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TSMC-Ansiedlung im Dresdner Norden: Ist Coswig vorbereitet?

Wenn 2027 ein neues Chipindustriewerk im Dresdner Norden voraussichtlich startet, hat das Auswirkungen auf die Nachbargemeinden. Coswig könnte vom Zuzug der neuen Arbeiter profitieren.

Von Martin Skurt
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Die TSMC hat wahrscheinlich eine Auswirkung auf den Wohnungsmarkt in Coswig. Das freut die Stadtverwaltung, Investoren und Wohnungsunternehmen, die schon jetzt vorbereitet sind.
Die TSMC hat wahrscheinlich eine Auswirkung auf den Wohnungsmarkt in Coswig. Das freut die Stadtverwaltung, Investoren und Wohnungsunternehmen, die schon jetzt vorbereitet sind. © Claudia Hübschmann/dpa/SZ-Montage

Coswig. Die Ansiedlung von TSMC in Dresden markiert einen bedeutenden Wendepunkt für die gesamte angrenzende Region, und insbesondere für umliegende Städte wie Coswig. Im August gab es den ersten Spatenstich für das Dresdner Chipwerk. TSMC baut hier gemeinsam mit Bosch, Infineon und der nXP-Gruppe unter dem Namen ESMC eine neue Fabrik. Den Taiwanern gehören 70 Prozent der Anteile davon.

Mit der Schaffung von 2.000 neuen Arbeitsplätzen bis zum Fabrikstart 2027 und der Erwartung eines Zuzugs von bis zu 27.000 hoch qualifizierter Fachkräfte steht die Region vor enormen Herausforderungen. Dresden kann dies nicht allein stemmen, deswegen lud die Stadt gemeinsam mit Staatskanzlei, Regionalministerium und der Erlebnisregion Dresden im April zu einer Standort- und Investorenkonferenz in Radebeul ein, an der Bürgermeister, Landräte sowie regionale Planer und Verbände teilgenommen haben. Eine weitere fand jüngst in Weinböhla statt. An dieser nahm auch Oberbürgermeister Thomas Schubert teil und durfte das städtische Potenzial als eine von zwölf Gemeinden vorstellen.

Oberbürgermeister: "Wir sind gewappnet"

Als möglicher Wohnort für Fachkräfte aus der Chipindustrie hat die Stadt eine strategisch günstige Lage: In nur 15 Minuten ist das Werk mit dem Auto und in der Regel ohne Stau erreichbar. Schubert hebt hervor, dass Coswig durch seine preislich erschwinglicheren Wohnungsangebote, im Vergleich zu Dresden, einen weiteren Wettbewerbsvorteil hat. Der derzeit geplante Mix aus Mietwohnungen, Eigentum und sanierten Altbauten könnte es ermöglichen, verschiedene Bedürfnisse der neuen Bewohner zu decken. Daneben punktet die Stadt mit allen Schularten, ausreichend Kitas sowie genügend Freizeitangeboten. "Wir sind gewappnet", meint der Oberbürgermeister.

Aber: "Nicht wir entwickeln die Bebauungspläne, sondern die Investoren", sagt er. Die seien seiner Ansicht nach auch erfolgreich, erklärt er beispielhaft an den 2023 fertiggestellten Kötitzer Stadtgärten. Interessanterweise stammen dort nur etwa 30 Prozent der Mieterinnen und Mieter aus Coswig. Der Rest kommt aus Dresden, Hamburg, München oder Frankfurt. Nach Ansicht von Sascha Hippe, Ökowert-Geschäftsführer und damit Bauträger, könnte das zu einem gewissen Teil an der boomenden Chipindustrie in Dresden liegen. Denn mit solchen Wohnungen möchte er diese Menschen mit attraktivem Wohnraum nach Coswig ziehen. "Ich habe mich bereits 2014 für die Standorte Coswig und Weinböhla entschieden, da in diesen Regionen das meiste Potenzial für Mieter aus dem Silikon Saxony liegt. Mit der Vermietung der Kötitzer Stadtgärten in Coswig wurde dieser Trend bestätigt."

