPD und Teile der Linkspartei. Deren Jugendbrigaden sind sehr ideologisch ihren Parteien verhaftet. Das ist bei Debatten auf kommunaler Ebene doch sehr anstrengend, um es diplomatisch zu formulieren. Die extreme Polarisierung ist nicht durch uns, sondern durch diese politischen Kräfte entstanden. Um noch einmal klarzustellen: Herr Bernig war kein Kandidat der AfD. Ich habe seine Vorstellung im Stadtrat miterlebt und fand sie ganz okay. Dass eine mehrheitlich gefasste Entscheidung, von wem auch immer, wieder rückgängig gemacht werden kann, ist äußerst bedenklich.

Wie möchte die AfD-Fraktion dieser Polarisierung entgegenwirken?

Ganz einfach und wichtig ist, dass man miteinander spricht. Ich rede mit jedem, auch wenn ich die Meinung meines Gegenübers nicht teile. Ein Teil der Gesellschaft kann das scheinbar nicht. Wenn jemand das Gespräch mit einem anderen verweigert, nur weil dessen Standpunkte nicht seinen Positionen entsprechen, zeugt das nicht gerade von einer ausgereiften Persönlichkeit.

Welche Ziele, die sich die AfD im Kommunalwahlkampf 2019 vorgenommen hat, konnte Ihre Fraktion bereits umsetzen, und was möchte sie bis zur nächsten Wahl 2024 noch erreichen?

Wir sehen bei einigen Sachen Handlungsbedarf. So finden wir die doch recht hohen Eintrittspreise zu den Festen der Stadt nicht gut, wie zum Beispiel zum Weinfest. In Meißen, wo die Porzellan-Stadt ein vergleichbar großes Fest zeitgleich auf die Beine stellt, müssen die Besucher keinen Eintritt zahlen. Redebedarf besteht zudem zu verkehrstechnischen Angelegenheiten. Hier ist mir die Debatte zu fahrradlastig. Ordnung und Sicherheit sowie Verschönerung des Stadtbildes liegen uns ebenfalls am Herzen. So wollen wir eine Initiative starten, um gegen Schmierereien sowie gegen die zahlreichen Aufkleber an Straßenmasten vorzugehen.

Apropos Verkehr. Für die Bahnhofstraße liegen drei Varianten zur künftigen Verkehrsführung vor. Welche Option bevorzugt die AfD-Fraktion?

Hier sehen wir Variante null für sinnvoll an. Eine Fußgängerzone hat durchaus Vorteile. Allerdings ist die Bahnhofstraße das Haupteinfallstor für den südlichen Bereich von Altkötzschenbroda. Der Anger ist als touristisches Highlight bei den beiden anderen Varianten von der Meißner Straße aus deutlich schwieriger zu erreichen. Es gibt Gewerbetreibende an der mittleren Bahnhofstraße, die auf Parkmöglichkeiten vor ihren Geschäften angewiesen sind. Auch Kunden möchten gern direkt vor den Läden parken. Das Beibehalten der jetzigen Verkehrsregelung ist für uns daher die vernünftigste Lösung.

Wie steht die AfD-Fraktion zu den Investorenplänen für den Wasapark?

Von dem Thema bin ich direkt betroffen, vielleicht nicht so unmittelbar wie die direkten Anlieger. Aber ich wohne nicht sehr weit weg, und zwar auf der anderen Seite der Meißner Straße. Die jetzigen Bürogebäude stören mit ihrer Größe und ihrem Aussehen das Stadtbild. Es ist eine Bausünde aus den 1970er-Jahren. Dass die Stadt hier versucht, den Missstand zu beseitigen, und einen Kompromiss mit dem Eigentümer anstrebt, ist zu begrüßen. Jede Verhandlungspartei versucht natürlich in dem Prozess, die beste Lösung für sich herauszuholen. Das ist legitim. Ich kann nachvollziehen, dass die spanische Investorengruppe die künftig vermietbare Fläche nicht unter 16.000 Quadratmeter reduzieren möchte. Auf der anderen Seite besteht der Wunsch, an der Stelle eine höhere Lebensqualität zu schaffen, und die Fläche zu einem Wohnstandort zu entwickeln. Die Frage ist, inwieweit ist man zu einem wirklichen Kompromiss bereit.

Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Ein Kompromiss besteht darin, dass beide Seiten von ihren grundsätzlichen Vorstellungen ein Stück weit abrücken. Die bislang gefundene Grobeinigung, wie ich es nennen würde, zwischen Investor und Stadtverwaltung in Form der Pläne, wie sie jetzt vorliegen, ist nicht unbedingt befriedigend. Die neuen Wohnhäuser stehen zu eng beieinander. Das ist keine glückliche Lösung. Jedoch die Alternative wäre, dass alles so bleibt, wie es ist. Das wäre das größere Übel. Man darf in der Debatte nicht vergessen, dass der Investor für Abriss und Neubebauung des Areals viel Geld in die Hände nehmen muss und damit auch ein Risiko eingeht. Wir haben lange in unserer Fraktion darüber diskutiert. Wenn die jetzige Planung im Stadtrat zur Abstimmung stehen sollte, würden wir sie mittragen.

In den Schlagzeilen stand jüngst das Karl-May-Museum. Welche Entwicklung wünschen Sie sich für das Haus?

Ich bin Karl-May-Fan seit frühen Kindheitstagen. Durch sein Leben und Wirken hier in Radebeul ist der Abenteuerschriftsteller eine identitätsstiftende Person für die Stadt. Von daher ist das Karl-May-Museum substanziell. Meine Fraktion hat dem Kauf des Grundstücks der Aral-Tankstelle zugestimmt, damit sich das Museum weiterentwickeln kann. Mich hat schon immer gestört, dass das Karl-May-Museum nicht von der Meißner Straße aus wahrgenommen wird, sondern sein Zugang versteckt liegt.

Das heißt?

Der zentrale Eingangsbereich muss an die Hauptverkehrsader der Stadt. An der Ausführung sehe ich jedoch noch Änderungsbedarf. So einen hypermodernen Neubau für sehr viel Geld zu errichten, wie zuletzt geplant war, passt nicht zu Karl May. Mir schwebt eher eine Art Fort an der Stelle vor, damit die Besucher sofort erkennen, dass es hier um Cowboys und Indianer geht. Wofür es am Ende Mehrheiten gibt, sei mal dahingestellt. Worum es mir aber geht, ist kurzum, dass das Museum erhalten bleibt und durch Umbau und Vergrößerung zukunftsfähig gemacht wird.

Das Gespräch führte Silvio Kuhnert.