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Atelierbesuch in Dürrröhrsdorf-Dittersbach: Verführerisches Spiel der Gegensätze

Um Liebe und Macht geht es in der Ausstellung "Rollenspiele" von Steffen Fischer. Die Bilder entstanden in seinem Atelier in Dürröhrsdorf-Dittersbach.

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In Steffen Fischers Atelier in Dürrröhrsdorf-Dittersbach entstehe die Werke, die er nun in Dresden ausstellt.
In Steffen Fischers Atelier in Dürrröhrsdorf-Dittersbach entstehe die Werke, die er nun in Dresden ausstellt. © Karl-Ludwig Oberthür

Von Lilli Vostry

Eine Frau in rotem Kleid und schwarzem Haar wirbelt zwischen Leidenschaft und Schmerz umher. Eine andere steht von Schmetterlingen umschwirrt hüllenlos da. Die nächste trägt Blüten im Haar, ein türkisblaues Trägerkleid und unter dem lächelnden Gesicht und Arm mit dem schwarzen Glacéhandschuh blitzt eine Pistole hervor. Ein paar Bilder hängen noch an den weiß gestrichenen Wänden in der Scheune, die auf dem Hof von Steffen Fischer in Dürrröhrsdorf-Dittersbach als Lagerraum und Freiluftatelier zugleich dient.

Seine neuesten Arbeiten, Malerei, Zeichnungen, Pastelle und Aquarelle, sind bios Mitte November in einer großen Einzelausstellung unter dem Titel "Rollenspiele" in der Dresdner Galerie Kunst & Eros, Hauptstraße 15, zu sehen. Fischer ist bekannt für seine expressive figürliche Malerei, die sich immer mit Themen der Gegenwart und zwischenmenschlichen Beziehungen auseinandersetzt und gehört zu den herausragenden zeitgenössischen Künstlern in Sachsen.

Der Tango als Sinnbild der Leidenschaft

Im Mittelpunkt seiner Bilder steht das verführerische Spiel um Liebe und Macht. Die vielen Facetten von Weiblich- und Männlichkeit, der Tanz und Kampf der Geschlechter, Gegensätze und Gemeinsamkeiten prallen lustvoll ironisch, deftig, unverblümt, direkt mit allen Reizen und Konflikten im menschlichen Umgang farbkräftig aufeinander in der Ausstellung von Steffen Fischer. Das Titelplakat zeigt ein Tango-Paar. In einem Galerieraum hängen Tanzbilder. Flamencotänzerinnen mit feurigroten, hochfliegenden Röcken und ein nachtblaues Paar beim "Tango noir". Seine Tochter ist eine Flamenca, sie tanzt in der Freizeit. Er selbst tanzte in jungen Jahren gern zu wilder Punkmusik.

Zu diesem Tanzbilder-Zyklus kam Fischer durch die Auseinandersetzung mit dem Stierkampf. "Es ist ein archaischer Kult, bei dem es um Macht, Stärke und Unterwerfung geht, der ursprünglich aus Argentinien stammt und dann nach Spanien kam." Fischer hat Tanzfilme angeschaut. Ihn fasziniert der Widerspruch zwischen Tanz und eingefrorener Bewegung in den Bildern. Im Spiel mit Farbe und Linien fließen Energie und Emotionen in sehr sinnlich weiblichem und lebendigem Körperausdruck zusammen. Gesten, das Zusammenspiel der Körper und beim Tango auch das Rollenspiel erzählen viel über Verführung, Hingabe, Führen und Folgen, Umgarnen und Verbundensein.

