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Nach Eklat in Pirna: Klosterkirche zeigt Ausstellung über Geflüchtete

Weil sie polarisiere, hat das Landratsamt eine Ausstellung eilig wieder abbauen lassen. Initiativen suchten nach einem Alternativort – den es nun gibt.

Von Thomas Möckel
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Ausstellung, hier in der Liebfrauenkirche in Halberstadt: 35 geflüchtete Menschen erzählen ihre Geschichte.
Ausstellung, hier in der Liebfrauenkirche in Halberstadt: 35 geflüchtete Menschen erzählen ihre Geschichte. © privat

Zunächst war alles vorbereitet, der Zeitplan eingetaktet, eigentlich stand nichts mehr im Wege, damit es pünktlich losgehen kann. Mitglieder des Flüchtlingsunterstützerkreises aus dem erzgebirgischen Schwarzenberg hatten am 11. September im Foyer des Landratsamtes in Pirna eine Ausstellung aufgebaut. Diese Schau, federführend initiiert von Lenore und Werner Lobeck, trägt den Titel "Es ist nicht leise in meinem Kopf", 2023 war sie erstmals zu sehen, gezeigt wurde sie bislang in Aue, Halberstadt, Schwarzenberg, Meißen, Chemnitz, auch im Sächsischen Landtag in Dresden.

Die Ausstellung besteht aus großen Tafeln, jede mit Bild und Text, 35 Geflüchtete, unter anderem aus Syrien, Afghanistan und aus afrikanischen Ländern, berichten darin über ihr Leben, ihre Flucht, ihre Ängste und Sorgen, aber auch über ihre Erfahrungen mit dem deutschen Asylsystem und Rassismus in Deutschland. In der Landkreisbehörde sollte die Ausstellung anlässlich der derzeit stattfindenden Interkulturellen Wochen gezeigt werden, die Vernissage war für den 25. September geplant. Doch so weit kam es nicht.

Bereits am Tag nach dem Aufbau ließ das Landratsamt die Ausstellung wieder abbauen, ehe sie jemand offiziell zu sehen bekam. Es habe Beschwerden gegeben, heißt es aus dem Landratsamt. Vom wem sie kamen und worum es sich handelt, wissen die Initiatoren bislang nicht. Einige Sätze der Geflüchteten, so die Landkreisbehörde, hätten den Unmut und das Unverständnis von Bürgern und Mitarbeitern des Landratsamtes hervorgerufen. Die Ausstellung haben gleich nach dem Aufbau polarisiert und für eine aufgeheizte Stimmung gesorgt. Sie sei nicht geeignet, Vorurteile gegen Geflüchtete abzubauen, sondern würde diese eher noch verstärken.

Kaum war der eilige Abbau publik, machte das Thema bundesweit die Runde. Neben Sächsische.de berichteten auch überregionale Tageszeitungen und Fernsehsender darüber. "Es gab so viele Presseanfragen", sagt Lenore Lobeck, "ich habe noch nie so viel telefoniert wie in den zurückliegenden Tagen." Sie und ihr Mann hätten auch viel Zuspruch bekommen, viele zeigten sich solidarisch – so auch in Pirna, wo sich derzeit mehrere Initiativen darum bemühen, dass die Ausstellung doch noch gezeigt werden kann.

Abbau löst Unverständnis, Unmut und Wut aus

Ursprünglich hatte die Pirnaer "AG Asylsuchende" die Schwarzenberger Ausstellung der Beauftragten des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge für Integration und Migration angeboten. Der Verein wollte sie zunächst bei sich zeigen, doch die Räume im Internationalen Begegnungszentrum auf der Langen Straße in Pirna waren dafür zu klein. Deswegen sollte sie im Landratsamt zu sehen sein. "Dass die Behörde die Ausstellung so schnell wieder abgebaut hat, ohne einen Diskurs darüber zu ermöglichen, hat auch bei uns großes Unverständnis, Unmut und Wut ausgelöst", sagt Christina Riebesecker von der "AG Asylsuchende". Wenn der Landrat meine, er spreche mit dieser Entscheidung für die Pirnaer Bürger, so habe er sich geirrt.

