Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Löbau

Wie sich der Eulenspiegel über Löbau lustig machte

Der marode „Oberlausitzer Hof“ beschäftigte vor 35 Jahren den Rat der Stadt und ließ ihn auf skurrile Einfälle kommen. Später wurde er abgerissen.

Von Bernd Dreßler
 2 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Der Löbauer „Oberlausitzer Hof“ mit dem "Bergwerksstollen" schaffte es 1990 in die Satire-Zeitung „Eulenspiegel“. Heinz Behling karikierte das Dilemma um das einst erste Haus am damaligen Karl-Marx-Platz (seit 1991 wieder Wettiner Platz).
Der Löbauer „Oberlausitzer Hof“ mit dem "Bergwerksstollen" schaffte es 1990 in die Satire-Zeitung „Eulenspiegel“. Heinz Behling karikierte das Dilemma um das einst erste Haus am damaligen Karl-Marx-Platz (seit 1991 wieder Wettiner Platz). © Repro: SZ

Löbau hatte vor 35 Jahren einen Bergwerkstollen. Nicht tief unter der Erde auf dem Löbauer Berg, sondern mitten in der Stadt auf einem Bürgersteig, direkt angebaut an ein geschichtsträchtiges Hotel, das einst „Wettiner Hof“, später „Oberlausitzer Hof“ hieß. Der Stollen war durch seine Bahnhofsnähe gut besucht. Mitunter zogen Passanten beim Durchgehen plötzlich den Kopf ein, weil etwas auf die Abdeckung polterte. Das altehrwürdige Gebäude, in dem 1869 sogar seine Majestät Sachsenkönig Johann übernachtet hatte, war längst nicht mehr ehrwürdig. Es ächzte unter der Last des Alters und war ein Pflegefall geworden, weil man es in der DDR nicht gepflegt hatte. 1985 wurde es aus Sicherheitsgründen gesperrt und bekam auf der Gebäudeseite, wo einst das Stadtcafé war und Kaffeehausmusikanten aufspielten, eine Art Schutzgang für Fußgänger – eine Art Löbauer Bergwerkstollen.

Aufgegeben hatte man den riesigen Gebäudekomplex aber noch nicht. Studenten der TU Dresden waren sich sogar sicher, dass man daraus ein Hotel mit 300 Plätzen machen könne. Doch woher das Geld dafür nehmen? Außerdem waren die im westlichen Ausland angesiedelten Besitzer zu beachten. Eine Verwalterin besaß keine Vollmacht zu Bau- oder Abrissmaßnahmen. Löbaus Rat versuchte es dennoch und nahm einen Zwangskredit über 80.000 Mark auf, um wenigstens das Saaldach erneuern zu können. Doch daraus wurde wegen akuter Einsturzgefahr nichts.

Also blieb nur der Abriss. Doch wie sollte die Stadt ein Haus abreißen, das ihr gar nicht gehörte? Dieses Dilemma war auch dem „Eulenspiegel“ nicht entgangen, der Wochenzeitung für Satire und Humor. Im Heft 6/1990 widmete sie unter der Überschrift „Löbau – eine Stadt mit Höhen und Superlativen“ der damaligen Kreisstadt eine Doppelseite. Der als Stadtführer fungierende Redakteur Wolfgang Mocker bezog selbstverständlich den Superlativ „Oberlausitzer Hof“ mit seinem Bergwerkstollen in die Reiseleitung ein. Und der bekannte Berliner Karikaturist und Grafiker Heinz Behling (1920–2003) setzte die „Oberlausitzer Hofruine“, wie er das marode Gebäude bezeichnete, mit angebauten „Bergwerkstollen“ treffend ins Bild.

1991 konnte der Abriss endlich erfolgen. Dass sich auf der frei gewordenen Fläche durch jahrelanges unberührtes Wachstum ein stattliches Birkenwäldchen entwickeln konnte, war erneut eulenspiegelreif. Letztlich hatte das Biotop aber keinen Bestand. Es wurde versiegelt, weil die Handels- und sonstigen Einrichtungen des neu entstandenen multifunktionalen Zentrums an der Sachsenstraße Parkplätze brauchten.