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Nieskys Plan zur Rettung seiner berühmten Holzbauten

Niesky ist bekannt für seine Holzbauten. Die meisten stammen von der Firma Christoph & Unmack. Für viele Nieskyer immer noch ein Begriff. Doch was wird aus den letzten Bauten in der Stadt? Jetzt gibt es Vorschläge dafür.

Von Steffen Gerhardt
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Thomas Schmidt ist Staatsminister für Regionalentwicklung (3. v. l.) und besichtigte die Hetzerbinderhalle vor elf Monaten. Im Hintergrund der wegen Nässeschaden abgestützte Holzbinder.
Thomas Schmidt ist Staatsminister für Regionalentwicklung (3. v. l.) und besichtigte die Hetzerbinderhalle vor elf Monaten. Im Hintergrund der wegen Nässeschaden abgestützte Holzbinder. © André Schulze

Die Stadt Niesky ist nicht nur reich an Holzhäusern, sondern auch an historischen Industriebauten. Mit dem Unterschied, dass die Wohnhäuser in Privathand und damit gut in Schuss sind, während die industriell genutzten Bauten dahin vegetieren und zum Teil leer stehen und dem Vandalismus ausgesetzt sind.

Was sie vereint ist ihre Herkunft. Die Objekte stammen alle aus der Holzbaufirma Christoph & Unmack, die in den 1920er und -30er Jahren den industriellen Holzbau von Niesky aus revolutionierte. Konkret geht es um die große Hetzerbinderhalle, in der C&U seine Holzhäuser vor der Auslieferung zur Kontrolle zusammenbaute und das ehemalige Direktorenhaus von C&U im einstigen Waggonbau-Gelände. Als Drittes die U-förmige Fokorad-Baracke gegenüber dem Möbelwerk. Fokorad steht für die Forschungs- und Konstruktionsgemeinschaft der Reichsleitung des Reichsarbeitsdienstes und der Deutschen Holzbau-Konvention. Sie wurde in den 1930er Jahren in Niesky gegründet. Ihre Aufgabe war es, genormte Holzbaracken zu entwickeln, die im Deutschen Reich produziert wurden.

Das Fokorad-Gebäude in Niesky wurde in den 1940er Jahren für eine Konstruktionsgemeinschaft im Reichsarbeitsdienst gebaut und verfügt auf zwei Etagen über eine Fläche von rund 1.400 Quadratmetern. Heute gehört das Gebäude zum Möbelwerk Niesky.
Das Fokorad-Gebäude in Niesky wurde in den 1940er Jahren für eine Konstruktionsgemeinschaft im Reichsarbeitsdienst gebaut und verfügt auf zwei Etagen über eine Fläche von rund 1.400 Quadratmetern. Heute gehört das Gebäude zum Möbelwerk Niesky. © SZ-Archiv/André Schulze

Fachleute vom Institut für neue Industriekultur, mit Sitz in Cottbus, sind von der Stadt im November 2023 beauftragt worden, alle drei Objekte unter die Lupe zu nehmen und ein "Nachnutzungs- und Entwicklungskonzept für das industriekulturelle Erbe des Holzbaus in Niesky" zu Papier zu bringen.

Der Stadtrat Niesky hat diese Studie in Auftrag gegeben und laut Oberbürgermeisterin Kathrin Uhlemann mit Fördermitteln und aus Preisgeldern der Stadt finanziert. Die Studie ist ein Schritt auf dem von der Oberbürgermeisterin aufgezeigten Weg, wie durch Kommunikation mit den Eigentümern und Unternehmen leerstehende und vom Leerstand bedrohte Flächen und Immobilien nicht verwahrlosen müssen. Am vergangenen Mittwoch wurde das Konzept dem Verwaltungsausschuss der Stadt vorgestellt und am Freitag auf einer Fachtagung im Konrad-Wachsmann-Haus zum (Holz-)baulichen Erbe in Niesky.

An Fläche mangelt es Niesky nicht

Welche Zukunft können die drei Bauten haben? Sebastian Hettchen, der das umfangreiche Konzept zusammen mit Annelie Tschemmer erstellte, spricht von einem Holzbauinnovationsareal in Niesky. Es spannt den Bogen von Nieskys Tradition im industriellen Holzbau in die Zukunft, wo das Bauen mit Holz neu gedacht, entwickelt und umgesetzt wird. "Das Konzept ist die Grundlage für Nieskys aktive Rolle in der Bauwende", so Sebastian Hettchen. In dem Holzbauareal soll nicht nur produziert werden, sondern auch geforscht, entwickelt und ausgebildet.

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Dafür sollen die drei Objekte genutzt und wieder hergerichtet werden. Sebastian Hettchen verspricht nicht zu viel, wenn er sagt, dass sich dieses Holzbauareal "über die nächsten Jahrzehnte zu etwas Ganzheitlichem entwickeln wird". Der Name Christoph & Unmack wird dabei helfen. Mit ihm verbinden sich nicht nur die Biografien vieler Nieskyer, die beiden Firmengründer sind auch in der internationalen Fachwelt ein Begriff. Außerdem hat Niesky ein großes Flächenpotenzial im Norden der Stadt.

