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Mallorca empfängt deutsche Touristen mit Applaus

Zumindest die Vorsaison hat schon mal begonnen: Auf Mallorca kommen die ersten deutschen Urlauber an – und werden dort empfangen wie Popstars.

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Dieser Urlaub wird in Erinnerung bleiben: Selten war es schön leer auf der liebsten Mittelmeerinsel der Deutschen
Dieser Urlaub wird in Erinnerung bleiben: Selten war es schön leer auf der liebsten Mittelmeerinsel der Deutschen © dpa/Joan Mateu

Von SZ-Korrespondent Martin Dahms, zzt. Mallorca

Are you happy to be in Mallorca?“, fragt die spanische Reporterin, aber Thomas – so stellt er sich vor – zuckt nur entschuldigend mit den Schultern: „Ich spreche leider kein Englisch.“ Thomas ist einer von 165 deutschen Urlaubern, die an diesem Montagvormittag um 10.54 Uhr, mit zwanzig Minuten Verspätung, am Flughafen von Palma de Mallorca landen. Er wird, wie alle Ankömmlinge, von Reportern umringt, sobald er die Kontrollen hinter sich hat und die Ankunftshalle betritt.

Er und die anderen deutschen Urlauber, die am Morgen in Düsseldorf ins Flugzeug stiegen, sind heute die Könige von Mallorca. Auf Deutsch sagt Thomas: „Wir freuen uns auf einen schönen Urlaub.“ Zumindest wird es ein außergewöhnlicher Urlaub sein, wahrscheinlich sogar ein unvergesslicher. Die 165 aus Düsseldorf sind die Pioniere der diesjährigen Touristensaison in Spanien.

Drei Monate lang hatte sich Spanien vom Rest der Welt abgeschottet, was wegen der Covid-19-Epidemie nötig, aber ökonomisch eine Katastrophe war. Der Tourismus ist eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes, und die soll bitte bald wieder sprudeln. Vor drei Wochen sagte Ministerpräsident Pedro Sánchez, an die Europäer gewandt, den schönen Satz: „Spanien erwartet euch!“ Ab 1. Juli sollten die Grenzen wieder geöffnet werden.

Die Regionalregierung auf den Balearen kämpfte hartnäckig darum, dass es auf Mallorca und den anderen Inseln schon ein wenig früher mit einer „Pilotphase“ losging, einer Art kleinem Testbetrieb vor dem erhofften großen Ansturm. Der Flieger aus Düsseldorf war der erste Botschafter dieses Probelaufs – der schließlich ein sehr kurzer sein wird: Die Sánchez-Regierung hat nun kurzfristig beschlossen, dass die allgemeine Touristensaison nun schon am kommenden Sonntag, dem 21. Juni, starten soll.

Hotelpersonal applaudiert

Sechs Tage lang dürfen sich Thomas und die anderen nun als etwas ganz Besonderes fühlen: als umworbene, umschmeichelte, beklatschte Gäste. Auf den Stufen des Hotels Concordia an der Playa de Palma, wenige Autominuten vom Flughafen entfernt, hatte sich um kurz vor zwölf ein Empfangskomitee aus Rezeptionisten, Köchen und Zimmermädchen gebildet. Als die ersten beiden Deutschen, mit einigem Gepäck beladen, eintrafen, applaudierte das Hotelpersonal, was einen der beiden Ankömmlinge so sehr verwirrte, dass er auf den Stufen ins Stolpern kam.

Drinnen war der Empfangsbereich des Hotels zur Sicherheitszone umgebaut worden, mit Absperrbändern für korrektes Schlange stehen und Plexiglasscheiben an der Rezeption. Einen ganz normalen Urlaub wird es dieses Jahr nicht geben. Denn schon am Flughafen zeigte sich, wie schwer die neuen Regeln für Coronavirus-Zeiten einzuhalten ist. Überall weisen Plakaten darauf hin, dass man bitte 1,50 Meter Abstand zu seinen Mitmenschen halten möge. 

Wie ein Popstar: Ein Fluggast von Flug TUI X3 2312 Düsseldorf-Mallorca wird am Montag im Flughafen von Palma von Journalisten interviewt.
Wie ein Popstar: Ein Fluggast von Flug TUI X3 2312 Düsseldorf-Mallorca wird am Montag im Flughafen von Palma von Journalisten interviewt. © Joan Mateu/AP/dpa

Aber als sich die 200 für diesen Tag beim Flughafen akkreditierten Journalisten um die eintreffenden Urlauber zu scharen begannen, war alle Distanz vergessen. Einer der Eingetroffenen war ein Individualreisender, der sich endlich um sein Haus auf der Insel kümmern wollte. „Wollen Sie ein normales Leben auf Mallorca führen?“, fragte eine spanische Reporterin. „Ich hoffe, dass es möglich sein wird!“, antwortete er.

Im selben Hotel Concordia, in dem die Touristen beklatscht wurden, versammelten sich um halb zwei die wichtigsten Insel-Honoratioren und TUI-Chef Sebastian Ebel zur Pressekonferenz. Ebel war gemeinsam mit den Urlaubern in den Düsseldorfer Flieger gestiegen. „Ich habe selten so viel Vorfreude erlebt wie in diesem Flugzeug“, sagte Ebel. Er sei „sehr, sehr zuversichtlich“, was die weitere Entwicklung dieser Feriensaison betreffe. Das ist das Ziel dieser kurzen Vorsaison auf Mallorca: Von hier aus soll sich ein ansteckender Optimismus über Europa verbreiten. Möglichst ansteckender als das Virus.