Die Wohnraumentwicklung durch private Investoren wie Ökowert zeigt, dass sich die Stadt für den Wohnungsbau noch lohne. "Coswig wird in den nächsten Jahren mit Ökowert circa 300 Wohnungen dem Mietmarkt und damit der Chip-Industrie zur Verfügung stellen", sagt Hippe. In Dresden sieht der Immobilienmarkt "mehr als schlecht aus. Investoren halten sich zurück, da hohe Zinsen, Baukosten und energetische Auflagen den Neubau unattraktiv machen", so der Coswiger. Die Landeshauptstadt "ist zwar für Mieter interessant, jedoch muss man viel mehr Zeit für den Arbeitsweg einplanen, durch Stau auf Autobahn und Zufahrtsstraßen in der Berufszeit".

Tatsächlicher Wohnungsbedarf noch unbekannt

Trotz dieser Potenziale gibt es aber auch ein paar Herausforderungen für Coswig. Der Wohnungsmarkt scheint noch relativ entspannt zu sein, wie Dr. Henri Lüdeke von der WBV Wohnbau- und Verwaltungs-GmbH (WBV) Coswig betont. Mit einem Leerstand von rund zehn Prozent könnte die Stadt auf die steigende Nachfrage reagieren. "Wir sind vorbereitet und können kurzfristig bis zu 250 Wohnungen bis 2025 bereitstellen", sagt er. Doch langfristig ist für ihn nicht deutlich, welche Art von Wohnungen am meisten gefragt sein wird – größere Familienwohnungen oder kompakte Einheiten für internationale Fachkräfte. Diese Unklarheit spiegelt eine allgemeine Unsicherheit, da von den Unternehmen bisher keine präzisen Bedarfsangaben gemacht worden sind.

Thomas Schubert weist zusätzlich darauf hin, dass eine Busverbindung vom Spitzgrund in den Dresdner Norden in Coswig noch fehle, auch wenn die Stadt sonst gut nach Dresden angebunden ist: durch mehrere Zugverbindungen, eine Straßenbahn und die S80 beziehungsweise S81 im Nordwesten.

Coswiger Wohnungsunternehmen vernetzt sich

Ein weiteres zentrales Thema ist die künftige regionale Zusammenarbeit. Die geschaffene Standortkonferenz für den Dresdner Norden unterstreicht die Bedeutung der Kooperation zwischen den umliegenden Städten und Gemeinden. Schubert sagt, dass sich manche eine koordinierende Hand wünschen, die die unterschiedlichen Akteure effizient zusammenführt. Das funktioniere aus seiner Sicht allerdings nicht beim Thema Wohnungen. "Die Menschen suchen selbst und nehmen sich zum Beispiel sogar einen Makler", sagt er. "Es wird unser Glück und Erfolg sein, an die Wohnungssuchenden irgendwie heranzukommen."

Er vertraut dabei den großen Coswiger Wohnungsunternehmen wie WBV und WGC. Sie kennen sich aus und wissen, wie sie ihren Leerstand vermarkten. "Wir bereiten gerade die Zweisprachigkeit der Homepage vor", sagt Lüdeke wiederum. "Zudem denken wir über sogenannte Voice-Bots nach, die könnten auch Chinesisch." Ende September findet wieder das halbjährliche Treffen der Vertreter der kommunalen Wohnungsgesellschaften des Landkreises statt, diesmal in Coswig. "Dort werden wir weitere gemeinsame Ansätze diskutieren", sagt der WBV-Geschäftsführer. Ebenso ist das Unternehmen mit Ökowert im Austausch, laut Aussagen des Oberbürgermeisters.

Dieser sieht deshalb die Stadtverwaltung nicht in der Verantwortung, Wohnungen zu vermarkten. Zudem gibt es nur wenige Objekte, wie die vier Grundstücke an der Weinböhlaer Straße neben dem Olympia, die Coswig selbst veräußern könne. Zwei davon sind aber schon verkauft. "Wir sind in der Hinsicht der kleinste Player, was die Wohnungsangebote angeht", sagt er. Machtlos ist die Verwaltung trotzdem nicht. Sie könne sich in den nächsten Monaten darauf konzentrieren, die begonnenen Bauprojekte schnellstmöglich zu Ende zu bringen. "Wir müssen uns fokussieren und nicht nur anstoßen, sondern auch fertigbringen."