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Wie genau werden Wahlabläufe kontrolliert?

Im Vorfeld der Bürgermeisterwahlen 2019 in Klipphausen gab es offensichtlich einige Ungereimtheiten. Ein ehemaliger Gemeinderat kämpft seitdem um Aufklärung. Bisher ohne Erfolg.

Von Uta Büttner
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Wie genau wird hingeschaut, ob Wahlabläufe ordnungsgemäß ablaufen?
Wie genau wird hingeschaut, ob Wahlabläufe ordnungsgemäß ablaufen? © Claudia Hübschmann

Klipphausen. Seit nunmehr fünf Jahren will Thomas Noack wissen, ob 2019 bei der Aufstellung eines damaligen Bürgermeisterkandidaten in Klipphausen alles gesetzeskonform ablief. Denn daran hat er enorme Zweifel. Dabei geht es um die Aufstellung des Bewerbers Mirko Knöfel bei einer Versammlung der Liste Bündnis Freie Wählergemeinschaft (BFW) am 6. März 2019, bei der Noack Schriftführer war. Seiner Wahrnehmung nach – und auch anderer Anwesender an diesem Tag – gab es keine Wahl. Zudem wurde eine solche auch nicht in dem von ihm verfassten und bestätigten Protokoll zur Versammlung festgehalten. Da Noack innerhalb seiner damaligen Wählerliste und auch von der Gemeinde keine Antworten auf seine Fragen zum Wahlablauf bekam, sondern sich im Gegenteil Beschimpfungen und Verunglimpfungen ausgesetzt sah, stellte er im April 2020 Strafanzeige im Zusammenhang mit der Bürgermeisterwahl.

2023 wurde das Verfahren nach Paragraf 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung eingestellt. Dieser besagt, dass die Staatsanwaltschaft nach Prüfung der Beweis- und Rechtslage zu dem Ergebnis kommt, dass der Tatverdacht nicht bewiesen werden kann. Für Noack unverständlich, deshalb beantragte er Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft, die zweimal abgelehnt wurde. Beim ersten Mal mit der Begründung, dass Noack ein begründetes Interesse darlegen müsse. Das tat er, über einen Rechtsanwalt. Danach lautete die Begründung zur Ablehnung, Noack hätte einen Schaden zu belegen. Dieser fragt sich nun, „werden jedes Mal neue Gründe seitens der Staatsanwaltschaft vorgetragen, nur damit keiner die Akten einsehen kann?“ Zudem betont er, „weil ein Vermögensschaden meinerseits eher nicht bezifferbar ist, heißt das nicht, dass kein Schaden eingetreten ist. Was ist mit dem Schaden in das Vertrauen in demokratische Strukturen, was auch Wahlaufstellung und Kandidatenaufstellungen beinhaltet? Ist dieses nicht unser oberstes Gut?“

SPD-Landtagsabgeordneter Frank Richter will Klarheit in dem Fall

Es gibt erhebliche Zweifel, dass bei der Wahl die Rechtsvorschriften eingehalten wurden. So musste zum Beispiel ein Versammlungsleiter und Schriftführer festgelegt werden. Letzterer an diesem Tag war Noack, der aber hat die nötigen Unterlagen für solch eine Wahl nicht unterschrieben. Zudem hatte Knöfel nach Erinnerungen Noacks lediglich um Unterstützung gebeten, von einer Wahl sei keine Rede gewesen. Auch ist eine geheime Wahl – diese ist laut Gesetz dafür erforderlich –, anzuzweifeln, weil Noack im Beisein Knöfels aufgefordert wurde, seine Zustimmung zu dessen Unterstützung abzugeben.

Zudem muss eine Niederschrift über die Versammlung zur Aufstellung des Bewerbers zum Bürgermeister ausgefüllt werden. Und es müssen „Versicherungen an Eides statt“ abgegeben werden, in der die Rechtmäßigkeit der geheimen Wahl durch mehrere Personen versichert wird. Unter anderem wird dabei unterschrieben, dass man wisse, dass die Abgabe einer falschen Versicherung an Eides statt mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden kann. Von wem und wann wurden die Formulare ausgefüllt und abgegeben?

Viele Fragen stehen im Raum, die Thomas Noack gern beantwortet hätte. Die Staatsanwaltschaft verweigerte ihm Antworten darauf. Deshalb reichte er Anfang September 2023 eine Petition beim sächsischen Landtag ein, die besonders beim SPD-Landtagsabgeordneten Frank Richter auf Interesse stieß, da es sich auch um seinen Wahlkreis handele. Warum nach so langer Zeit immer noch kein Ergebnis vorliegt, sei in der intensiven Bearbeitung begründet, erklärt er und sagt, „es wurden intensive Recherchen angestellt.“

Bleibt nun abzuwarten, ob der Petitionsausschuss Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft beantragt hat, und zu welchem Ergebnis dieser kommt. Denn die Fragen quälen Noack bis heute. Wurde Mirko Knöfel damals rechtmäßig als Kandidat aufgestellt? Und vor allem: Wer war der Schriftführer während der Wahl, wer hat die Unterlagen ausgefüllt und unterzeichnet?

Inzwischen ist der SZ bekannt geworden, dass der Schriftführer bei der Wahlversammlung eine Person war, deren Name aber nicht auf der Anwesenheitsliste auftaucht. Ist das kein Grund zur Nachverfolgung seitens der Staatsanwaltschaft? Eine Presseanfrage an die Staatsanwaltschaft über die Gründe der Einstellung des Verfahrens blieb unbeantwortet.

Frank Richter bearbeite indes weiterhin intensiv diesen Fall und beabsichtige einen Petitionsberichtsentwurf noch in dieser Legislatur zu schreiben, auch wenn er wisse, dass sein Vorhaben sehr ambitioniert sei. Denn die Landtagswahlen sind am 1. September, aber bis zum 30. September habe er noch Zeit, dann endet die Legislatur. Thomas Noacks Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit sei nach dieser Odyssee auf jeden Fall getrübt.