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Nachhaltiger Familienurlaub in der Schweiz: Auf zum roten Leuchtturm in den Alpen

Mit „Swisstainable Kids“ legt Schweiz Tourismus gemeinsam mit den Reka-Feriendörfern ein neues Angebot für nachhaltigen Familienurlaub auf.

Von Nora Miethke
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Auf dem Oberalppass in der Schweiz markiert ein roter Leuchtturm den Ursprung des Rheins.
Auf dem Oberalppass in der Schweiz markiert ein roter Leuchtturm den Ursprung des Rheins. © Nora Miethke

Das Pflücken der Blumen und Gräser ist schon die erste Herausforderung. Nicht einfach die Pflanzen umknicken und abreißen, wir sollen sie mit einer kleinen Schaufel ausgraben samt der Wurzeln. Das ist gar nicht so einfach, denn da sieht man erst, wie tief verwurzelt die kleinen Pflänzchen in der Erde sind. Nach wenigen Minuten fliegt die Schaufel scharf an meinem Ohr vorbei ins Gras. Mein zehn Jahre alter Sohn gibt entnervt auf.

Wir sind im Reka-Feriendorf Disentis und dürfen schon einmal vorab das Programm „Swisstainable Kids“ – ein neues Angebot für nachhaltigen Familienurlaub – testen. Es soll erstmals im August in den zwei Feriendörfern Disentis und Sörenberg auf spielerische Art das Interesse der Kinder an der Natur und Umweltschutz wecken, aber vor allem für schöne Erinnerungen an den Urlaub in den Bergen sorgen.

Entwickelt wurde die Idee von den Müttern im Schweiz Tourismus-Büro für den deutschen Markt, weil zum einen immer mehr deutsche Mütter Wert auf Nachhaltigkeit legen, zum anderen das Geschäft in der Nebensaison angekurbelt werden könnte. In Disentis, wo der Rhein entspringt, was kaum ein deutsches Kind weiß, wird sich vieles um das Thema Wasser drehen, in Sörenberg um die Geheimnisse von Mooren und ihre Bedeutung für die Biodiversität.

Die Gräser und Blumen vom Bach sind für die Gestaltung eines Wasserkreislaufs in einem großen Einweckglas bestimmt. Erst schaut mein Sohn gelangweilt zu, dann ist er der Erste in der Gruppe, der Kies, Sand und Erde in sein Glas schaufelt. Behutsam drückt er die gesammelten Pflänzchen in die Erde, setzt ein Schneckenhäuschen als Dekoration hinein und zum Schluss kommt Frischhaltefolie als Himmel obendrauf. In den folgenden Tagen sollen die Kinder nun beobachten kommen, wie der Wasserkreislauf in dem großen Einweckglas funktioniert.

Spielerisch sollen die Kinder Fragen rund um Umwelt und Klimaschutz auf den Grund gehen wie etwa der, wie ein Wasserkreislauf im Glas funktioniert.
Spielerisch sollen die Kinder Fragen rund um Umwelt und Klimaschutz auf den Grund gehen wie etwa der, wie ein Wasserkreislauf im Glas funktioniert. © Nora Miethke

Existenziell ist das Wasser auch für die Schifffahrt auf dem Rhein. Den berühmten Fluss lernen die Kinder aber nicht über eine Bootsfahrt kennen, sondern über etwas in der Sonne Glänzendes. Was das ist, verrät der Esel, der auf der Fassade des Feriendorfs hängt. Er spuckt Goldtaler aus. Vom ersten Mai bis 15. September darf man im Rhein Gold waschen.

Nach 30 Jahren Schatzsuche haben Priska Berther und Sandro Cavegn ein scharfes Auge entwickelt, um den kleinen Trüffelschweinen in Gummistiefeln dabei zu helfen, die winzigen Goldpartikel in der Waschpfanne zu finden. Das größte Stück, das Priska je gefunden hat, war Daumennagel groß. Dafür hat sie monatelang mit ihrem Mann in dem eiskalten Rheinwasser gestanden und immer wieder an der gleichen Stelle im Flussbett gegraben. „Goldwaschen ist körperlich schwere Arbeit“, sagt sie und greift sich wie zum Beweis an den Rücken.

Seit 2005 bieten sie naturnahe Erlebnisse wie Goldwaschen und Kristalle suchen am Jungrhein an. Den Kindern und Eltern, die vor ihr in Gummistiefeln wie von den vier Musketieren stehen, ruft sie zu: „Dann wünschen wir euch volle Pfanne und gut Gold“.

Zwei Stunden später steht mein erschöpfter Sohn mit leuchtenden Augen vor mir und stöhnt: „Auch wenn ich nichts gefunden habe, war es toll. Das hat Spaß gemacht.“ Das Mutterherz ist beglückt, zu sehen, dass die Frustrationsschwelle beim Nachwuchs doch höher ist als geglaubt. Unermüdlich hat er im kalten Flusswasser gestanden, mit klammen Fingern Steine und Erde sortiert und hoch konzentriert die blaue Waschpfanne kreisen.

Auch wenn die kleinen Goldschürfer kein Edelmetall entdecken, dann vielleicht die Ruhe in der Natur, wo sie vor sich hin buddeln und dem Plätschern des Wassers wie Rauschen der Bäume am Ufer zuhören können. Viele Stammgäste im Disentis kommen jedes Jahr, um das drei Wochen lang zu machen.

Für Sandro hat das Goldwaschen durchaus etwas mit Nachhaltigkeit zu tun. „Wir säubern das Flussbett und zeigen, wozu Wasser alles gebraucht wird“, sagt er.

