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Zu viele tote Kinder in Dresden

In wenigen Jahren wurden in Dresden sieben Kinder von ihren Vätern ermordet. Nun ist ein Hilfsprojekt in Planung.

Von Alexander Schneider
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Kerzen und Plüschtiere als Anteilnahme für den gewaltsamen Tod zweier Kinder: In einem Haus in der Stetzscher Straße in Dresden soll ein Vater im Mai 2019 seinen Sohn und seine Tochter erwürgt haben.
Kerzen und Plüschtiere als Anteilnahme für den gewaltsamen Tod zweier Kinder: In einem Haus in der Stetzscher Straße in Dresden soll ein Vater im Mai 2019 seinen Sohn und seine Tochter erwürgt haben. © Archivfoto: Christian Juppe

Am Dienstag endet am Landgericht Dresden der Prozess gegen einen 56-jährigen Mann, der seine beiden Kinder getötet hat. Der Tod des zweijährigen Mädchens und ihres fünfjährigen Bruders im Mai 2019 steht in einer Reihe mit fünf weiteren Morden von Vätern aus Dresden seit 2015. Immer hatten die Täter nach Trennungen die Mütter bestrafen wollen. Von Einzelfällen mag man nicht mehr sprechen, zumal es verhängnisvolle Zusammenhänge gibt.

Im September 2015 hat ein damals 46-Jähriger seine Kinder, einen Jungen (5) und ein Mädchen (4), auf der Bundesstraße 6 ermordet. Er hatte an jenem Tag das Umgangsrecht und war mit den Kindern im Auto gegen einen Baum gerast. Der Täter hatte nicht damit gerechnet, den geplanten Unfall zu überleben. Im Januar 2018 hatte ein damals 36-jähriger Mann in Dresden-Gorbitz seine dreijährige Tochter übers Wochenende – und erwürgte sein ihm anvertrautes Kind. Den Abschiedsbrief mit vielen Vorwürfen an die Kindesmutter hatte er vor der Tat in die Post geworfen.

Im Juli 2018 hat ein 55-jähriger Altenpflegehelfer seine beiden Töchter (3 und 6) mit Gymnastikkeulen erschlagen. Seine Frau hatte sich von ihm getrennt, war einige Wochen im Frauenschutzhaus und hatte gerade mit den Mädchen eine eigene Wohnung bezogen. An jenem Sonnabend waren die Kinder wie geplant bei ihrem Vater in Dresden-Gorbitz.

Diese drei Männer wurden bereits wegen Mordes zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Laurent F. droht nun ebenfalls lebenslänglich. Auch er erwürgte seine Kinder. Seine Ehefrau hatte den 56-jährigen Franzosen nach gewalttätigen Übergriffen mit den Kindern verlassen.

Der fünfjährige Sohn von Laurent F. hatte sich im Frauenhaus mit den Schwestern aus Gorbitz angefreundet. Angeblich hatte er seinem Vater auch davon erzählt, dass die Mädchen getötet worden waren. Laurent F. hatte kurz vor seiner Tat im Landgericht Dresden sogar den Prozess gegen den Altenpflegehelfer, den 57-jährigen Mosambikaner Eduardo A., besucht. Das belegt ein Foto aus dem Gericht, dass auf F.s Handy gefunden worden ist.

Sieben tote Kinder aus Dresden in nur fünf Jahren. Sozialpädagoginnen der Opferhilfe Sachsen haben alle fünf betroffenen Mütter in die Gerichtsprozesse begleitet. Sie berichten von großen Ähnlichkeiten dieser Fälle, so jedenfalls ihr Eindruck. Stets hätten die Väter die Trennung ihrer Frauen als massive Kränkung erlebt und nicht verkraftet. Zur Kränkbarkeit komme die Einstellung der Väter, die Frau habe ihnen gegenüber gefügig zu sein. Die bewusste Trennung der Frauen erlebten die Männer als Machtverlust. Die Täter in diesen Fällen eine, dass sie überhaupt nicht begriffen hätten, dass ihre Frauen ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben haben, vermutet etwa Sozialpädagogin Sabine Wutzler.

Auch dass diese Väter ohne große Probleme ihr Umgangsrecht wahrnehmen konnten, kritisieren die Sozialpädagoginnen. Es mangele die Einsicht, dass auch die Kinder Opfer der vorangegangenen häuslichen Gewalt geworden seien. Selbst wenn sie selbst nicht körperlich verletzt worden seien, so hätten sie die Übergriffe gegen ihre Mütter doch hautnah miterlebt. „Psychisch sind die Kinder in jedem Fall verletzt worden“, sagt Sabine Wutzler.

Diese Einschätzung teilt auch Sylvia Müller von der Dresdner Interventions- und Koordinierungsstelle für Opfer häuslicher Gewalt (DIK). Die Dresdner Sozialarbeiterinnen hoffen auf ein neues Netzwerk, um Gefahren schneller zu erkennen. Ein entsprechender Leitfaden für ein Rahmenkonzept wird seit 2017 im sächsischen Innenministerium erarbeitet. Polizei, Justiz und Vereine wie die DIK oder die Opferhilfe sollen sich interdisziplinär mit solchen Fällen befassen können, ähnlich wie Fallkonferenzen in der Jugendhilfe.

„Ziel ist es, Gefahren zeitig zu erkennen“, sagt eine Sprecherin des Landeskriminalamtes Sachsen (LKA), das die Leitung dieses „Managementverfahrens für Hochrisikofälle im Bereich häuslicher Gewalt und Stalking“ übernehmen soll.

Während in anderen Bundesländern solche Netzwerke bereits ihre Arbeit aufgenommen haben, ist das sächsische noch im Entwurfsstadium. Es müssen noch einige Details geklärt werden, etwa der Datenschutz, sagt ein Polizeisprecher.