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Fledermäuse fressen leider keine Holzwürmer im Wasserschloss Oberau

Am Mittwoch hat die Begasung in einer Niederauer Kulturstätte begonnen, die sonst dem Verfall anheimfallen würde. Ein Kraftaufwand zwischen verschiedenen Gewerken und dem Förderverein.

Von Martin Skurt
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Das Wasserschloss Oberau wird seit Mittwoch begast. Seit mehr als einem Jahr wartet der Förderverein schon darauf.
Das Wasserschloss Oberau wird seit Mittwoch begast. Seit mehr als einem Jahr wartet der Förderverein schon darauf. © Claudia Hübschmann

Niederau. Am Wasserschloss Oberau herrscht Hochbetrieb. Für die Gemeinde Niederau und den Förderverein steht eine der größten Maßnahmen zum Schutz der historischen Bausubstanz auf dem Plan: die Begasung des gesamten Schlosses, um Holzschädlinge wie den Nagekäfer und Hausschwamm zu bekämpfen. Unter den wachsamen Augen der Anwesenden wurde am Mittwochnachmittag die eigentliche Arbeit eingeleitet – eine Maßnahme, die nicht nur aufwendig und teuer, sondern auch ein Wettlauf gegen die Zeit ist.

Das Wasserschloss Oberau ist ein historisches Bauwerk, dessen Holzbalken über die Jahre von Nagekäfern und anderen Holzschädlingen stark in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Jens Kutschke vom Förderverein erklärt, dass die Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen nur dank der Unterstützung durch die Ostdeutsche Sparkassenstiftung und die Sparkasse Meißen möglich war. "Es war eine riesige Kraftanstrengung", betont wiederum Katja Lamnek, stellvertretende Vereinsvorsitzende. Der Verein war gezwungen, einen Kompromiss zu finden – in der ständigen Abwägung zwischen Denkmalschutz, Artenschutz und den finanziellen Mitteln. Erfolgt kein Holzschutz, droht langfristig der Verfall, da eine Förderung ohne Sicherung der Bausubstanz ausgeschlossen ist.

Groli-Geschäftsführer Marco Müller (2. v. r.) aus Dresden erklärt, wie seine Firma die Begasung im Wasserschloss durchführt. Links neben ihm steht Jens Kutschke vom Förderverein des Gebäudes und ganz links hört Bürgermeister Thomas Claus aufmerksam zu.
Groli-Geschäftsführer Marco Müller (2. v. r.) aus Dresden erklärt, wie seine Firma die Begasung im Wasserschloss durchführt. Links neben ihm steht Jens Kutschke vom Förderverein des Gebäudes und ganz links hört Bürgermeister Thomas Claus aufmerksam zu. © Claudia Hübschmann

Innerhalb von 13 Minuten ist alles durchdrungen

"Ein einzelner Holzwurm mag zwar wenig Schaden anrichten", erklärt Marco Müller, Geschäftsführer von Groli Schädlingsbekämpfung aus Dresden. "Doch es sind viele, und die Schäden summieren sich." Diese unscheinbaren Larven fressen sich über Jahre durch das Holz und hinterlassen sichtbare Spuren: Holzspäne überall. Eine Larve schafft in drei Jahren, etwa eine ganze Kaffeetasse zu füllen, beschreibt Müller.

Es wurden mehrere Methoden des Holzschutzes diskutiert. Die Wahl fiel schließlich auf eine präzise Begasung mit Sulfuryldifluorid, das sich als äußerst wirksam erwiesen hat. Das Gas ist geruch- und farblos, rückstandsfrei und tötet alle Zielorganismen ab – vom Ei bis zum ausgewachsenen Käfer. Alternative Verfahren, wie etwa die Heißluftbehandlung, wären möglich gewesen, aber um ein Vielfaches teurer, berichtet Müller. "Glücklicherweise wurden das Dach und der Putz ordentlich abgedichtet", sagt er. Eine dichte Gebäudehülle ist die Voraussetzung dafür, dass das Gas im Inneren seine Wirkung zeigt.