Priska Berther zeigt geduldig, wie die die Gesteine im Flussbett zu sortieren sind. Sie bietet über ihre Firma Aurira GmbH Kurse im Goldwaschen im Jungrhein an.
Priska Berther zeigt geduldig, wie die die Gesteine im Flussbett zu sortieren sind. Sie bietet über ihre Firma Aurira GmbH Kurse im Goldwaschen im Jungrhein an. © Nora Miethke

Im Sommer könne man die Rheinquelle mit einem Schritt überspringen, erzählt uns Priska. Eineinhalb Stunden würde die Wanderung vom Leuchtturm auf dem Oberalppass zum Tomasee dauern. Dort beginnt die 1.230 Meter lange Reise des Rheins. Doch der Weg ist nur wenige Wochen und Monate im Jahr zu laufen, abhängig vom Schneefall und der Witterung im Frühjahr.

Dieses Jahr hat es noch im Mai in Disentis geschneit, Ende Juni ist noch zu viel Schnee auf den Bergen und so müssen wir uns mit der Zugfahrt begnügen. Als wir auf dem Oberalppass aus dem Zug steigen, erwarten uns weite Schneefelder. Unter den Sohlen knirschen die eisigen Kristalle und das mitten im Sommer. Und mitten im Schnee steht der höchstgelegene Leuchtturm der Welt auf 2.046 Metern über dem Meeresspiegel. Er ist eine Kopie des berühmten Leuchtturms, der an der Mündung des Rheins in Hoek van Holland 70 Jahre lang seinen Dienst versehen hat. Das Original steht heute im Rotterdamer Maritim-Museum. Dieser Nachbau soll eine erste Brücke vom Anfang zum Ende des Rheins schlagen und den Wunsch wecken, einmal zur Quelle des Flusses zu reisen, der das Leben so vieler Millionen Menschen prägt.

Schweiz positioniert sich als nachhaltiges Urlaubsland

Wer sich darauf einstellt und auch etwas Geduld mitbringt, kann nicht nur mit der Bahn anreisen, sondern auch vor Ort alles mit Bus und Bahn erreichen. Am besten eignet sich das für Familien mit Kindern, die ihren Rucksack schon allein tragen können. Die Schweiz will zeigen, wie nachhaltiger Familienurlaub gehen kann. Und das fängt schon bei der Unterkunft an.

Die Schweizer Reisekasse-Reka ist eine nicht gewinnorientierte Genossenschaft, die es sich seit ihrer Gründung 1939 zum Ziel gesetzt hat, erschwinglichen Urlaub für Familien in der Schweiz zu ermöglichen. Rund 1.000 Familien in sozial schwierigen Verhältnissen bekommen eine Woche Ferien zum Preis von 200 Schweizer Franken spendiert. Als Swisstainable-Betrieb setzt sich Reka aber auch aktiv für Ökologie, das Schonen der Ressourcen, Regionalität und Barrierefreiheit ein. Durch Eigenstromproduktion etwa ist es gelungen, den Gebäudeausstoß von CO2 seit 2010 mehr als zu halbieren.

Im Reka-Feriendorf Disentis herrscht nicht nur Goldgräberstimmung. Dort wird auch verstärkt auf Nachhaltigkeit gesetzt, von der Energiegewinnung bis in die Küche.
Im Reka-Feriendorf Disentis herrscht nicht nur Goldgräberstimmung. Dort wird auch verstärkt auf Nachhaltigkeit gesetzt, von der Energiegewinnung bis in die Küche. © Nora Miethke

Auch die Anlage in Disentis ist energieeffizient konzipiert: im Selbstbedienungs-Kiosk, der auf Vertrauensbasis funktioniert, werden Joghurt, Eier und Käse von den Bauern aus der Nachbarschaft verkauft, das Bier stammt aus der Klosterbrauerei im Ort. Und im Rekalino-Kinderclub wird das Plastikspielzeug verbannt. „Wir versuchen, mehr mit Holz zu machen und mit den Kindern mehr nach draußen zu gehen“, betont Feriendorf-Chef Rene Fischer.

„Swisstainable“ wurde 2021 von Schweiz Tourismus mit der Hochschule Luzern als Nachhaltigkeitsprogramm „von der Branche für die Branche“ entwickelt. Es unterstützt touristische Betriebe dabei, Nachhaltigkeit in der Praxis umzusetzen.

Vor uns steht ein Holzbaukasten, aus dem innerhalb einer Stunde ein Insektenhotel gezimmert wird. Mit Bedacht werden die einzelnen „Zimmer“ mit Baumrinde, Moos, Tannenzapfen und Reisig ausgelegt, um Bienen und Schmetterlinge anzulocken oder auch um Ohrwürmern und Marienkäfern eine Schlafstatt anzubieten. Nach einer Woche stehen wir voll bepackt – mit Wasserkreislauf-Glas und Insektenhotel auf dem Bahnhof. „Das Glas kommt mit nach Hause, das Insektenhotel stelle ich in Omas und Opas Garten auf. So haben alle etwas davon“, sagt mein Sohn und ist voll zufrieden, nicht nur mit seiner Entscheidung.

Für Kurzentschlossene:

  • Die Pilotwochen des Swisstainable-Kids-Programms finden vom 17. bis 24. August im Reka-Feriendorf Disentis und vom 24. bis 31. August im Feriendorf Sörenberg statt. Familien können das neue Reisepaket individuell dazu buchen. Kinder zahlen umgerechnet etwa 126 Euro und Erwachsene 178 Euro.
  • Außerhalb der Schulferien sind die Reka-Feriendörfer auch über Booking.com zu buchen.
  • Weitere Infos und Buchung unter: myswitzerland.com/swisstainablekids