Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Freischalten Freischalten Meißen

Tierquälerei im Prausitzer Kuhstall: Was wusste das Veterinäramt?

Das mit Tierquälerei-Vorwürfen konfrontierte Milchcenter in Prausitz wurde von Mitarbeitern des Veterinäramtes vor gut einem Jahr zuletzt kontrolliert - ohne Auffälligkeiten, wie es heißt.

Von Ines Mallek-Klein
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Durch die geöffneten Seitenwände kann die Luft in den Ställen zirkulieren. Äußerlich beste Bedingungen für die Tiere im Milchcenter Prausitz. Doch es gibt schwere Vorwürfe gegen Mitarbeiter, die die Tiere schlagen und treten sollen.
Durch die geöffneten Seitenwände kann die Luft in den Ställen zirkulieren. Äußerlich beste Bedingungen für die Tiere im Milchcenter Prausitz. Doch es gibt schwere Vorwürfe gegen Mitarbeiter, die die Tiere schlagen und treten sollen. © Claudia Hübschmann

Hirschstein. Die Aufnahmen entstanden im Mai dieses Jahres. Sie zeigen Mitarbeiter im Prausitzer Milchcenter, die Kühe mit Elektroschocker treiben und mit Klauenmessern in die Flanken stechen. Das Material, es sind mehr als drei Terabyte, füllt Festplatten. Es entstand nicht nachts und heimlich, sondern zeigt die alltäglichen Arbeitsabläufe in den Ställen, in denen 2.700 Tiere stehen. Massentierhaltung sagt man dazu.

Der Hof produziert jedes Jahr rund 20 Millionen Liter Milch, die unter anderem von einer namhaften Molkerei im sächsischen Freiberg abgenommen werden sollen. „Auf den Lastern, die regelmäßig in Prausitzer vorfahren, stehen die Logos von Ehrmann und Champignon“, so der Tierrechtler Philipp Hörmann. Von ihnen erhofft er sich, dass sie die Lieferbeziehungen nach Prausitz einstellen. "Wer will schon Jogurt essen, der aus der Milch gequälter Tiere hergestellt wurde", so Hörmann.

Hörmann waren die Videos von der Anwaltskanzlei aus Hessen zur Verfügung gestellt worden. Er, der sich seit Jahren im Tierschutz engagiert und früher Metzger und Jäger war, und dann als Maurer einige Jahre Stallanlagen gebaut hat, sollte das Material auf Echtheit prüfen. Das dauert aufgrund der mehrstündigen Videos knapp zwei Wochen. "Dann haben wir unmittelbar Anzeige erstattet", so Hörmann. Die Anzeige wird von der Pressestelle der Polizei in Dresden und auch der Staatsanwaltschaft bestätigt. Sie sei gegen Unbekannt gestellt, so Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt. Mit Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und noch laufende Ermittlung könne man aber keine weiteren Details preisgeben.

Mitarbeiter hatten die Kühe geschlagen und mit Fußtritten auf die Kühe eingewirkt. Das zumindest zeigt das Videomaterial, in dem auch zu sehen ist, wie Schwänze verdreht und geknickt werden. Eine nicht unerheblicher Zahl der Tiere mussten deshalb die Schwänze amputiert werden. "Das sind Höllenqualen, es fühlt sich so an, als würde man uns einen Arm abnehmen", vergleicht Philipp Hörmann.

Die letzte Kontrolle vor einem Jahr

Bleibt die Frage, warum das den Mitarbeitern des Veterinäramtes im Landratsamt Meißen nicht aufgefallen ist. Die waren vor zirka einem Jahr das letzte Mal in den Ställen, haben dabei aber keine Verstöße gegen den Tierschutz festgestellt, teilt die Pressestelle des Landratsamtes auf Nachfrage mit. Für Philipp Hörmann ist das schwer nachvollziehbar, angesichts von allein sechs schwanzlosen Kühen, die auf den Aufnahmen zu sehen sind. „Ich kann nicht beweisen, dass das Veterinäramt von den Vorfällen wusste und nichts unternommen hat. Es ist aber von Amtswegen zu Kontrollen verpflichtet, um solche Verstöße gegen den Tierschutz zu verhindern und dem ist man ganz offensichtlich nicht in ausreichendem Maße nachgekommen“. Deshalb zeigte er auch das Amt an, einen Umstand, von dem die Landkreisverwaltung bis Donnerstagnachmittag allerdings keine Kenntnis hatte.

Hörmann weiß aber auch, es geht hier um aktive Gewalt gegen die Tiere. „Wenn der Amtstierarzt am Hoftor klingelt, weiß das binnen von fünf Minuten jeder im Stall, dann wird der Elektroschocker versteckt und die Geschwindigkeit des Melkkarussells gedrosselt“, so der Tierrechtler. Die Täter auf frischer Tat zu ertappen, sei nahezu unmöglich. Man müsste sich jedes Tier einzeln ganz genau anschauen, um Spuren der Misshandlung zu finden. „Das dauert bei 2.700 Tieren Wochen“, so Hörmann, der selbst im bayrischen Bad Grönenbach lebt.

Sächsische Ohrenmarken im Allgäu

Hier wurde 2019 der Allgäuer Tierschutzskandal aufgedeckt. Auf insgesamt sechs Höfen waren Tiere vernachlässigt worden, wurden trotz Krankheit nicht behandelt, litten jämmerlich und wurden schließlich kopfüber in der Beckenklammer hängend am Gabelstapler aus dem Stall zum Kadaverplatz gefahren. Dort lagen auf einem der Höfe zeitweise bis zu neun Kühe und Kälber, einige trugen sächsische Ohrmarken, waren also hier geboren worden und - wie Recherchen des MDR damals ergaben - stammten aus dem Milchcenter Prausitz.

Die damalige Geschäftsführung bestätigte die Handelsbeziehungen nach Bad Grönenbach, die man aber einstellen wollte. Besonders den Tiertransport mit der Beckenklammer kritisierte sie scharf. Umso verwunderlich, so Philipp Hörmann, dass genau ein solcher Transport nun auch auf dem Videomaterial aus Prausitz zu sehen ist.

Die Frage, ob eine komplette Schließung des Betriebes denkbar wäre, beantwortet die ermittelnde Staatsanwaltschaft damit, dass es sich um einen verwaltungsrechtlichen Vorgang handle. Für den sei der Landkreis Meißen zuständig und der wiederum will, erstmal den Fortgang des Verfahrens abwarten. Die Vorstände des Milchcenters hat sächsische.de übrigens schriftlich und telefonisch mehrfach gebeten, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Doch es bleibt dabei. Kein Kommentar.