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In Meißen erinnern drei neue Stolpersteine an das Schicksal der Familie Fischer

Künstler Gunter Demnig hat in Meißen Stolpersteine in der Görnischen Gasse verlegt. Dort lebte einst die jüdische Familie Fischer, bis sie von den Nazis verfolgt wurde.

Von Silvio Kuhnert
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Künstler Gunter Demnig ist der Initiator des Gedenkprojektes Stolpersteine und kam persönlich nach Meißen, um drei weitere Mahnmale vor dem Wohn- und Geschäftshaus Görnische Gasse 2 zu verlegen.
Künstler Gunter Demnig ist der Initiator des Gedenkprojektes Stolpersteine und kam persönlich nach Meißen, um drei weitere Mahnmale vor dem Wohn- und Geschäftshaus Görnische Gasse 2 zu verlegen. © Norbert Millauer

Meißen. Die Fassade des Wohn- und Geschäftshauses Görnischen Gasse 2 in der Meißner Altstadt ist frisch saniert. Der Laden im Erdgeschoss steht noch leer und wartet auf einen neuen Nutzer. Dass hier einmal Leben, und zwar jüdisches Leben herrschte, daran erinnern seit Sonnabendvormittag drei Stolpersteine.

Leopold Fischer betrieb hier einst ein Antik- und Altwarenladen. 1878 in Eger geboren kam er mit seiner Ehefrau Hannchen, die 1880 zur Welt kam, in die Porzellanstadt, um dieses Geschäft zu eröffnen. „Von den 80 Juden, die 1933 in Meißen lebten, war Leopold Fischer der einzige, der auf der Straße Kippa und Kaftan trug“, berichtet Pfarrer Bernd Oehler von der Bürgerinitiative Stolpersteine Meißen. Gemeinsam mit dem Verein „Buntes Meißen - Bündnis Zivilcourage“ setzt sich die Initiative gegen das Vergessen der Verbrechen während des nationalsozialistischen Regimes von 1933 bis 1945 ein. Jene Zeit sei kein „Vogelschiss in der Geschichte“, nimmt Oehler Bezug auf eine Aussage des AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland, sondern in diesen zwölf Jahren wurden sechs Millionen Juden, aber auch Sinti und Roma, Homosexuelle, Andersdenkende und viele Menschen mehr verfolgt und ermordet.

Selbstmord Deportation, Flucht

Die drei neuen Stolpersteine erinnern an Leopold, Hannchen und Ludwig Fischer, die in dem Meißner Altstadthaus einst lebten.
Die drei neuen Stolpersteine erinnern an Leopold, Hannchen und Ludwig Fischer, die in dem Meißner Altstadthaus einst lebten. © Norbert Millauer

Unter den Entrechteten und Verfolgten war auch Familie Fischer. Diese brachte 1914 eine Tochter zur Welt, die allerdings mit fünf Jahren 1919 bereits verstarb. 1923 erblickte Sohn Ludwig das Licht der Welt. An ihn und seine Eltern erinnern die drei neuen Stolpersteine vor dem Eingang Görnische Gasse 2. Es war jenes Haus, dass die Familie nach der Machtergreifung des NS-Regimes 1933 freiwillig bewohnte. Hannchen Ludwig nahm sich drei Jahre später aus Angst vor Repression das Leben. An einem Seil hängend wurde sie auf dem Dachboden eines Wohnhauses auf dem Plossen gefunden.

14 Stolpersteine in Meißen bis jetzt

Ihr Ehemann Leopold wurde nach der Reichspogromnacht am November 1938 am Morgen des darauffolgenden Tages aus seinem Haus gezerrt und mit anderen Meißner Juden stundenlang auf dem Marktplatz zur Schau gestellt. Danach brachten ihn die Nazi-Schergen in das Stadtgefängnis und später in ein Judenhaus nach Dresden. Sein Name ist auf einer Deportationsliste in das Ghetto Riga im Jahr 1942 zu finden. Es ist das letzte Lebenszeugnis von ihm. Sohn Ludwig Fischer gelang die Flucht aus Deutschland mithilfe eines Kindertransports über Holland in die USA.

Im Gedenken an die drei Opfer des NS-Regimes entzündete Pfarrer Bernd Oehler Kerzen.
Im Gedenken an die drei Opfer des NS-Regimes entzündete Pfarrer Bernd Oehler Kerzen. © Norbert Millauer

Über 100.000 Stolpersteine in Deutschland und weiteren Ländern erinnern an das Schicksal von Menschen, die während der NS-Zeit entrechtet, verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Es ist das heute wohl weltweit größte dezentrale Mahnmal. Initiiert hat dieses Gedenkprojekt der Künstler Gunter Demnig 1992, der die Steine für Leopold, Hannchen und Ludwig Fischer persönlich am Sonnabendvormittag im Beisein von über 40 Meißnern vor dem Haus Görnische Gasse 2 verlegte. „Es sind der zwölfte, dreizehnte und vierzehnte Stolperstein in unserer Stadt“, sagt Oehler. Die ersten wurden 2012 in der Domstadt verlegt. Auf den Steinen befinden sich jeweils eine knapp zehnmal zehn große Messingplatte. Auf dieser stehen der Name des Opfers, das Geburtsjahr sowie häufig das Deportationsjahr und der Todesort. Weitere Stolpersteine sollen in Meißen folgen.

Die Bürgerinitiative Stolpersteine lädt gemeinsam mit dem Verein „Buntes Meißen - Bündnis Zivilcourage“ am 9. November 2024 anlässlich der Reichspogromnacht nachmittags wieder zu Stolpersteinführung und für 19 Uhr in die Frauenkirche zum Gedenken an die Meißner Opfer der Reichskristallnacht 1938 sowie zum Konzert mit Chasan Daniel Kempin ein.