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Bürgergespräch im Triebischtal: Alles auf den Tisch

Es war hitzig, blieb aber friedlich. Am Donnerstagabend fand das Bürgergespräch im Triebischtal statt, zunächst ohne Sinti- und Roma-Beteiligung. Ein Protokoll.

Von Andre Schramm
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Etwa 100 Bürger kamen zum Bürgergespräch ins Kaff. Es ging nicht nur um die Sinti- und Roma-Community.
Etwa 100 Bürger kamen zum Bürgergespräch ins Kaff. Es ging nicht nur um die Sinti- und Roma-Community. © Schramm

Meißen. "Der Haussegen im Triebischtal hängt etwas schief", sagte Justus Ulbricht. Eine nette Umschreibung mit der der Moderator vom Dresdner Geschichtsverein am Donnerstagabend in die Debatte einstieg. Es gab noch ein paar Hinweise zu den Verhaltensregeln. Die meisten der etwa 100 Gäste, die ins Kaff gekommen waren, hielten sich im weiteren Verlauf auch daran. Stadtrat Holger Metzig formulierte noch fix das Ziel der Veranstaltung, oder besser den Wunsch: "Dass alte und neue Triebischtaler in Zukunft gut zusammenleben." Zuvor hatten Anwohner die Gelegenheit, in Eins-zu-eins-Gesprächen mit der Bürgerpolizei ihre Anliegen zu schildern. Die Beamten waren nach eigenen Angaben hinterher erstaunt, wie massiv die Probleme doch sind. Die Bitte der Bürgerpolizisten: "Teilen Sie Probleme uns auch mit."

"Hier wird nichts zu Ende gebracht. Ich sehe dringenden Handlungsbedarf", sagte Jörg. Er habe immer gern im Triebischtal gelebt. "Seitdem diese Bevölkerung Einzug gehalten hat, ist es nicht mehr sicher", so der 67-Jährige. Er wolle nicht, dass es eskaliert. Eine Frau übernimmt. "Ich frage mich, wer dafür verantwortlich ist, dass ständig Kaufland- und Norma-Einkaufswagen herumstehen und als Müllbehälter genutzt werden", sagte sie. Dass das nicht geht, müsse man den Neubürgern mal erklären, empfahl sie. Familienamtsleiterin Katrin Nestler konnte das nicht so stehen lassen. "Das machen sowohl alteingesessene Meißner als auch neue Meißner", sagte sie. Nestler empfahl, die Übeltäter konkret anzusprechen und auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen.

Dann ergriff René Jurisch, der zur selben Zeit eigentlich auch Kreistag hatte, das Wort. Der AfD-Stadtrat hatte im Juli ein nächtliches Ruhestör-Video gepostet und die ganze Debatte in Fahrt gebracht. Es gibt Ruhestörungen, Beleidigungen bis hin zu Morddrohungen. Es wird sechs, sieben Mal bei der Polizei angerufen, aber niemand kommt. Die Bürger fühlen sich alleingelassen", sagte er. Applaus. Er forderte im gleichen Atemzug mehr Polizeikontrollen im Triebischtal. Der Unternehmer sieht in der Sache die "bunten Vereine" in der Pflicht, Integrationsarbeit zu leisten. "Integration heißt nicht, dass wir uns dort integrieren müssen, sondern sie hier", so Jurisch weiter. Integration, so entgegnete der Moderator, sei ein gemeinsamer Prozess.

Uwe hat gleich mehrere Dinge, die ihn beschäftigen. Er wohnt seit 57 Jahren im Triebischtal und hat seinem Kiez immer die Treue gehalten. Aber: "Die Straßen sind dreckig, es stehen Einkaufswagen herum, es gibt Krach in der Nacht und man fühlt sich wie auf einer Dauersilvesterparty", zählte er auf.

Nächstes Problem: Die täglichen Trinkgelage an der Schützestraße, die schon vormittags beginnen. Eine Praxisinhaberin berichtet von Hakenkreuzen auf den Fahrzeugen und zerkratztem Lack. Die Inhaberin einer Tagespflege pflichtete bei. "Unsere Senioren haben vor den angetrunkenen Leuten Angst, trauen sich nicht einmal auf die Terrasse", sagte sie. Problem ist wohl, dass der Inhaber einer Erdgeschosswohnung seine Saufkumpels ständig einlädt. Reden bringe nichts, hieß es unisono.

Dann meldet sich eine Frau. Sie sei vor elf Monaten von Berlin ins Triebischtal gezogen und habe bei der Wohnungsbesichtigung einen sehr guten Eindruck vom Viertel gehabt. Das sei inzwischen anders. "Das Triebischtal ist ein Drogenumschlagplatz. Und da geht es nicht um Gras, sondern Crystal-Meth in Größenordnungen. Es gibt sogar jemanden, der mit einem Drogen-Bauchladen umherzieht. Das ist wie im Görlitzer Park oder am Cottbuser Tor", sagt sie. Im Hinblick auf das Verhalten der Sinti- und Roma-Community sei ihrer Ansicht nach Strenge gefragt.

Maria Fagerlund vertrat das Bunte Meißen. Sie wies auf das Kennlernfest vor einigen Wochen hin, und dass das Bunte Meißen regelmäßig präsent am Walkhoff-Platz sei. Wer Integration wolle, dürfe aber nicht AfD wählen, sagte Fagerlund. Daraufhin wurde sie vom Publikum beschimpft. Mehrmals am Abend wurde der Wunsch nach einer Polizeistation im Triebischtal geäußert. Der nächtliche Krawall im Bürgerpark ebenfalls. Auch, dass die Sinti- und Roma-Gruppe (gefühlt) ständig größer werde, kam zur Sprache.

Bürgermeister Markus Renner sagte, dass die Stadt niemandem eine Einladung ausgesprochen habe. "Sie ziehen hierher, weil die Mieten günstig sind", sagte er und verwies auf die Freizügigkeit innerhalb der EU. Im Hintergrund, so Renner weiter, sei man auf Behördenseite aber nicht untätig. Was er genau damit meinte, blieb offen. Im Zusammenhang mit der Sinti- und Roma-Community sprach Renner auch von Problemen bei der Schulpflicht und bei der An- und Ummeldung im Bürgerbüro.

Er versprach, sich in Sachen "Einkaufswagen" zeitnah zu kümmern. Zudem will er mit der Polizei über mehr Präsenz sprechen. "Die Nutzungsordnung von Grünanlagen ist auch ein Thema, wird aber etwas dauern", so Renner. Nach 80 Minuten war die Veranstaltung vorbei. Moderator Justus Ulbricht: "Hier ist ordentlich Dampf im Viertel. Wir müssen daran arbeiten, dass sich der Druck nicht erhöht", sagte er. Eine weitere Veranstaltung ist wahrscheinlich. Man erfuhr an dem Abend auch, dass einige deutsche Eltern ihren Kindern inzwischen verboten hätten, ins Kaff zu gehen.

Wie Holger Metzig im Nachgang erklärte, habe man die Sinti- und Roma-Community zunächst nicht eingeladen, um eventuellen Übergriffen vorzubeugen. "Wir werden auch noch mit ihnen sprechen", sagte er. René Jurisch fand die Debatte konstruktiv, sagte aber auch, dass es erst der Anfang sei. "Wir müssen zunächst Ordnung und Sicherheit wieder herstellen. Dazu gehört mehr Polizeipräsenz im Viertel", so der Stadtrat.