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Der harte Kampf gegen den alten Ruf

SZ-Serie Blick hinter Hoteltüren: Der „Goldene Engel“ ist ein Familienbetrieb.

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Von Jenny Thümmler

Den „Goldenen Engel“ kennt jeder in Görlitz. Und doch keiner. Ja, das ist das kleine Hotel mit Gaststätte an der Hugo-Keller-Straße. Das, zu dem viele schon seit Jahren wieder einmal essen gehen wollen. War doch früher so interessant da, fast verrucht. Manchem wird das Wort „Bumslokal“ in den Sinn kommen. Klaudiusz und Michaela Henke seufzen. „Man wird diesen Ruf einfach nicht los.“ Dabei arbeitet ihre Familie schon seit den 1960er Jahren daran. Als der Großvater von Michaela Henke das Haus 1963 übernommen hat, zog ein neuer Wind ein. Ein Kampf gegen den Ruf der Gaststätte, den sie schon kurz nach dem Krieg hatte. „Aber wenn hier sogar Stadtführer mit Touristen vorbeigehen und die Geschichte erzählen, werden wir das Etikett natürlich nie los“, sagt Klaudiusz Henke. Oft kämen Touristen hinein und meinten: „So schlimm ist es hier doch gar nicht.“ Wirklich freuen können sich die Hotelchefs darüber natürlich nicht.

Seit Juni 2008 führt das Ehepaar Henke Hotel und Gaststätte. Sie haben es von den Eltern von Michaela Henke übernommen, die es einst wiederum nach ihren Eltern weitergeführt hatten. Henkes sind also schon die dritte Generation. Im nächsten Jahr feiern sie das 50-jährige Jubiläum dieser Familientradition. Familie Käubler als zweite Generation hilft bis heute mit.

Klaudiusz Henke hätte noch vor einigen Jahren nicht gedacht, jemals Hotelchef zu werden. Während seine Frau seit ihrer Lehre zur Köchin im Hotel der Eltern arbeitete, fuhr er als Bauleiter durch ganz Deutschland. Immer unterwegs, kaum zu Hause. Bis ein Autounfall mit dem Wunsch der Schwiegereltern zusammenfiel, das Hotel abzugeben. „Da hat meine Frau den Schlussstrich gezogen“, erinnert er sich. „Wir haben uns ja kaum gesehen, ich war immer arbeiten.“

Also teilen die beiden seit 2008 nicht nur das Leben miteinander, sondern auch die Arbeit. Für Klaudiusz Henke war das eine große Umstellung. Sein Leben war früher stressiger, aber auch mit gleichbleibendem Einkom-men verbunden. Im Hotelwesen gibt es gute und schlechte Monate. Mittlerweile aber ist er ruhiger geworden, sagt der 51-Jährige. Beiden ist das Haus ans Herz gewachsen. Sie haben viel gebaut und verändert. 2009 wurde der Hof saniert, im Sommer steht jetzt ein Biergarten dort. Die Gaststätte bekam neue Möbel. Im vergangenen Jahr haben sie die Küche umgebaut und die Internetseite neu gestaltet. Und in diesem Jahr wollen sie die Fassade des Hauses neu streichen. Mit Denkmalschutz kein leichtes Unterfangen. Geplant sind eine helle Terrakottafarbe für das Haupthaus und ein Grau für den Anbau, der dann zum erst neu gemachten Hof passt. „Wir freuen uns darauf, dem Haus ein fröhlicheres Aussehen zu geben. Aber der Schreibkram ist wirklich riesig.“

Die Arbeit in Hotel und Restaurant haben sich die beiden aufgeteilt. Ihr Reich ist die Küche. Hier kocht die 40-Jährige, manchmal gemeinsam mit ihrem Vater, während ihr Mann sich im täglich geöffneten Lokal als Kellner um die Gäste kümmert und allen Papierkram erledigt. Auch für die Gestaltung der Zimmer ist er zuständig. In allen hängen Fotos von Görlitz. Monteure übernachten hier die Woche über. Touristen bleiben meist drei, vier Nächte, manchmal auch zehn. Die vielen Wochenendgäste für maximal zwei Nächte kennen Henkes kaum. Jetzt schmeißen sie den Betrieb allein. In der Hauptsaison sind zwei weitere Mitarbeiter da. Eine davon ist die Zwillingsschwester von Michaela Henke – manchmal zur großen Überraschung der Gäste.

Die beiden Töchter von Henkes sind erwachsen und bislang wenig interessiert, die vierte Generation von Engel-Wirten zu werden. Den Eltern gefällt das natürlich nicht. Zwingen wollen sie ihre Kinder aber nicht. Doch Hoffen ist ja nicht verboten. Michaela Henke lacht. „Vielleicht besinnen sie sich ja noch.“ Irgendwann muss der alte Ruf doch weg sein.

Bislang in dieser Serie erschienen: Dreibeiniger Hund (10.1.), Schwibbogen (20.1.), Europa (25.1.), Zum Goldenen Strauß (2.2.), Tuchmacher (9.2.), Silesia (15.2.), Bon Apart (22.2.)., Zum Hothertor (1.3.).