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Die Türwächter vom Weinberghaus

In dem während der Renaissance errichteten Gebäude kamen jetzt Reste von Wandmalereien zum Vorschein. Darüber sind nicht nur Experten überrascht.

Von Harald Daßler
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Dorothee Finzel zeigt auf einen der beiden Türwächter, die jetzt im Zuge der Arbeiten zur Sanierung des Weinberghäuschens auf dem Crassoberg entdeckt worden sind.
Dorothee Finzel zeigt auf einen der beiden Türwächter, die jetzt im Zuge der Arbeiten zur Sanierung des Weinberghäuschens auf dem Crassoberg entdeckt worden sind. © Claudia Hübschmann

Meißen. Zugegeben: Es braucht etwas Fantasie, um den Fuß und die Teile des Gewandes, die ins Auge fallen, einem Wächter zuzuordnen. Bei intensiver Betrachtung werden Teile eines Schwertes erkennbar, das der Dargestellte wohl über seinen Kopf schwingt. Konturen lassen darauf schließen, dass er behelmt war.

Zum Vorschein kamen diese und weitere Wandmalereien jetzt im Weinberghäuschen auf dem Crassoberg. Sie „tauchten“ beim Abwaschen der Wände auf, wie Dorothee Finzel berichtet. Die Geschäftsführerin des Trägervereins „Miteinander“ der Freien Werkschule kümmert sich auch um die Sanierung des auf dem Schulgelände stehenden Weinberghäuschens.

Die jetzt aufgetauchten Malereien sind eine echte Überraschung. Bereits 2017 hatte es in dem in der Renaissancezeit erbauten Haus restauratorische Voruntersuchungen gegeben, bei denen zahlreiche Malereien auch an den Wänden entdeckt wurden. Die Beurteilung durch Experten und Restauratoren floss in das Sanierungskonzept für das Weinberghäuschen ein. Dabei wurde auch entschieden, welche der aufgetauchten Funde restauratorisch behandelt und welche lediglich dokumentiert und danach überbaut werden.

In den Treppenhäusern, wo die neuen Fundstücke jetzt auftauchten, war mit solchen Malereien nicht gerechnet worden. Selbst Restauratoren waren darüber erstaunt, wie Dorothee Finzel berichtet. Von ihnen erfuhr sie, dass die Anordnung der Malereien neben den Türen im Erd- und Obergeschoss darauf schließen lässt: Es könnte sich um Türwächter handeln. Ihre Ausstattung mit Säbeln und Lanzen unterstreiche den wehrhaften Charakter ihrer Darstellung, so die Einschätzung des Meißner Diplom-Restaurators Martin Lehmann. Ihre Kleidung entspreche der Mode der damaligen Zeit.

Auch das Landesdenkmalamt schätzt ein, dass es sich um Darstellungen von Wächtern handelt. Speziell Landsknechte oder Riesen, die sich in den freigelegten Funden erkennen lassen, sind sehr selten anzutreffen. Das Landesdenkmalamt spricht von einem „Alleinstellungsmerkmal in der sächsischen Kulturlandschaft“. Eine vergleichbare Wächter-Darstellung findet sich noch im Venussaal auf Schloss Augustusburg in der Nähe von Chemnitz.

Als ebenfalls sehr interessant schätzen die Experten vom Landesamt für Denkmalpflege ein Schriftfeld ein, das ebenfalls im Treppenhaus freigelegt wurde. Es ist in Meißner Kanzleisprache formuliert. Nach Meinung der Experten stammt dieser Hausspruch ebenso wie die Türwächter aus der Entstehungszeit des Weinberghauses im 16. Jahrhundert.

Freigelegt wurde auch dieser Hausspruch in Meißner Kanzleischrift.
Freigelegt wurde auch dieser Hausspruch in Meißner Kanzleischrift. © Claudia Hübschmann

Die Einschätzung der Fachleute ist verbunden mit der Empfehlung, die Funde nun „behutsam und konsequent“ freizulegen. Dem sollten die Konservierung und Restaurierung sowie die Präsentation folgen. Der Meißner Restaurator Martin Lehmann hat bereits ein Maßnahmenkonzept erarbeitet. Denkbar sei, die freigelegten Reste zu konservieren und mit einer Glasplatte zu bedecken. Auf der könnte dann auch dargestellt werden, wie die Wächterfigur im Ganzen ausgesehen haben könnte, so Dorothee Finzel. Geklärt werden müsse auch, wie die Wandmalereien im Treppenhaus vor klimatischen und mechanischen Beeinträchtigungen geschützt werden können.

Das wird sich auch auf den Fortgang der Arbeiten zur denkmalgerechten Sanierung des Weinberghäuschens auf dem Crassoberg auswirken. Die zusätzlichen restauratorischen Aufgaben beanspruchen nicht nur Zeit. Für die damit verbundenen Kosten ist der Verein bereits auf der Suche nach Fördermöglichkeiten.

Der kulturhistorische Wert, den die Türwächter dem Weinberghäuschen verleihen, bringt neue Möglichkeiten seiner Nutzung mit sich. Außer für die Schule – etwa für Projektarbeiten, Beratungsgespräche oder Schuleinführungsfeiern – könnte das Haus auch bei Veranstaltungen geöffnet werden. Das traditionelle Sommer-Open Air der Elblandphilharmonie auf dem Crassoberg könnte eine solche Gelegenheit bieten, die historischen Funde der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.