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Die erste Görlitzer Schwimmhalle war eine Wasser-Heilanstalt

Eine Serie widmet sich den Sportstätten in der Stadt Görlitz einst und jetzt. Heute: Freisebad

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Von Rainer Menzel

Da werden Kindheitserinnerungen wach, denn nach dem Zweiten Weltkrieg lernten in dem 7 x 15 Meter großem Becken ganze Generationen bei Schwimmlehrerin Steudner und Schwimmlehrer Wenzel.

Die Idee des aus Magdeburg stammenden Sanitätsrates Dr. Walter Freise, der 1887 das Bad als Kaltwasser-Heilanstalt an der Promenade (heute Dr.-Kahlbaum-Allee) eröffnete und Wannen, Dampf- und Heißluftbäder sowie Sole- und Moorbäder anbot, war eine ungeheuerliche Neuerung für Görlitz. Kernstück war das Hallenschwimmbecken mit einem kleinen Sprungturm von unterschiedlichen Höhen, der aber später auf Grund der Sicherheitsvorschriften abgebaut werden musste. Bis zur Errichtung der Volksschwimmhalle 1972 auf der Fichtestraße war 85 Jahre lang das Freise-Hallenschwimmbad für das freie Baden, das orthopädische Schwimmen und für den Vereinssport genutzt worden. Für die Görlitzer Schüler war es neben den Schwimmlagern im Sommer im Helenen- und Volksbad im Winter die einzige Möglichkeit für das Schulschwimmen. Die Görlitzerin Ulrike Richter begann hier ihre leistungssportliche Karriere, bevor sie Weltmeisterin wurde und sich olympisches Gold erschwamm.

Walter Freise erkannte bereits vor rund 125 Jahren die schädigende Wirkung einseitiger Arbeitsbelastung auf die Gesundheit. Diese Erkenntnis hatte für das Industrieproletariat und das fortschrittliche Bürgertum einen hohen Stellenwert. Licht, Luft, Sonne und Wasser waren fortan die Quellen für eine gesunde Lebensweise: „Wenigstens aller acht Tage einmal fort aus der Tretmühle des Lebens, aus dem Alltagsstaub, fort aus dem Dunstkreis der Menschenmassen, die das Stadtleben versklavt hat, fort aus den Steinstraßen!“

Die Heilbadeanstalt, später im Volksmund nur noch Freisebad genannt, weist eine wechselhafte Geschichte auf. 1905 musste Freise auf Grund von materiellen Verlusten das Bad an einen Verein abgeben. Auch dieser kam nicht aus den roten Zahlen, so dass die Stadt ab 1. April 1920 neuer Eigentümer war. Nach 1945 war das Bad wieder ganzjährig geöffnet. Wannen- und Dampfbäder, Massagen, Heilbehandlungen und eine Sauna konnten auf ärztliches Attest kostenfrei genutzt werden. Gewinnbringend konnte das Bad aber nie betrieben werden. Die Betriebskosten erhöhten sich ständig, zumal eine grundhafte Erneuerung aus Steuergeldern auch nach 1990 nicht zu bezahlen war. Dennoch hatte das Freisebad einen gewissen Kultstatus, wohl auch, weil Saunagäste an Wochenenden durch einen Gang das Schwimmbad gleich mit benutzen konnten.

Am 31. März 1996 musste das Bad geschlossen werden. Immer wieder ermahnten Persönlichkeiten, endlich Lösungen zu schaffen, damit die Görlitzer Bürger wie inzwischen in anderen Städten der Oberlausitz ein Frei- und Hallenbad bekommen. Denn inzwischen war auch die Volksschwimmhalle in die Jahre gekommen. Doch bis zum Bau des Neißebades und der Nutzung des Berzdorfer Sees war es ab 1996 noch ein steiniger Weg.