Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Meißen

Hochwasser im Elbland: Ein Eisbus auf der Flucht und ein Rummel ohne Obdach

Der Elbpegel steigt nur noch langsam. Alles sieht danach aus, dass die Region nicht nur Glück hat, sondern auch ein gutes Hochwasserschutzkonzept.

 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Der Pegel der Elbe steigt, wenn auch nur noch langsam, und rückt einigen Orten, wie Diesbar-Seußlitz bei Meißen, bedrohlich nahe.
Der Pegel der Elbe steigt, wenn auch nur noch langsam, und rückt einigen Orten, wie Diesbar-Seußlitz bei Meißen, bedrohlich nahe. © Daniel Wagner

Von Thomas Riemer, Stefan Lehmann und Ines Mallek-Klein

Landkreis Meißen. Teile des Radweges stehen schon unter Wasser. Auf zwei Rädern kommt jetzt keiner mehr ins Western Inn nach Scharfenberg. Aber das Restaurant hat weiter geöffnet. Das sah am Wochenende noch anders aus. Da glaubte Inhaberin Dagmar Großer, ihr Restaurant schließen zu müssen. Das würde sie auch jetzt sofort tun, wenn das Elbehochwasser weiter steigt. Tut es aber derzeit kaum, und das ist gut so. "Es reicht jetzt eigentlich", so die Chefin. Das Fenster zur Landeshochwasserzentrale mit den aktuellen Pegelständen hat sie auf ihrem Rechner immer geöffnet und schaut regelmäßig auf die Prognosen.

Während man in Meißen sicher davon ausgeht, dass die Flutschutzmauer die Altstadt trocken halten wird, bleibt Dagmar Großer angespannt. Der Elbpegel liegt aktuell noch unter den Werten des Weihnachtshochwassers von 2023, trotzdem habe sich die Wasserkante schon deutlich näher an die Gaststätte und den Biergarten heran gefressen. "Viel Luft haben wir nicht mehr", so die Unternehmerin.

Die Pferdekoppel am Western Inn in Scharfenberg steht in Teilen unter Wasser. Noch zeigen sich die Tiere unbeeindruckt und grasen auf der Wiese, die das Wasser ihnen gelassen hat.
Die Pferdekoppel am Western Inn in Scharfenberg steht in Teilen unter Wasser. Noch zeigen sich die Tiere unbeeindruckt und grasen auf der Wiese, die das Wasser ihnen gelassen hat. © Claudia Hübschmann

Bereits am Freitag rollten die Traktoren, nahmen die Unterstände für die Longhorns an den Haken und setzten sie auf eine höher gelegene Wiese um. "Wir sind seit Langem auf der Suche nach einer Notweide", so Dagmar Großer. Gefunden hat sie noch keine, diesmal half ein Nachbar. Aber dessen Grundstück liegt kaum zehn Zentimeter höher als die Weidegründe des Western Inn. Die Pferde sind etwas zusammengerückt, stehen aber noch an der Elbe.

Meißner Eisbus weicht der Elbe

Benny hat indes die Flucht ergriffen. Der knallrote und beliebte Eisbus hat am Montag seinen Standort an der B6 in Meißen verlassen, noch bevor das Wasser seine Reifen erreichte. Da selbst nicht mehr fahrbereit, musste er abgeschleppt werden. Für das Eisbusteam bedeutete das viel Vorbereitung mit Räumen und Organisieren. Man hoffe aber, dass man bald an den alten Standort zurückkehren kann, denn die Eissaison ist lange noch nicht zu Ende.

Weiter elbaufwärts in Coswig ist man noch entspannt. Obwohl es in den vergangenen Tagen immer wieder teilweise auch erheblich geregnet habe, seien die Bäche wie die Lockwitz nicht über die Ufer getreten. Auch im Spitzgrundteich gäbe es noch Stauraum und jetzt scheint erst mal wieder die Sonne.

Fahrzeugbergung in Riesa und Meißen

Die Warnungen, elbnahe Bereiche zu räumen, nehmen aber offenbar nicht alle Bürger ernst. Die Stadt Meißen hatte schon am Wochenende gebeten, die Elbparkplätze zu räumen. Drei Fahrzeughalter taten das nicht und waren auch nicht zu erreichen. Also musste die Stadt die Autos abschleppen lassen. In Riesa wurde die Feuerwehr am Montagabend gegen 20 Uhr alarmiert. Ein Autofahrer, aus Richtung Leutewitzer Straße kommend, hatte das Durchfahrtsverbot nicht wahrgenommen und brauchte dann Hilfe.

