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Ein Kleinod auf dem Meißner Crassoberg

Die Arbeiten zur Sanierung am und im Weinberghaus stehen vor dem Abschluss. Vor allem im Inneren zeigt sich, dass es voller Überraschungen ist.

Von Harald Daßler
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Innen fertig: Das denkmalgerecht sanierte Weinberghaus bekommt im nächsten Jahr auch einen neuen Fassadenanstrich. Vorn rechts der Ergänzungsbau mit dem Sanitärtrakt.
Innen fertig: Das denkmalgerecht sanierte Weinberghaus bekommt im nächsten Jahr auch einen neuen Fassadenanstrich. Vorn rechts der Ergänzungsbau mit dem Sanitärtrakt. © Claudia Hübschmann

Meißen. Dieses Haus gibt der Nachwelt noch viele Rätsel auf. Die Türwächter-Figuren, die in diesem Frühjahr im Treppenhaus entdeckt wurden und nun freigelegt und konserviert sind, gehören ebenso dazu wie eine Schwarzküche mit Kreuzgewölbe im Erdgeschoss dieses Häuschens. Ein offenkundig als Weinkeller genutztes Gewölbe im Untergeschoss ließ es als Weinberghaus auf dem Crassoberg bekannt werden. So klein es auch ist, so markant prägt es das Bild, das sich von der linken Elbseite her bietet. Lange Zeit stand das Häuschen leer, von dessen Geschichte nur wenig bekannt ist. Lediglich am Putz lässt sich seine Entstehungszeit eingrenzen – auf Mitte des 16. Jahrhunderts. Heinrich von Maltitz zu Ilkendorf ließ es im Stil der Renaissance erbauen, berichtet Dorothee Finzel.

Der Geschäftsführerin des Freien Werkschule liegt das Häuschen besonders am Herzen – aber nicht nur, weil es zum Areal der Schule gehört, seit 2003 der Schulträgerverein „Miteinander“ auf den Crassoberg zog. Im Zuge der schrittweisen Sanierung des ehemaligen Krankenhauses, das der Verein vom Landkreis übernommen hatte, ist das Weinberghaus nun das letzte Gebäude „im Bau“. Seit 2017 wird intensiv daran gearbeitet, das zweigeschossige Gebäude mit den Ziergiebeln denkmalgerecht zu sanieren.

Überliefert ist, dass der Oberinspektor der Königlichen Porzellanmanufaktur zu Meißen Gustav Ludwig Crasso das Haus samt Weinberg im Jahr 1890 der Stadt Meißen schenkte – verbunden mit der Verpflichtung, auf dem Gelände ein städtisches Krankenhaus zu errichten. Das Häuschen diente dann bis in die DDR-Zeit hinein auch als Wohnhaus für Krankenschwestern.

Werkschul-Geschäftsführerin Dorothee Finzel zeigt eine der im Treppenhaus freigelegten und restaurierten Türwächter-Figuren.
Werkschul-Geschäftsführerin Dorothee Finzel zeigt eine der im Treppenhaus freigelegten und restaurierten Türwächter-Figuren. © Claudia Hübschmann
Bei der Restaurierung der Wand im Obergeschoss stellte sich heraus, dass sich die Eingangstür ursprünglich unter einem Hausspruch befand. Sie wurde später nach links versetzt, wodurch die Türwächter-Figur stark in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Bei der Restaurierung der Wand im Obergeschoss stellte sich heraus, dass sich die Eingangstür ursprünglich unter einem Hausspruch befand. Sie wurde später nach links versetzt, wodurch die Türwächter-Figur stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. © Claudia Hübschmann
Dieses Gewölbe im Untergeschoss des im 16. Jahrhundert errichteten Häuschens wurde sehr wahrscheinlich als Weinkeller genutzt.
Dieses Gewölbe im Untergeschoss des im 16. Jahrhundert errichteten Häuschens wurde sehr wahrscheinlich als Weinkeller genutzt. © Claudia Hübschmann

Für das Projekt konnte der Meißner Architekt Thomas Bretschneider gewonnen werden. Zunächst galt es das Gebäude in seiner Substanz zu sichern, berichtet Dorothee Finzel. Risse im Mauerwerk wurden vernadelt, historische Außenputze gesichert und Kastenfenster originalgetreu ersetzt. Ebenso wurden das aus der Renaissancezeit stammende Portal mit seinen Sitznischen originalgetreu restauriert und die historische Holzeingangstür in mühevoller Kleinarbeit aufgearbeitet.

