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Politik warnt vor Bagatellisierung des Hortskandals in Pirna

In einem Hort einer Pirnaer Grundschule haben Kinder Hakenkreuze gelegt und "Ausländer raus!" gesungen. Die Polizei ist eingeschaltet, Politiker sind erschüttert.

Von Ulrich Wolf & Mareike Huisinga
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Im Hort der Grundschule "Am Friedenspark" in Pirna haben Kinder Hakenkreuze gelegt.
Im Hort der Grundschule "Am Friedenspark" in Pirna haben Kinder Hakenkreuze gelegt. © Karl-Ludwig Oberthür

Pirna/Dresden. Nach den rechtsextremistischen Vorfällen in einem Grundschulhort in Pirna kommen die ersten Reaktionen aus der sächsischen Landespolitik. "Niemand sollte das als Bagatelle oder ,Dumme-Jungen-Streich‘ abtun", sagte die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Luise Neuhaus-Wartenberg. Man müsse "in einer gemeinsamen Kraftanstrengung verhindern, dass (...) der Eindruck entsteht, NS-Symbolik sei ,unproblematisch‘, oder etwas, mit dem man ,mal eben provozieren kann‘, ohne dass dies Folgen hat".

Erschüttert zeigte sich auch der grüne Landtagskandidat für den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Paul Löser aus Sebnitz. Die Geschehnisse zeigten, "dass wir eine stärkere politische und demokratische Bildung bereits im Grundschulalter brauchen, um Kinder für rechtsextremes Gedankengut zu sensibilisieren". Die Gesellschaft müsse der "rechtsextremen Sozialisierung von Kindern" entgegenwirken.

Im Grundschulhort "Am Friedenspark" hatten vier Kinder im Alter von neun bis elf Jahren Anfang Juli mit Bausteinen und Kieseln Hakenkreuze gelegt und auch den Hitlergruß gezeigt. Darüber hinaus soll bereits zuvor das Lied "L'Amour toujours" von DJ D’Agostino in einem Gruppenraum abgespielt worden sein. Daraufhin hätten die Kinder angefangen, zu der Melodie des Liedes die rassistische Parole "Ausländer raus" zu singen.

Der Träger des Horts, die AWO Kinder- und Jugendhilfe gGmbH, ein Unternehmen der Arbeiterwohlfahrt, bestätigte die Vorfälle. "Die Ereignisse haben sich so zugetragen", sagte Sprecher Christopher Colditz. Bekannt geworden war das Geschehene erst am Dienstag. Die Polizei ermittelt wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Da die Kinder jedoch strafunmündig seien, werde die Staatsanwaltschaft über den Fortgang entscheiden, teilte die Polizei mit.

Hort-Praktikant wird nach Vorfall suspendiert

Das durch das sogenannte Sylt-Video bundesweit bekannt gewordene Lied "L'Amour toujours" sei auf Bitten der Kinder in die Playlist aufgenommen worden, erklärte AWO-Sprecher Colditz. Da es sich nicht um ein verbotenes Werk handelt, habe der ehemalige Praktikant, der in den Sommerferien als Ferienjobber aufgrund seiner bis dahin guten Arbeit weiterbeschäftigt worden war, das Lied auf die Playlist gesetzt. Die Kinder hätten von sich aus auf die Melodie die rassistische Parole "Ausländer raus!" gesungen. Ein Erzieher sei dabei nicht in dem Raum gewesen. Mit Bekanntwerden des Vorfalls sei der Ferienjobber suspendiert worden, sagte der AWO-Sprecher.

Die Hortleitung habe sofort die Polizei informiert. Beamten hätten noch am gleichen Tag mit Eltern und Kindern gesprochen. "Im Hort sprachen die pädagogischen Fachkräfte mit den Kindern der betroffenen Klassenstufen über die Vorfälle", sagte Colditz.

AWO duldet keine Form von Rechtsextremismus

Dem Betreuerteam sei derzeit unklar, woher die Kinder die Symbolik kannten und was sie bewogen habe, sie zu benutzen. Der Nationalsozialismus werde in der Regel erst ab Klassenstufe acht behandelt, informierte der AWO-Sprecher. Denkbar sei allerdings, dass die Kinder durch den Konsum von Nachrichten, über soziale Medien im Internet oder im persönlichen Umfeld mit solchen Symbolen zu tun gehabt hätten. Gleiches gelte für die Reproduktion des rassistischen Textes zu "L'Amour toujours".

Die AWO stehe für eine sozial gerechte Gesellschaft und bestimme ihr Handeln durch die Werte des "freiheitlichen-demokratischen Sozialismus". Jedes Kind und jede Familie, egal welcher Herkunft, solle sich wohlfühlen und wertgeschätzt werden. "Wir dulden aus diesem Grund in unseren Einrichtungen in keiner Form nationalsozialistische sowie menschenverachtende und rechtsextreme Texte, Zeichen und Symbole", erklärte Colditz.

Das Hortteam sei besorgt, "dass die Verwendung von Zeichen verfassungswidriger Organisationen bereits in diesem Alter vorkommt." Zum Beginn des neuen Schuljahres werde man die Eltern der Hortkinder einladen, um Fragen zu den Ereignissen zu stellen und Anregungen zu geben, "wie sie ihre Kinder bei diesem Thema begleiten können". Im Hort der Grundschule werden 155 Kinder betreut.