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Absatzkrise: Schon wieder Kurzarbeit bei Bechstein in Seifhennersdorf

Zum zweiten Mal seit 2023 meldet das Unternehmen Kurzarbeit an. Einen Grund zum Feiern gibt's trotzdem.

Von Markus van Appeldorn
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Bei Bechstein in Seifhennersdorf gibt's schon wieder Kurzarbeit.
Bei Bechstein in Seifhennersdorf gibt's schon wieder Kurzarbeit. © Archiv/Rafael Sampedro/foto-samp

Es ist der Firmenname mit dem im Wortsinn besten Klang in der Region - Bechstein in Seifhennersdorf. Die Pianoforte-Manufaktur fertigt Konzertflügel von Weltruf. Doch mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine geriet das Unternehmen von jetzt auf gleich in eine Absatzkrise - und musste nun schon zum zweiten Mal seit 2023 Kurzarbeit für seine 250 Mitarbeiter anmelden. Geschäftsführer Matthias König blickt dennoch zuversichtlich in die Zukunft - und zu feiern gibt's mit einem Konzertabend am Sonnabend auch etwas.

"Wir haben neulich für den gesamten Betrieb bis Januar 2025 Kurzarbeit angemeldet", sagt Matthias König. Bereits ab Frühjahr 2023 hatte sich die Manufaktur für ein Jahr in Kurzarbeit befunden. "Man kann für längstens 12 Monate Kurzarbeit anmelden, dann muss man wieder für mindestens drei Monate voll arbeiten", erklärt er. Dann könne man erneut Kurzarbeit für bis zu 12 Monate anmelden - man habe sich diesmal aber nur für einen Zeitraum von einem halben Jahr entschieden.

Klare Ansage nach Beginn des Ukrainekriegs

"Es ist nach wie vor so, dass nicht immer alle Mitarbeiter in Kurzarbeit sind", so König. Montags und freitags ruhe die Produktion. An den anderen Tagen würden je nach Auftragslage 50 bis 250 Beschäftigte arbeiten. "Wir haben Hoffnung auf normale Zeiten. Dass die Leute aufhören, sich gegenseitig umzubringen und wieder Frieden und Kultur einkehren", sagt König angesichts des Krieges im Osten. Bis zum Rekordjahr 2022 sei der Umsatz des Unternehmens über zehn Jahre hinweg jedes Jahr um zehn Prozent gewachsen. "Die Flaute kam ziemlich genau mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs", sagt er - auch weil Bechstein sofort nach Kriegsausbruch Konsequenzen zog und die Lieferung von Instrumenten nach Russland von einem Tag auf den anderen einstellte. "Aggressive Völker, die andere überfallen, unterstützen wir nicht. Das ist Firmenphilosophie", sagt König.

Bechstein ist abhängig vom Export. 70 Prozent der in Seifhennersdorf gefertigten Instrumente gehen ins Ausland. Und bis dahin sei Russland ein immens wichtiger Markt gewesen. Dabei sind die Flügel der Marke Bechstein das Umsatzrückgrat des Konzerns. In Österreich und Tschechien werden noch Instrumente der Konzernmarken Feurig, Zimmermann und Hoffmann gefertigt. Von den insgesamt jährlich 10.000 gefertigten Klavieren und Flügeln sind nur 2.000 solche der Spitzenmarke Bechstein aus Seifhennersdorf. "Aber diese 2.000 sind die umsatzstärksten", sagt König. Natürlich fertige Bechstein aktuell keine 2.000 Instrumente mehr. Konkrete Zahlen aber will König nicht nennen.

Die Gründe für die Absatzkrise

Durch den Krieg kam es auch zu einer Inflation. Die Folge: Die Menschen halten ihr Geld zusammen und geben es lieber erst mal nicht für ein kostspieliges Instrument aus. Das Absatzproblem liegt nämlich nicht bei den immens teuren Konzertflügeln für professionelle und prominente Pianisten - das Spitzenmodell von Bechstein kostet 215.000 Euro. Und wenn so ein Pianist oder eine Philharmonie einen neuen Flügel benötigen, werden sie auch jetzt nicht daran sparen. In dieser Liga spielen laut König weltweit neben Bechstein nur zwei weitere Mitbewerber: Der deutsch-amerikanische Hersteller Steinway, dessen Spitzenflügel in Hamburg gefertigt werden und der in Wien ansässige Hersteller Bösendorfer, Top-Marke der Instrumentenbau-Sparte des japanischen Yamaha-Konzerns.

Diese Instrumente der Weltklasse machen aber nur einen recht geringen Anteil der in Seifhennersdorf gefertigten Instrumente aus. Die "Menge" machen Instrumente der "Akademie" und "Residenz" genannten Baureihen aus. Die kosten freilich auch mindestens 30.000 Euro - und diese Instrumente werden von kultivierten Haushalten erworben, in denen auf hohem Niveau und eben auf Instrumenten musiziert wird, die hohe Ansprüche erfüllen. "Die Krise betrifft weltweit alle Hersteller. Auch dem weltgrößten Hersteller Pearl River in China geht's ganz schlecht", sagt König.

Und die Absatzprobleme würden auch massiv auf die Zulieferer durchschlagen. "Flügel werden überwiegend aus Materialien gefertigt die lange ablagern müssen", erklärt König - insbesondere Holz. Um den perfekten Klang zu liefern, müssen die verwendeten Hölzer jahrelang trocknen. Und so sitze man in Seifhennersdorf etwa auf Holzmengen, die für einen Produktionszeitraum von vier Jahren vorgesehen wären.

Matthias König stellt dennoch klar, dass Bechstein nicht existenziell bedroht sei. "Bechstein ist ein kerngesundes Unternehmen mit ausreichender Liquidität. Und die Marke Bechstein ist die Burg, auf die wir uns konzentrieren."

Konzert mit Hits von Marius Müller-Westernhagen

Und Matthias König freut sich auch auf den Konzertabend am Sonnabend auf dem Firmengelände. Bereits 2016 hat Bechstein die Veranstaltung "Kultur im Zelt am Anfang der Welt" etabliert - jedes Jahr im September. "Dieses Jahr feiern wir 75 Jahre Musik von Marius Müller-Westernhagen", sagt er. Streng genommen macht "Marius" noch nicht seit 75 Jahren Musik - ist aber eben 75 Jahre alt. "Dafür haben wir die Berliner Band 'Weitersagen, im Zelt, die seine Lieder spielt und die Band ist wirklich klasse", schwört König. Selbstredend werden Marius-Hits wie "Dicke" oder "Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz" auf einem Bechstein Flügel begleitet. König weiß nicht, ob Marius Müller-Westernhagen selbst einen Bechstein besitzt, aber: "Seine Musiker spielen natürlich oft auf einem und er hat das sicher auch schon."

"Es gibt noch genügend Karten", sagt König. Im Vorverkauf kosten sie 34 Euro. Erhältlich sind sie in den SZ-Lokalen in Zittau, Görlitz und Bautzen, ebenso in "Carls Musikcafé" und bei Lotto Kaiser in Seifhennersdorf, in der Buchhandlung Fiedler in Ebersbach und im CD-Studio in Zittau. Einlass ist um 18 Uhr. "Bis zum Konzertbeginn und in der Pause musizieren unsere Lehrlinge auf einer Bühne im Fabrikhof. Der Weg zum Zelt führt über einen roten Teppich durch die Produktionshalle", schildert König.