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Kommentar zur Krise im Baugewerbe: Bauen muss wenigstens einfacher werden

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Das gefährdet Arbeitsplätze. Wenn sich an den Kosten gerade nicht viel ändern lässt, dann bitte an den Normen. Ein Kommentar.

Von Georg Moeritz
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Bagger, Kräne, Bauzäune: In Dresdens Innenstadt dreht sich viel. Aber Sachsens Baubranche schrumpft. Was jetzt passieren muss.
Bagger, Kräne, Bauzäune: In Dresdens Innenstadt dreht sich viel. Aber Sachsens Baubranche schrumpft. Was jetzt passieren muss. © SZ/Georg Moeritz

Wir bauen auf und reißen nieder, Arbeit ham wir immer wieder. Diese goldene Regel der Baubranche ist plötzlich nichts mehr wert. Sachsens Baugewerbe hat innerhalb eines Jahres 2.700 Arbeitsplätze abgebaut. Das heißt, jeder 40. Bauarbeiter in Sachsen wurde nach Ansicht seiner Chefs überflüssig oder unbezahlbar. Es gibt gerade nicht Aufträge für alle.

Das heißt natürlich nicht, dass nun die gesamte Hoch- und Tiefbaubranche vor dem Aus steht. Unmittelbar neben dem Dresdner Rathaus drehen sich gerade sieben große Kräne. In Leipzig entsteht ein Siebenstöcker mit 76 Mietwohnungen fast komplett aus Holz. Mehrere Mikrochip-Konzerne investieren in Fabrikbauten in Dresden, und der Freizeitpark in Freital plant eine Sommerrodelbahn. Es gibt immer was zu tun.

Für dieses Jahr sind viele kleinere Baubetriebe noch gut ausgelastet, die Rezession ist längst nicht überall zur Krise geworden. Aber nach jahrelangem Aufschwung und Bauboom ist die Nachfrage kräftig zurückgegangen. Ein Bauunternehmer aus der Nähe von Görlitz berichtet, dass er keine neuen Aufträge für Massivhäuser mehr hereinbekommt. Ein anderer beobachtet, dass Bauherren ihre Projekte verschieben – das ist immerhin besser als aufgeben.

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Vonovia lässt Baupläne erst mal in der Schublade

In Sachsen ist die Zahl der Baugenehmigungen im ersten Halbjahr um 44 Prozent zurückgegangen. Wohnungsgenossenschaften schoben kaum noch Projekte an. Die ostdeutschen Sparkassen bewilligten im ersten Halbjahr Wohnungsbaukredite von insgesamt 2,4 Milliarden Euro. Das ist viel Geld, aber ein Jahr zuvor war es noch fast doppelt so viel. Ein solcher Rückgang ist für jede Branche ein Schlag.

Der größte Verschieber ist der Vonovia-Konzern: Vorstandschef Rolf Buch sagt, in seinen Schubladen lägen Planungen für 60.000 neue Wohnungen bundesweit. Das sind mehr, als der Großvermieter in Dresden besitzt. Doch Zement und Ziegel für die benötigten Neubauten werden nun nicht bestellt. Buch hat seine Planer angewiesen, die Vorbereitungen auf dem Papier „bis zum Baurecht“ weiterzumachen. Erst wenn sich Bauen wieder lohne, will Vonovia bauen lassen.

Verschieben ist schlecht für Mieter, die auf Entspannung bei den Mieten hoffen. 400.000 Wohnungen sollen laut Ampel-Koalitionsvertrag jährlich gebaut werden. Doch voriges Jahr wurden weniger als 300.000 geschafft, dieses und nächstes Jahr werden es noch weit weniger.

Der Gipfel der Teuerung ist überschritten

Und die Zurückhaltung ist schlecht für Baufirmen, die Personalpläne machen wollen. Der Konkurrenzdruck unter den Firmen wird prompt stärker: Ein sächsisches Unternehmen mit vielen Aufträgen im Denkmalschutz berichtet, dass sich auf eine öffentliche Ausschreibung für eine Sanierung nun 20 Unternehmen melden statt fünf wie bisher. Da ist dann auch eine Firma aus Hamburg am Auftrag in Sachsen interessiert.

Mehr Wettbewerb ist gut für die Kunden, denn es verbessert ihre Chancen bei Preisverhandlungen. Die Preise sind nämlich zu hoch. Am Donnerstag meldete das Statistische Landesamt in Kamenz, dass der Neubau eines Wohnhauses in Sachsen in diesem August über sieben Prozent teurer war als ein Jahr zuvor. Der Gipfel der Teuerung ist zum Glück überschritten, denn für Februar hatten die Statistiker noch fast 20 Prozent Inflation für Wohnbaupreise ausgerechnet. Schon zeigen sich leichte Preisrückgänge für einige Teil-Aufträge, nämlich für Zimmerer- und Stahlbauarbeiten.

Das ist ja auch das Ziel der steigenden Zinsen, mit denen die Europäische Zentralbank die Inflation in den Griff bekommen will: Die Wirtschaft soll gebremst werden, und das findet nun statt. Die Zinsen für Immobilienkredite sind im September auf ein Zwölf-Jahres-Hoch gestiegen und liegen bei vier Prozent pro Jahr. Anfang der 80er-Jahre lagen sie im Westen allerdings schon mal bei zehn Prozent.

Anleger bringen Geld wieder zur Bank statt zum Beton

In den vergangenen Jahren aber waren Kredite billig. Dafür stiegen die Baupreise, und Immobilien wurden teurer. Das lag auch daran, dass Kapitalanleger keine Bankzinsen bekamen und ihr Geld um jeden Preis in Beton steckten. Die Gewinne vieler Baufirmen stiegen stärker als in jeder anderen Branche, Ökonomen sprachen von „Gewinn-Inflation“. Doch jetzt bringen Anleger ihr Geld wieder zur Bank. Bauen als reine Geldanlage lohnt sich gerade nicht.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) muss sich allerdings um Wirtschaftswachstum bemühen. In Sachsen sagte er bei einem Besuch im Dachdeckerbetrieb des Handwerkspräsidenten Jörg Dittrich, Deutschland brauche wieder Aufschwung. Geht das, wenn die Zentralbank bremst? Habeck nannte es selbst „paradox“. Doch er sagte, die Politik könne ja Teile der Wirtschaft gezielt fördern. Dazu gehörten Milliarden für Gebäudesanierung und Wärmepumpen.

Was noch helfen kann, haben Dachdecker Dittrich und sächsische Verbände inzwischen in einer „Dresdner Erklärung“ vorgeschlagen: Bauen muss einfacher werden. Der Staat muss Genehmigungsverfahren beschleunigen und Erleichterungen bei Baunormen schaffen. Beim Baugipfel im Kanzleramt wurde auch ein Lob auf das „serielle Bauen“ gesungen: Einmal genehmigte Häuser können vielerorts gebaut werden. Solche Erleichterungen werden helfen. Denn der nächste Aufschwung kommt bestimmt.

E-Mail an Georg Moeritz