Die Arbeiten im Inneren förderten Überraschungen zutage. „Dabei wurde festgestellt, dass die Innenwände mit den Außenwänden gar nicht stabil verzahnt waren“, so die Geschäftsführerin. Mit massiven Stahlankern konnte dieses Problem gelöst werden. Inzwischen sind Decken und Fußböden instandgesetzt und teilweise erneuert. Jetzt verfügt das Haus auch über moderne Heizung, Elektrik und Internetanschlüsse.

In unmittelbarer Nachbarschaft ist ein Sanitärtrakt entstanden, weil für den Einbau von Toiletten einfach kein Raum war. Eigentlich sollte der Ergänzungsbau bereits über einen gepflasterten Weg mit den anderen Schulgebäuden sowie dem Weinberghaus verbunden sein. Schnee und Kälte der vergangenen Wochen zwangen zur Verschiebung dieser Arbeiten auf den Beginn des neuen Jahres.

Im Februar soll das von innen sanierte Haus feierlich eröffnet werden, kündigt Dorothee Finzel an. Die Schule gewinnt einen Raum im Obergeschosse hinzu, in den sich Lerngruppen zurückziehen können. Zwei kleinere Räume im Erdgeschoss stehen für Projektarbeiten, Beratungen von Lehrern oder Elterngespräche zur Verfügung. Ebenso können Meißner wie das Kuratorium „Rettet Meißen – Jetzt!“, das mit einer Spende das Projekt unterstützt hatte, die Räumlichkeiten für Zusammenkünfte und Tagungen nutzen. Eine moderne Küche, die in der einstigen Schwarzküche eingerichtet wurde, kann auch genutzt werden, um das Publikum bei schuleigenen Feierlichkeiten oder den Sommerkonzerten auf dem Crassoberg zu versorgen.

Zum Beginn des neuen Jahres werden Tische und Stühle angeliefert. Bis zur Eröffnung erhalten die Räume den endgültigen Anstrich. Neben dem Sanitärtrakt entsteht im Frühjahr noch eine Kletterlandschaft für die Hortkinder.

Auf rund 850.000 Euro beziffert Dorothee Finzel die finanziellen Mittel, die bislang in dieses Projekt flossen. Zuschüsse gab es aus acht verschiedene Förderprogrammen. So wurden die Innensanierung mit Geld aus dem „Brücken für die Zukunft“-Programm und der Ergänzungsbau aus dem Bund-Länder-Programm für nachhaltige Entwicklung (WEP) finanziert. Über dieses Programm werden im nächsten Jahr auch abschließende Arbeiten an der Fassade und die Dacheindeckung möglich. Ebenso konnten Spenden, Zuwendungen und Sondermittel der Denkmalpflege sowie Eigenmittel des Schulträgervereins verwendet werden.

Eine Überraschung, die auch Experten in Staunen versetzt, sind die Türwächter-Figuren. Teile dieser Wandmalereien kamen beim großflächigen Abwaschen der Wände im Treppenhaus zum Vorschein. Erst seit Februar dieses Jahres ist klar, dass es sich um Türwächter handelt, wie sie in Sachsen bislang nur im Schloss Augustusburg entdeckt wurden. Nach heutiger Auffassung unter Restauratoren wurde alles, was von diesen Malereien erhalten ist, freigelegt, konserviert und dokumentiert. Die Arbeiten führten die Meißner Restauratoren Stephanie Bogin und Martin Lehmann aus.

Noch bleibt vieles zu diesen Figuren wie auch zur Geschichte des Hauses rätselhaft. Zugleich bietet das auch Möglichkeiten zur Beschäftigung damit – in Schüler-Projekten oder für kreatives Aufschreiben von Geschichten, wie es hätte sein können. Das werde dazu beitragen, in die Nutzung dieses Haus hineinzuwachsen, wie es Dorothee Finzel augenzwinkernd formuliert.