Während einige den vom Landratsamt verfügten Abbau der Ausstellung als richtig befürworten, kommt auch heftige Kritik vom Bündnis "Solidarisches Pirna". Die Ausstellung, so das Bündnis, sei schon an mehreren Orten gezeigt worden – ohne öffentlichen Aufruhr, soweit man wisse, sondern mit viel Zustimmung. "Warum konnten und durften sich Besucher dann hier nicht mit den bebilderten Geschichten der Geflüchteten beschäftigen, sie auf sich wirken lassen und sich ihr eigenes Urteil bilden?", fragt Kreisrätin Ina Richter (Die Linke), Mitglied des Bündnisses. Und Dieter Wiebusch (Bündnis 90/Die Grünen) merkt an: "Wieso schlagen die Uhren in Pirna anders, und es entscheidet das Landratsamt über die Inhalte politischer Bildung der hiesigen Bevölkerung?"

Zuvor hatte auch die SPD das Vorgehen des Landratsamtes kritisiert. "Leider wurde mit dem vorzeitigen Abbau die Chance vertan, über die Inhalte der Ausstellung ins Gespräch zu kommen", sagt Ralf Wätzig, Chef der Kreistagsfraktion SPD-Grüne. Ausstellungen würden in der Regel von Veranstaltungen begleitet. Dort biete sich dann die Möglichkeit, sich mit den Inhalten – gern auch kontrovers – auseinanderzusetzen. Auch der Bundestagsabgeordnete Fabian Funke (SPD) äußerte, mit dem vorzeitigen Abbau sei die Möglichkeit einer aus seiner Sicht wichtigen Auseinandersetzung mit dem Geäußerten vertan worden.

Klosterkirche in Pirna: Hier wird die Ausstellung "Es ist nicht leise in meinem Kopf" ab 25. September zu sehen sein.
Klosterkirche in Pirna: Hier wird die Ausstellung "Es ist nicht leise in meinem Kopf" ab 25. September zu sehen sein. © Daniel Förster

Ausstellung ist in der Klosterkirche Pirna zu sehen

Einfach so hinnehmen wollten einige den eiligen Abbau jedoch nicht. Mehrere Initiativen bemühten sich inzwischen um einen Ausweichort. "Für uns stand fest, dass diese Ausstellung in Pirna gezeigt werden muss, getreu dem Motto: Jetzt erst recht", sagt Christina Riebesecker. Anfangs wusste der Verein aber nicht wo, denn es stand nur ein Raum bereit, an dem die Exponate nur an einem Tag zu sehen gewesen wären.

Auch das Bündnis "Solidarisches Pirna" forderte, dass die Ausstellung wie geplant stattfindet, alles andere sei nach Aussage des Zusammenschlusses eine Schande für die Region. Die Ausstellung sei gut für einen Diskurs geeignet, weil geflüchtete Menschen darin über ihre individuellen Erfahrungen im deutschen Asylsystem berichten, die eben ambivalent seien, geprägt von strukturellem und alltäglichem Rassismus sowie von Hilfsbereitschaft und Offenheit. Diese Perspektiven seien wichtig und müssten gehört und gesehen werden.

Das werden sie nun auch: Die Ausstellung "Es ist nicht leise in meinem Kopf" wird in Kürze in der Pirnaer Klosterkirche gezeigt. Nach Aussage des katholischen Pfarrers Vinzenz Brendler habe man sich im Wege der Ökumene mit der evangelischen Kirchgemeinde darauf verständigt, die Exponate im Gotteshaus am Klosterhof zu zeigen. "Das ist so geplant, und dem steht auch nichts entgegen", sagt Brendler. So soll die Vernissage wie geplant am 25. September, 18 Uhr, stattfinden, nur eben an einem neuen Ort. Die Klosterkirche ist tagsüber von 10.30 bis 12.30 Uhr und von 14 bis 16 Uhr geöffnet.

Lobecks sind erleichtert, dass die Ausstellung doch noch in Pirna zu sehen ist. Und die Angelegenheit hat trotz des Abbauzwistes auch eine positive Seite. Es gäbe, erzählt Lenore Lobeck, mittlerweile viele zusätzliche Anfragen von Menschen, die die Ausstellung zeigen wollen, beispielsweise aus Bremen und Köln. Begleitend zu der Ausstellung gibt es auch ein gleichnamiges Buch, die Bestellungen sind in der vergangenen Woche nach oben geschnellt. "Allein am Donnerstag", sagt Lenore Lobeck, "habe ich 13 Bücher verschickt."