Für gut die Hälfte des einstigen Waggonbaugeländes mit einer Größe von insgesamt 44,4 Hektar hat die Stadt einen Bebauungsplan. Laut dem Institut sind auf diesen beiden Flächen noch fast neun Hektar für Ansiedlungen verfügbar. Dazu kommt der eigentliche Waggonbau mit 21 Hektar Fläche, die aber Tatravagonka gehört und als "Potenzialfläche" in die Studie eingeflossen ist. Nicht zu vergessen das benachbarte Gewerbegebiet Nord, dass irgendwann mal kommen soll, und auf dem 15,1 Hektar verfügbar sein werden. Rechnet man das alles zusammen, dann sind das 46,7 Hektar. Eine Fläche, auf der sieben Tropical-Island-Hallen Platz hätten.

Das frühere Direktorenhaus von Christoph & Unmack im ehemaligen Waggonbau-Gelände. Nach der Wende noch genutzt als Firmensitz vom Holzhaushersteller Karibu aus den USA. Dieser versah das Gebäude mit Plastikpaneelen und amerikanischen Fenstern. Inzwischen
Das frühere Direktorenhaus von Christoph & Unmack im ehemaligen Waggonbau-Gelände. Nach der Wende noch genutzt als Firmensitz vom Holzhaushersteller Karibu aus den USA. Dieser versah das Gebäude mit Plastikpaneelen und amerikanischen Fenstern. Inzwischen © SZ/Steffen Gerhardt

Vier Firmen bekunden Interesse

Sebastian Hettchen und Annelie Tschemmer sind nicht nur mit den Holzbauten beschäftigt. Sie haben sich auch nach möglichen Interessenten für die Objekte umgeschaut. Von vier ist derzeit die Rede. Allem voran das Möbelwerk Niesky. Ihm gehören die große Halle und die Holzbaracke, beides wird seit Jahren als Lager genutzt. Dazu kommt die Firma Lorenz aus Taucha bei Leipzig. Ein sächsisches Startup-Unternehmen, das Holzmontagesysteme mit Strohdämmung herstellt. Es sucht eine Produktionshalle für eingeschossige Modulwände. Triqbriq ist ein Unternehmen, dass sich dem massiven Holzbau verschrieben hat und in Stuttgart ansässig ist. Niesky wäre ein Standort, um mit weiteren Holzbauakteuren zu kooperieren, vor allem bei Forschung und Entwicklung. Der Nieskyer Holzdesigner Alexander Fromme sucht Flächen für einen überdachten Spielplatz, natürlich mit seinen Spielgeräten aus Holz.

Ein Blick in das Innere des einstigen Direktorenhauses von Christoph & Unmack. Inzwischen ist das in Holzständerbauweise errichtete Haus durch Vandalismus sehr zerstört.
Ein Blick in das Innere des einstigen Direktorenhauses von Christoph & Unmack. Inzwischen ist das in Holzständerbauweise errichtete Haus durch Vandalismus sehr zerstört. © SZ/Steffen Gerhardt

Wie könnte das Holzbauinnovationsareal funktionieren? Die Konzeptersteller schlagen eine Entwicklungs- und Betreibergesellschaft vor. Gegründet von der Stadt, dem Landkreis und dem Freistaat, die dann auch die Gesellschafter wären. Die Gesellschaft kauft, saniert und betreibt die drei Objekte und die Nutzer mieten sich ein.

Die Sanierung soll über Förderprogramme von Bund und Land laufen. Damit verbunden ist die nächste Frage: Was kostet die Inwertsetzung des Industrieerbes? Die Antwort darauf gibt Annelie Tschemmer. Alle drei Objekte wurden auf ihren Zustand untersucht. Während es bei der Halle und der Baracke vorwiegend die Nässe ist, die den beiden Gebäuden arg zusetzt, ist es im Verwaltungsgebäude der Vandalismus.

Eine der historischen Werkhallen des Waggonbaus Niesky. Bis zur Wende war hier die Abteilung Holzbau untergebracht. Heute im Eigentum und Lagernutzung vom Möbelwerk Niesky. Auch diese Hallen zählen zum industriekulturellen Erbe der Stadt.
Eine der historischen Werkhallen des Waggonbaus Niesky. Bis zur Wende war hier die Abteilung Holzbau untergebracht. Heute im Eigentum und Lagernutzung vom Möbelwerk Niesky. Auch diese Hallen zählen zum industriekulturellen Erbe der Stadt. © SZ/Steffen Gerhardt

Instandsetzung kostet Millionen

"Unsere Kostenschätzung bezieht sich auf eine nutzungsoffene Gebäudesanierung mit Schwerpunkt auf Schutz und Erhalt der Bausubstanz", betonte Annelie Tschemmer. Bei der Hetzerbinderhalle kämen Kosten von rund 1,9 Millionen Euro zusammen. Die Fokorad-Baracke wird auf 1,36 Millionen Euro geschätzt und das Verwaltungsgebäude auf knapp 590.000 Euro. Mitbetrachtet wurde als Option die an die Binderhalle angrenzenden vier Produktionshallen. In diesen war vor der Wende vorwiegend der Holzbau des Waggonbau-Werkes untergebracht. In sie müssten 4,6 Millionen Euro investiert werden. Unterm Strich macht das einen Betrag von 8,45 Millionen Euro aus, um diese Bauwerke wieder ihrer Nutzung zuzuführen.