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Warum sich Pirna weiter verschulden muss

Der Stadtrat hat den Etat für 2023/24 beschlossen. Spielraum bleibt wenig. Um zu investieren, braucht die Stadt neue Kredite. Aber eine Sperre entfällt.

Von Thomas Möckel
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Bürgermeister Markus Dreßler: Es ist gerade nicht die Zeit, um Wünsche und Versprechen zu erfüllen.
Bürgermeister Markus Dreßler: Es ist gerade nicht die Zeit, um Wünsche und Versprechen zu erfüllen. © Daniel Schäfer

Als der Pirnaer Stadtrat Ende 2020 den vom Rathaus selbst als Corona-Haushalt betitelten Etat für 2021/2022 beschloss, war das Zahlenwerk noch mit vielen Risiken behaftet. Vieles ließ sich nur schwer kalkulieren, weil niemand wusste, wie sich die Folgen der Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Steuereinnahme-Verluste auf das kommunale Finanzgefüge auswirken. Pirna sah sich daher gezwungen, jede Ausgabeposition mit einer 14-prozentigen Sperre zu belegen, damit der Haushalt ausgeglichen war. Statt 100 Prozent des Geldes standen also nur 86 Prozent zur Verfügung.

Im neuen Haushalt für die Jahre 2023 und 2024 ist die Sperre jetzt entfallen, angespannt bleibt die Finanzsituation aber weiterhin. Der Stadtrat hatte den Etat kürzlich mit großer Mehrheit beschlossen, es gab nur zwei Gegenstimmen. Den Großteil der Für-Stimmen bekam der Etat hauptsächlich auch aus der Erwägung heraus, dass die Stadt nun mit einem Finanz-Fahrplan handlungsfähig ist. Denn sie ist ohnehin spät dran. Erstmals seit vielen Jahren konnte das aktuelle Zahlenwerk nicht – wie bislang üblich – vor Beginn der neuen Haushaltsperiode beschlossen werden. Nach Aussage von Stadtkämmerin Birgit Erler hätten über lange Zeit Informationen übergeordneter Stellen als Grundlage für realistische Planansätze gefehlt. Auch die Entwicklung der eigenen Steuern als solide Planungsgrundlage sei nur schwer einzuschätzen gewesen.

Nun ist zwar alles eingearbeitet, große Sprünge sind aber nicht drin. Laut der Kämmerin enthalte der Etat nur das äußerst Machbare, das Zahlenwerk sei sozusagen auf Kante genäht. Nach Aussage von Bürgermeister Markus Dreßler (CDU) bleibe Pirna mit dem neuen Haushalt weiter handlungsfähig, bestehende Strukturen könnten erhalten werden. Für weitere Gestaltungsideen gebe es jedoch keine Spielräume. Es sei gerade nicht die Zeit, sagt Dreßler, um Wünsche und Versprechen zu erfüllen. Gleichwohl will die Stadt weiter investieren, was aber nicht ohne neue Schulden funktionieren wird.

Vereinszuschüsse ohne Sperre

Der Ergebnishaushalt - in dem alle Erträge und Aufwendungen für die laufende Verwaltung geplant werden - hat für 2023 und 2024 jeweils ein Gesamtvolumen von jeweils knapp 100 Millionen Euro. Zu den Erträgen zählen beispielsweise Steuern, Gebühren und Zuweisungen, zu den Aufwendungen unter anderem Personalkosten sowie Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen. Doch für beide Jahre steht fest: Die Erträge decken die notwendigen Aufwendungen nicht, für 2023 beträgt das Defizit 3,8 Millionen Euro, für 2024 dann 4,6 Millionen Euro.

Um das Minus auszugleichen, greift Pirna auf die Rücklage zu und braucht andere Vermögenswerte auf. Und damit das Defizit nicht so hoch ausfällt, plant die Kämmerin mit optimistischen Ertragsansätzen, mit moderaten Tarifabschlüssen, mit moderaten Zinsen für neue Kredite und prognostizierten Einsparungen beim Energieverbrauch. Ob das alles tatsächlich so eintritt, kann aber derzeit noch niemand sagen. Um die Erträge zu steigern, plant Pirna, ab 2024 die Gästetaxe von derzeit zwei Euro auf dann drei Euro pro Tag zu erhöhen.

Zwei Dinge bleiben indes vorerst unangetastet. Im Bereich Erträge plant die Stadt vorerst keine Steuererhöhungen, obgleich Pirna als eher steuerschwach eingeschätzt wird. Und im Bereich Aufwendungen zahlt Pirna ab diesem Jahr die Zuschüsse an Vereine – eine freiwillige Aufgabe der Kommune – wieder auf dem Niveau ohne Haushaltssperre.

Pro-Kopf-Verschuldung steigt

Die angespannte Lage im Ergebnishaushalt schlägt sich auf den Finanzhaushalt nieder, aus dem Pirna seine Investitionen bestreitet. Die Stadt will in diesem Jahr 12,2 Millionen Euro und im kommenden Jahr 15,5 Millionen Euro investieren. Doch auch hier decken die erwarteten Einnahmen nicht die geplanten Ausgaben, für 2023 ergibt sich ein Defizit von 3,1 Millionen Euro, für 2024 dann eines von 4,1 Millionen Euro. Generell setzt Pirna bei Investitionen weiter darauf, konsequent Fördermittel zu nutzen.

Das Problem aber ist: Pirna ist mittlerweile außerstande, im Ergebnishaushalt die für die Investitionen sowie für den Abruf der Fördermittel nötigen Eigenanteile zu erwirtschaften. Das bedeutet: Pirna muss neue Kredite aufnehmen, um diese Eigenmittel aufzubringen. Auf diese Weise verschuldet sich die Stadt aber weiter. Ende 2022 betrug der Schuldenstand 11,1 Millionen Euro, das sind 290 Euro je Einwohner. Angesichts neuer Darlehen steigt der Schuldenstand Ende 2024 voraussichtlich auf 21,3 Millionen Euro, das sind 550 Euro je Einwohner. Ein Ende ist auch dann nicht absehbar.

Daraus resultieren eher trübe Aussichten. Laut der Stadt sei die mittelfristige Finanzplanung in den kommenden Jahren aus heutiger Sicht nicht ausgleichbar. Daher müsse Pirna sparen und Aufwendungen reduzieren, doch das Einsparpotenzial sei begrenzt. Zudem gelte es, weitere Erträge zu erschließen. Das gelinge am besten, wenn die als steuerschwach eingestufte Stadt das Steueraufkommen erhöht. So müsse die Stadt neue Einwohner gewinnen und neue Betriebe ansiedeln, weil Pirna dann stärker von der Einkommen- und Gewerbesteuer profitiert.

Um das drohende Finanzdebakel abzuwenden, gibt es aber noch einen weiteren ausschlaggebenden Punkt: Bund und Land, so fordern es Pirna und die Stadträte, müssen dringend die kommunale Finanzausstattung verbessern und sie dem tatsächlichen Bedarf der Städte und Gemeinde anpassen. „Denn“, sagt Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke (parteilos), „Pirna hat kein Ausgabe-, sondern ein Einnahmeproblem.“