Die Weinfeste in Radebeul und Meißen sollen, wie geplant, am letzten Septemberwochenende gefeiert werden. Ob die frisch gewählte Weinkönigin mit ihren beiden Prinzessinnen allerdings mit dem Boot über die Elbe von Radebeul nach Meißen fahren kann, ist noch völlig offen. Das soll erst am Freitag, 27. September, entschieden werden und hängt vom Wasserstand der Elbe, aber auch ihrer Fließgeschwindigkeit ab. "Im Fall der Fälle reisen die Hoheiten mit dem Auto an", sagt Uwe Reichel. Es wäre nicht das erste Mal. Schon 2010 musste man das Boot stehen lassen und aufs Auto ausweichen. Damals war Dauerregen der Grund, er hatte die 45-minütige Bootsfahrt unmöglich gemacht, so der Chef des Meißner Gewerbevereins. Allerdings, die Reise im Auto dauert aufgrund des Feierabendverkehrs länger.

Und noch eine Herausforderung gibt es für die Weinfestorganisatoren in Meißen. Der Festplatz an der Elbe steht derzeit unter Wasser. Die ersten Schausteller wollten am Dienstag anreisen und beginnen, den Rummel aufzubauen. Daraus wird erst mal nichts. "Wir sind zuversichtlich, dass der Elbpegel bereits ab Donnerstagmittag wieder fällt", sagt Uwe Reichel. Er hofft, dass der Rummel dort stehen wird, wo er immer steht. Für den Fall, dass sich die Elbe langsamer zurückzieht, werde gerade nach Ausweichorten gesucht. Nach Informationen von Sächsische.de sind das Speedway-Stadion und die Jugendwiese im Gespräch. Ob dort ein Rummel, auch in kleinerer Form, möglich ist, muss die Stadtverwaltung prüfen. Offen ist auch der Transfer zwischen Weinfest in der Meißner Altstadt und dem Rummelort.

Erste Gedanken an das Aufräumen danach

Elbabwärts in Richtung der Elbweindörfer um Diesbar-Seußlitz fällt zuallererst auf: Es sind kaum Touristen unterwegs. Normalerweise sei der Elberadweg in dieser Zeit auch an Wochentagen gut frequentiert, sagt ein Einheimischer. Doch die beliebte Piste lässt sich zurzeit nur erahnen, weite Teile sind von der „braunen Brühe“ überflutet. Aus der Gemeindeverwaltung heißt es dazu, dass die Bereiche mit Hinweisschildern zur Absperrung versehen worden sind. Man handele weiterhin entsprechend dem Alarm- und Sicherheitsplan, der Stab zur Lagebeobachtung treffe sich regelmäßig. Absehbar ist aber bereits, was die Flut hinterlässt – nämlich vor allem viel Müll und Schwemmgut. Schon jetzt deuten die beiden Schiffsanleger darauf hin, dass sich da jede Menge angesammelt hat. „Da haben wir in ein paar Tagen mächtig zu tun“, sagt der Seußlitzer. Trotzdem zeigt er sich zuversichtlich, „dass es nicht so schlimm wie 2002 wird“.

Der Anleger der Sächsischen Dampfschifffahrt in Seußlitz bei Meißen ist vom Elbehochwasser umspült, trockenen Fußes kommt hier keiner mehr an Land.
Der Anleger der Sächsischen Dampfschifffahrt in Seußlitz bei Meißen ist vom Elbehochwasser umspült, trockenen Fußes kommt hier keiner mehr an Land. © Daniel Wagner

So geht es wohl auch den Bewohnern von Grödel, nur einen Steinwurf entfernt von Nünchritz. Die hatten in den letzten Tagen wohl öfter das Szenario von vor 22 Jahren im Hinterkopf, als ihr Dörfchen über Nacht zur Insel mutierte. Die Straße zwischen der Kreisstraße und Grödel war seinerzeit komplett überflutet, das Dorf wurde teilweise evakuiert. Unvergesslich der Moment, als die Grödeler dann in ihre Heimat zurückwollten – aber noch nicht durften. Der damalige Nünchritzer Bürgermeister Udo Schmidt bestieg schließlich spontan das Dach der dortigen Bushaltestelle und versuchte, die aufgeregten Menschen mit einer „Brandrede“ zu beruhigen.

Solche Szenarien dürften nach Lage der Dinge diesmal zum Glück nicht stattfinden. Grödel ist wie gewohnt erreichbar, die Eigenheimbesitzer nutzen die Sonnenstrahlen, um an ihren Häusern und in den Gärten zu werkeln. Bange Blicke auf die Elbe sind einer Art Beruhigung gewichen: Denn die prophezeite „große Welle“ bleibt aus.