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Vieles wird davon abhängen, wie die Balearen diese Sechstageprobezeit bestehen werden. Am Montag landete am frühen Abend noch ein zweiter Ferienflieger in Palma, diesmal aus Frankfurt. Am Mittwoch wird eine Maschine aus Düsseldorf nach Ibiza fliegen, danach am Donnerstag die nächsten drei – aus Stuttgart, Hannover und Frankfurt – wieder nach Palma. Am Sonntag beginnt dann der touristische Normalbetrieb auf den Balearen und in ganz Spanien, ohne zweiwöchige Pflichtquarantäne, wie sie jetzt noch überall – außer bei diesem touristischen Pilotprojekt auf Mallorca und Ibiza – einzuhalten ist.

Für alle Spanienurlauber werden in diesem Jahr – und wahrscheinlich noch länger – dieselben Regeln gelten wie für die Spanier selbst: Sie müssen in der Öffentlichkeit eine Gesichtsmaske tragen, wenn sie kein Bußgeld von bis zu 100 Euro zahlen wollen; außerdem sollen sie den Mindestabstand von anderthalb Metern beachten und sich regelmäßig die Hände waschen. 

Wie hier im Hotel Riu Concordia in Palma de Mallorca sind noch viele Plätze frei. Für das Personal gilt Mundschutzpflicht.
Wie hier im Hotel Riu Concordia in Palma de Mallorca sind noch viele Plätze frei. Für das Personal gilt Mundschutzpflicht. © Joan Mateu/AP/dpa

Wachleute – manchmal mit Hilfe von Sensoren und Kameras – oder notfalls die auch Polizei sorgen dafür, dass die Strände nicht überfüllt sind. In geschlossene Räumen – Restaurants, Kneipen, Theater, Museen – werden weniger Menschen als gewöhnlich eingelassen. Es wird sein wie zuhause: Man muss aufpassen. Und es gibt kein Rundumvergnügen. Bierkönig und Megapark bleiben vorerst geschlossen, wenn sie auch schon hörbar mit den Hufen scharren, um bald wieder loszulegen. Aber fröhliche Massenaufläufe sind im Moment ganz unvorstellbar.

Auf die ersten Ankömmlinge auf Mallorca wartete erst einmal eine Wärmebildkamera, die mögliche Fieberfälle erkennen sollte, was mehr von psychologischem als von praktischem Nutzen zur Pandemiebekämpfung ist. Die Anreisenden mussten ein Formular mit ihren Kontaktdaten ausfüllen, um in den Folgetagen gelegentlich nach ihrer Gesundheit befragt werden zu können. Und natürlich sollen sie aufmerksam ihr eigenes Befinden beobachten und im Fall der Fälle zum Arzt gehen.

Deutsche Urlauber sind "fundamental"

Spanien hat lange auf diesen Moment gewartet, der Tourismus ist seine größte Industrie, und die deutschen Urlauber sind für Mallorca „absolut fundamental“, wie die Regionalpräsidentin Francina Armengol bei der Pressekonferenz im Hotel Concordia sagte. Aber das Virus ist nicht weg und deshalb die Sorge groß, dass es mit den Gästen wieder vermehrt ins Land kommt.

Am Freitag sagte der kanarische Ministerpräsident Ángel Víctor Torres in einem Radiointerview: „Die Bedrohung kommt von außen.“ Er wollte damit nicht böse über die Touristen reden. Aber sowohl die Kanaren als auch die Balearen gehören zu den spanischen Regionen mit verhältnismäßig wenigen Covid-19-Fällen, und die Sorge der Einheimischen, von den Besucher angesteckt zu werden, dürfte größer sein als die umgekehrte Sorge.

Spanien war drei Monate lang so gut wie abgesperrt von der Außenwelt. Doch allein in den 31 Tagen zwischen 11. Mai und 11. Juni brachten die wenigen Einreisenden 104 Coronavirusinfektionen ins Land. Die meisten kamen aus Amerika, aber auch ein belgischer Prinz war unter den Infizierten.

Die Regionalpräsidentin Armengol verkündete am Montag selbstbewusst: „Wir können sagen, dass die Balearen sicher sind.“ In den Gesundheitsämtern der Inseln stünden 150 Leute bereit, um in Fall der Fälle Ansteckungsketten nachzuverfolgen. Auch Spaniens oberster Seuchenschützer Fernando Simón setzt darauf, dass die spanischen Systeme der Entdeckung und des Nachspürens der Infektionswege funktionieren. Von Tests für alle Besucher will er nichts wissen, das wiege die negativ Getesteten nur in falscher Sicherheit.

Der Kanarenpräsident Torres hingegen ist vom Gegenteil überzeugt: Wenn sich die Touristen nicht schon zuhause testen ließen, dann will er das nach ihrer Ankunft auf den Inseln machen lassen. Verwirrenderweise denkt Torres allerdings an Antikörpertests, die nichts über aktive Infektionen aussagen. Die Wiedereröffnung der spanischen Touristensaison ist in jeder Hinsicht ein sanitärer Großversuch.