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Aus der Schweiz nach Löbau: Warum es einen jungen Mann in die Oberlausitz zieht

Rodolfo Mijares Cotiz stammt aus Venezuela, hat in Mannheim und Basel studiert. Jetzt ist er in die Oberlausitz gezogen - für seinen Traumjob.

Von Anja Beutler
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Rodolfo Mijares Cotiz stammt aus Venezuela und hat gerade als neuer Lehrer für Geige und Bratsche an der Musikschule Dreiländereck angefangen.
Rodolfo Mijares Cotiz stammt aus Venezuela und hat gerade als neuer Lehrer für Geige und Bratsche an der Musikschule Dreiländereck angefangen. © Matthias Weber/photoweber.de

Rodolfo Mijares Cotiz ist seit September ein Löbauer. Eine buchstäblich rasante Entscheidung: Im Juni hatte er seinen Vorstellungstermin für seinen neuen Job. Im August hat er sich eine Wohnung gesucht. Jetzt ist der Venezolaner da. "Ich war schon auf dem Löbauer Berg und am Gusseisernen Turm", sagt er stolz und fügt hinzu: "Ich glaube, ich bin hier richtig." Dass er das aus Überzeugung sagt, sieht man ihm an: Cotiz' graue Augen sprühen fröhlich, er lacht über sein ganzes Gesicht. Wer weiß, dass der junge Mann aus dem Norden Südamerikas stammt und die letzten Jahre in der Schweiz verbracht hat, auch schon in den USA und mehrere Monate auf einem Kreuzfahrtschiff musiziert hat, der mag sich über so viel Begeisterung ein bisschen wundern.

Und doch: Die 75-Prozent-Stelle als Lehrer für Bratsche und Violine an der Kreismusikschule Dreiländereck ist für den 33-Jährigen eine "goldene Gelegenheit". "Ich liebe es, mit Jugendlichen zu arbeiten, ich liebe es zu unterrichten", schwärmt er. Wenn Cotiz von seinem Leben erzählt, merkt man schnell, dass er ein Mensch ist, der nicht immer mit dem Strom schwimmt. Als Kind wuchs er mit Eltern und einer Schwester in den Großstädten Maracay und Valencia auf. Einige Monate lebte seine Familie auch in den USA, weil sein Vater - ein Arzt - dort eine berufliche Spezialisierung erlangen konnte. "Danach konnten wir Kinder gut Englisch", erinnert er sich. Cotiz besuchte dann aber eine deutsche Schule, wo er von Beginn an Deutschunterricht hatte.

Deutschunterricht schon in der Schule

"Meine Familie hat keine deutschen Wurzeln - dafür französische, spanische und italienische", sagt er. "Aber meine Mutter meinte, ich sollte außer Englisch noch eine andere Sprache lernen." Und Deutsch lag ihm. Schon in der Schulzeit besuchte er über einen Schüleraustausch erstmals Deutschland - Düsseldorf, um genau zu sein. Später, in der Abiturzeit, erhielt er über den Deutschen Akademischen Austauschdienst eine weitere Deutschlandreise: "In vier Wochen haben wir viel gesehen: Bonn, Neustadt an der Weinstraße, Berlin, München", zählt er auf.

Auch in der Musik machte er - als Spätstarter - schnell seinen eigenen Weg. Mit zehn Jahren konnte er sich für ein Instrument entscheiden. "Alle wollten Geige spielen, deshalb habe ich die Bratsche ewählt", sagt er mit verschmitztem Lächeln. Bereut hat er diese Wahl nie, denn "Bratschisten braucht man immer", weiß er inzwischen. Von der "normalen" Musikschulausbildung wechselte er als Jugendlicher in ein weltweit renommiertes Musikprojekt in Venezuela, das ihm schon als Jugendlicher die Chance bot, Meisterklassen und Vorspiele bei internationalen Stars wie Sir Simon Rattle zu besuchen - und er musste als "großer" Musikschüler auch schon Grundlagen an die "kleinen" vermitteln. Schon damals merkte er, dass ihm das viel Spaß macht - ebenso wie das Spielen in einem Orchester. Als Nebenjobs führte er beides dann auch während seines Bratschen-Studiums in Mannheim fort: So arbeitete er unter anderem als Aushilfe im Kurpfälzischen Kammerorchester.

Mit Kreuzfahrt Studium finanziert

Um sich ein weiteres Studium in Basel zu finanzieren, stach Rodolfo Mijares Cotiz 2017 erst einmal mit einem Kreuzfahrtschiff in Richtung Karibik in See. Viereinhalb Monate war er Teil eines Klavier-Quintetts, dass die Gäste mit seiner Musik unterhielt - und war - rein geografisch gesehen - dabei fast in seiner alten Heimat. In der Schweiz erlangte er mit Bratsche und Geige dann zwei musikalische Masterabschlüsse - einen als Musiker und einen als Pädagoge.

Auch in der Schweiz hat Rodolfo Mijares Cotiz nebenbei Unterricht gegeben und festgestellt, dass er selbst davon enorm profitiert, dass das seine Zukunft ist: "Jeder Schüler ist anders", schildert er. Gerade bei Kindern müsse man immer einen Weg finden, sie zu begeistern, es gehe eben nicht nur darum, Violine zu spielen. "Man muss flexibel, empathisch und sympathisch sein - denn man kann sonst viel kaputt machen", erklärt er sein Credo. Er will Freude an der Musik vermitteln und ganz nebenbei Gedächtnis, Geduld und Teamfähigkeit bei den Kindern schulen. Stilistisch ist Cotiz flexibel - er richte sich danach, was den Schülern liege, auch wenn er selbst die Klassiker oder auch Barockmusik sehr schätzt.

Bis jetzt hat der neue Lehrer rund zehn Schüler in Löbau, Zittau und Niesky, auch ein kleines Streichensemble ist dabei. "Ich lebe mich ein - und bin hier sehr herzlich und offen begrüßt worden", betont er mit Blick auf die politische Stimmungslage, die das Bild über den Osten prägt. Die Gegend - grün, bergig, klare Luft - liege ihm auf alle Fälle, meint er. "Ich bin kein Großstadtmensch, ich brauche meine Ruhe", sagt er. Nur ein Auto habe er noch nicht. Ganz ohne werde er wohl nicht gehen, meint er mit Blick auf die Entfernungen zwischen Niesky, Löbau und Zittau.