Das großformatige Titelbild der Ausstellung hat Fischer frei nach Picasso gemalt. Es zeigt ein Stillleben mit nackten Damen, zu deren Füßen statt einer Melone ein Soldatenhelm und Pistole auf weißem Tuch liegen. Er nennt das Acrylbild "Studie über die Anatomie im Leben bestimmter Frauen, Les Demoiselles d'Avignon". Es geht dabei um den Mensch als Konsument, Körper als Ware und die Frage: Was ist der wahre Mensch? Steffen Fischer nimmt in seinen Bildern reiz- und spannungsvoll Geschlechterrollen-Klischees und männliche Überlegenheitsfantasien auf die Schippe. "Ständig geht es um Gewinnen und Verlieren. Daraus resultiert der Wettbewerb und Kampf", beobachtet der Künstler.

Steffen Fischer spielt mit Geschlechter-Klischees

"Die Frage Krieg oder Frieden geht bei den Geschlechtern Mann und Frau los. Wenn man keine Gewalt anwenden will, muss man andere Umgangsformen suchen." Der Urkonflikt der Macht lasse sich nur lösen, indem Menschen sich auch schwach und verletzlich zeigen. Die Sehnsucht und Suche nach Ganzheit und Verschmelzung der Gegensätze des Männlich-Weiblichen auf einer neuen, produktiven Ebene auf Augenhöhe beschäftigen Steffen Fischer schon seit seinem Studium an der Dresdner Kunsthochschule von 1977 bis 1982. Nahegebracht habe ihm diese Dinge die Künstlerin Angela Hampel. In der Zeit entstanden auch einige gemeinsame Arbeiten.

Der Maler, Grafiker und Installationskünstler Steffen Fischer wurde 1954 in Dohna geboren und ist gelernter Offsetdrucker. Seit 1983 arbeitet er freischaffend als Künstler. Von 1993 bis 1998 hatte er einen Lehrauftrag als künstlerischer Assistent bei den Professoren Horlbeck und Weidensdorfer an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden. Dort hatte er auch sein Atelier. "Das war meine Rettung, und am Wochenende haben wir das Landhaus mit Gehilfen in Dürrröhrsdorf ausgebaut", so Fischer. Anfang der 1990er Jahre verlor er sein Atelier auf der Lößnitzstraße in Dresden, nach der Mieterhöhung als Gewerberaum von einem Moment zum anderen auf 500 DM.

Seit 1997 hat Steffen Fischer sein Atelier- und Wohnhaus in einem ehemaligen Bauerngehöft in Dürrröhrsdorf-Dittersbach. In der Scheune malt er im Sommer oft, in der kalten Jahreszeit dann im Dachatelier mit Holzbalkendecke. Im Haus gibt es auch eine Ferienwohnung. Auf dem Hof wohnt außerdem ein Musikerpaar. Einmal im Jahr veranstalten sie dort zusammen mit Steffen Fischer ein Konzert und steht die Bilder-Scheune offen. Das nächste Mal am 12. September, um 19.30 Uhr. "Mehr als 50 Besucher passen leider nicht rein. Es ist schon ausverkauft", so der Maler.

Im Garten mit vielen Blumen steht ein Nussbaum und in der Nähe eine stattliche, 250-jährige Eiche. "Die hat viel Kraft, wenn der Wind drin liegt in den Riesenwipfeln, klingt das gigantisch und beeindruckend", so Fischer. Fast wäre sie gefällt worden, da eine Straße dort entlang führt und Äste herunterfallen könnten. "Doch da kam noch nie etwas herunter. Wir haben uns geeinigt mit dem Nachbar, der Äste verschnitten haben wollte und gesagt, der Baum ist heilig und schützt uns, weil er Sauerstoff produziert." Gezeichnet hat Fischer die Eiche noch nicht. Er sei kein Landschafts-, sondern mehr ein Kabinettmaler, wo alles nah, voller Figuren und Formen sei und die Geschehnisse im Vordergrund stehen.

Manchmal verbinden sich aber Natur und Figürliches bei ihm wie im Bild "Den Tieren lauschen …", das ein Mädchen neben einem Vogel und einen Stier auf der Wiese sitzend zeigt und auch in der Ausstellung "Rollenspiele" zu sehen ist.