Etwa sechs Kilometer an Klebeband verwendete die Firma Groli, um alle Stellen am Gebäude dicht zu bekommen.
Etwa sechs Kilometer an Klebeband verwendete die Firma Groli, um alle Stellen am Gebäude dicht zu bekommen. © Claudia Hübschmann
Ein Messgerät zeichnet die Werte der Gaskonzentration im Gebäude an neun Messpunkten auf. Die Daten können vor Ort oder mittels Cloud auf einem Handy beobachtet werden.
Ein Messgerät zeichnet die Werte der Gaskonzentration im Gebäude an neun Messpunkten auf. Die Daten können vor Ort oder mittels Cloud auf einem Handy beobachtet werden. © Claudia Hübschmann
Die weißen Kabel leiten flüssiges Gas auf alle Ebenen des Wasserschlosses.
Die weißen Kabel leiten flüssiges Gas auf alle Ebenen des Wasserschlosses. © Claudia Hübschmann
Dabei entstehen mitunter wilde Kabelgehänge, die aber im Gebäude effektiv sind.
Dabei entstehen mitunter wilde Kabelgehänge, die aber im Gebäude effektiv sind. © Claudia Hübschmann
In Gasflaschen lagert Sulfuryldifluorid. Unter Druck stehend bleibt es flüssig, sobald dieser aber nachlässt, wird der Stoff schlagartig gasförmig. Der Siedepunkt liegt bei minus 55,4 Grad.
In Gasflaschen lagert Sulfuryldifluorid. Unter Druck stehend bleibt es flüssig, sobald dieser aber nachlässt, wird der Stoff schlagartig gasförmig. Der Siedepunkt liegt bei minus 55,4 Grad. © Claudia Hübschmann
Marco Müller erhält viele Anfragen, um neben größeren Gebäuden auch kleinere Objekte zu behandeln. Wie hier die Wasserrohre der Burg Stolpen, die vom Nagekäfer zerfressen sind und momentan im Wasserschloss liegen.
Marco Müller erhält viele Anfragen, um neben größeren Gebäuden auch kleinere Objekte zu behandeln. Wie hier die Wasserrohre der Burg Stolpen, die vom Nagekäfer zerfressen sind und momentan im Wasserschloss liegen. © Claudia Hübschmann

Die Begasung selbst ist eine logistische Herausforderung. 5.200 Kubikmeter Raum müssen mit dem Gas gefüllt werden, das an drei Stellen ins Schloss geleitet wird. "Innerhalb von 13 Minuten ist das gesamte Gebäude durchdrungen", beschreibt Müller den Prozess. Um sicherzustellen, dass das Gas alle Bereiche des Schlosses erreicht – auch die Decken, obwohl es schwerer als Luft ist – kommen unter anderem Ventilatoren zum Einsatz, die das Gas nach oben drücken.

Die Maßnahme musste noch vor dem Jahresende abgeschlossen sein, denn ab 2025 dürfen begasende Firmen das Gas nicht mehr einsetzen, da es für den Transport von Gütern auf Schiffen benötigt wird. "Für Gebäude gibt es aktuell keinen Ersatz", bedauert Müller. Der Verlust dieser Technologie wäre insbesondere für den Erhalt von Kulturerbe-Objekten eine Katastrophe, da andere Verfahren, wie Heißluft, den zehnfachen Kostenaufwand erfordern würden.

Graue Langohren haben Wochenstube eingerichtet

Doch neben den technischen und finanziellen Herausforderungen gab es auch ökologische Hürden. "Wir mussten über einige Brücken gehen", erinnert sich Müller. Besonders der Artenschutz – genauer gesagt der Schutz der Fledermäuse – verlangte nach zusätzlicher Planung und Verzögerungen. Thomas Frank von Chiroplan, einem Büro für Fledermauskunde, erklärt, dass die im Schloss lebenden Grauen Langohren eine Wochenstube eingerichtet haben – ein sensibles Quartier für die Weibchen und ihre Jungen. "Diese Fledermäuse sind sehr standorttreu und brauchen oft Jahre, um sich an neue Quartiere zu gewöhnen." Deswegen wurden im Vorfeld der Begasung zahlreiche Maßnahmen zur Vergrämung der Tiere durchgeführt, um sicherzustellen, dass sie das Schloss verlassen haben.

Bis Montagmittag wird noch begast, danach baut die Firma Groli ihre Technik wieder ab. Wenn alles nach Plan verläuft, übergibt der "Hausherr auf Zeit", wie Müller das Vorgehen seiner Firma beschreibt, die Schlüssel des Schlosses an den Förderverein und die Gemeinde am Mittwochnachmittag. Jetzt bleibt den Beteiligten nur zu hoffen, dass die Begasung langfristig den Verfall des Holzes stoppt. Erst danach kann der Ausbau des Gebäudes beginnen und das Wasserschloss wieder nach und nach für die Öffentlichkeit geöffnet werden.