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Meißner Schatz unter der Lupe

Die mittelalterlichen Glasmalereien im Dom zu Meißen werden erforscht – und sind Teil eines einzigartigen internationalen Projekts.

Von Harald Daßler
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Restauratorin Kathrin Rahfoth berichtet  Dombaumeister Knut Hauswald, Dombauverein-Vorstand Götz Bergmann und dem amtierenden Dechant Hans-Peter Hasse (v.r.) von ihrer Arbeit an den mittelalterlichen Glasmalereien.
Restauratorin Kathrin Rahfoth berichtet Dombaumeister Knut Hauswald, Dombauverein-Vorstand Götz Bergmann und dem amtierenden Dechant Hans-Peter Hasse (v.r.) von ihrer Arbeit an den mittelalterlichen Glasmalereien. © Claudia Hübschmann

Meißen. Für ihre Arbeit benötigt Kathrin Rahfoth kaum Werkzeug, aber sehr viel Geduld. Mit einem kleinen Pinsel streicht sie vorsichtig über das vor ihr liegende Bleiglasfenster. Strich für Strich kehrt sie damit Staub von der mittelalterlichen Glasmalerei, die vor ihr auf dem Leuchttisch liegt. Für Schmutz, der sich mit dem Pinsel nicht wegwischen lässt, bedient sie sich des Schwämmchens. Abplatzungen vom Glas werden mithilfe einer Klebekanüle wieder befestigt. Schäden im Blei werden verlötet.

Momentan arbeitet die freischaffende Restauratorin an den Leuchttischen, die in der Allerheiligenkapelle des Doms aufgebaut sind. Die Glasmalereien, die sie hier im wahrsten Sinne des Wortes unter die Lupe nimmt, gehören zum Chorscheitelfenster des Doms. Ihre Entstehung lässt sich auf die Zeit um 1270 zurückdatieren. Ebenso behandelt werden weitere zwölf Glasmalereien aus dem 14. Jahrhundert aus der Allerheiligenkapelle.

Ehe die gesäuberten und konservatorisch behandelten Fensterteile in etwa vier Wochen wieder eingebaut werden, werden sie fotografisch dokumentiert und kunstwissenschaftlich erfasst. Damit werden sie aufgenommen in ein einzigartiges internationales wissenschaftliches Projekt. Das Corpus Vitrearum Medii Aevi (CVMA) erfasst alle historischen Glasmalereien in Europa sowie in den USA und Kanada – mit dem Ziel, einen umfassenden und digital zugänglichen Überblick zu erarbeiten.

Besonders kostbar

Bis 2030 sollen alle Glasmalereien in Deutschland in einzelnen Bänden dokumentiert sein, wie Ute Bednarz informiert. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften leitet das Projekt in Meißen. Ihr geht es bei den kunstwissenschaftlichen Untersuchungen darum, das Bildprogramm zu verstehen, beschreibt sie ihre Arbeit in diesem Projekt.

Innerhalb des Gesamtbestandes mitteldeutscher Glasmalereien kommt Meißen eine besondere Bedeutung zu: Die erhaltenen mittelalterlichen Bleiglasfenster gelten als die ältesten. Damit verfügt der Meißner Dom über einen besonders kostbaren Schatz.

Mit einem Pinsel werden Staub, Schmutz und Anhaftungen auf den historischen Bleiglasfenstern behutsam entfernt.
Mit einem Pinsel werden Staub, Schmutz und Anhaftungen auf den historischen Bleiglasfenstern behutsam entfernt. © Claudia Hübschmann
Ein wichtiges Hilfsmittel für die Arbeit am Leuchttisch ist die Lupe.
Ein wichtiges Hilfsmittel für die Arbeit am Leuchttisch ist die Lupe. © Claudia Hübschmann
Die Bleiglasfenster im Meißner Dom, die in dieser Woche ausgebaut wurden, um sie zu säubern und wissenschaftlich zu betrachten, stammen aus dem 13. und 14. Jahrhundert.
Die Bleiglasfenster im Meißner Dom, die in dieser Woche ausgebaut wurden, um sie zu säubern und wissenschaftlich zu betrachten, stammen aus dem 13. und 14. Jahrhundert. © Claudia Hübschmann
Mitarbeiter der Dombauhütte haben die einzelnen Bleiglasfenster Im Hohen Chor in dieser Woche ausgebaut. In der Allerheiligenkappelle  werden die einzelnen Teile untersucht, gesäubert und konservatorisch behandelt.
Mitarbeiter der Dombauhütte haben die einzelnen Bleiglasfenster Im Hohen Chor in dieser Woche ausgebaut. In der Allerheiligenkappelle werden die einzelnen Teile untersucht, gesäubert und konservatorisch behandelt. © Claudia Hübschmann

Die bunten Bleiglasfenster des Meißner Doms sind heute nur noch fragmentarisch erhalten. Im Chor beeindrucken noch immer die dreibahnigen Fenster mit 19 mittelalterlichen Glasmalereifeldern, die sich der Jesus-Geschichte widmen und alttestamentarische Opferszenen darstellen. Die Kunstwissenschaft nennt die Meißner Glasmalereien in einer Reihe mit den bedeutenden Glasmalereizyklen in Naumburg, Straßburg oder Köln.

Davon ausgehend, sollen nun "Fragestellungen zur Verglasungsgeschichte, zum ikonografischen Bildprogramm und zur stilistischen Einordnung, Bildkomposition, Farbgestaltung, Ornamentik und Maltechnik" untersucht werden. Davon erhoffen sich die Wissenschaftler "Hinweise auf eine konkrete Lokalisierung der ausführenden Werkstatt", wie es in einer Information des CVMA-Projekts Deutschland heißt.

„Das CVMA-Projekt wird aus Eigenmitteln der Projektteilnehmer und Zuwendungen finanziert. Die für die konservatorischen Maßnahmen an den Glasmalereien im Meißner Dom benötigten Mittel von insgesamt 15.000 Euro stellten die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften und der Dombauverein Meißen e.V. zur Verfügung“, teilt das Hochstift Meißen mit. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz beteiligt sich mit 8.848 Euro. Einen Bewilligungsbescheid überbringt der Meißner Ortskurator Dr. Reinhard Plüschke.

Ein unverhofftes Geschenk

Dombaumeister Dr. Knut Hauswald nennt es ein „vollkommen unverhofftes Geschenk“, zumal am Dom derzeit ganz andere Probleme zu lösen sind. Er nennt Steinabstürze von den Domtürmen und die unzulängliche Beleuchtungssituation. Die digitale Aufarbeitung und Präsentation ermöglichen es, die Kunstschätze des Meißner Doms auch im Detail anschaulich zugänglich zu machen, auch für zukünftige Generationen, betont der amtierende Dechant des Domkapitels und Domherr Dr. Hans-Peter Hasse: „Eine Win-win-Situation für Wissenschaftler, Dom und Hochstift und natürlich für die Besucher.“

Unabhängig von ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung vermitteln die Glasmalereien im Meißner Dom dem Betrachter einen Eindruck ihrer ursprünglichen Farbenpracht. Darauf verweist Dompfarrer Andreas Beuchel. Es sei immer wieder ein ganz besonderer Moment, im Hohen Chor des Doms die bunten Glasmalereien in den Fenstern anzuschauen – vor allem dann, wenn sie von der Sonne erleuchtet werden.