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Löbauer Forum zur Landtagswahl: CDU will nicht mit der AfD koalieren

Brandmauer, Toleranz und die Frage: Wie kann man wieder besser miteinander umgehen? Das war eines der Themen beim Wahlforum in Löbau. Sieben Kandidaten debattierten - und gaben sich angriffslustig.

Von Romy Altmann-Kuehr
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Wahlforum zur Landtagswahl am Dienstagabend in Löbau: Auch das Publikum war gefragt.
Wahlforum zur Landtagswahl am Dienstagabend in Löbau: Auch das Publikum war gefragt. © Matthias Weber

Haben die Löbauer noch Vertrauen in die Parteien? Nicht alle, hat eine Umfrage beim Wahlforum in Löbau im Vorfeld der anstehenden Landtagswahl ergeben. Das fand am Dienstagabend in der Blumenhalle statt und sollte auch dazu dienen, die Kandidaten und ihre Positionen besser kennenzulernen.

Wie Politik und Gesellschaft wieder mehr zusammenrücken können und wie man Menschen dazu bringt, sich wieder mehr für Politik zu interessieren, war daher eine der zentralen Fragen beim Wahlforum. Dabei konnten die Besucher mitreden und Fragen stellen. Wie die Kandidaten anstehenden Problemen begegnen wollen, fasst SZ zusammen.

Wer diskutierte auf dem Podium beim Wahlforum?

Sieben Kandidaten für den Wahlkreis 59/Löbau hatten die Möglichkeit, sich den Fragen der Moderatoren und aus dem Publikum zu stellen. Veranstaltet hat das Wahlforum die sächsische Landeszentrale für politische Bildung, die in allen 60 Wahlkreisen in Sachsen Foren anbietet. Sie hatte alle Kandidaten eingeladen, deren Parteien bereits im Landtag vertreten sind oder die laut Expertenumfragen die Fünf-Prozent-Hürde schaffen werden. Demnach kamen drei Kandidaten nicht aufs Podium, denn insgesamt gibt es zehn Bewerber im Wahlkreis Löbau. Kristina Dienel (Freie Sachsen), Stefan Heinke (Die Basis) sowie Roland Schedler (Freie Wähler) waren nicht dabei.

Beim Wahlforum in Löbau stellten sich Carsten Berg (BSW), Toralf Einsle (FDP), Andreas Wünsche (SPD), Ferdinand Lorenz (Die Linke), Thomas Pilz (Grüne), Roman Golombek (AfD) und Conrad Clemens (CDU) den Fragen (von links).
Beim Wahlforum in Löbau stellten sich Carsten Berg (BSW), Toralf Einsle (FDP), Andreas Wünsche (SPD), Ferdinand Lorenz (Die Linke), Thomas Pilz (Grüne), Roman Golombek (AfD) und Conrad Clemens (CDU) den Fragen (von links). © Matthias Weber/photoweber.de

Was tun gegen die Spaltung der Gesellschaft?

Ein Gast aus dem Publikum sprach die Ereignisse beim CSD in Bautzen vergangenes Wochenende an, als Rechte die Demonstration störten und die Polizei mit großem Aufgebot beide Gruppen schützen musste. Wie die Parteien so etwas in Zukunft verhindern und dafür sorgen wollen, dass niemand Angst haben muss, seine Meinung offen zu vertreten, wollte der Mann wissen.

Roman Golombek fühlte sich direkt angesprochen und betonte, dass die AfD sich klar distanziere von solchen Aufmärschen. Das wollte ihm mancher im Publikum und auch auf dem Podium nicht so recht glauben. "Das sind doch eure Leute gewesen!", warf Andreas Wünsche von der SPD ein. "Ihr seid eine queer-feindliche Partei." Tatsächlich verstrickte sich Golombek bei seinen weiteren Ausführungen in Widersprüche. Zunächst erklärte er, dass die AfD das klassische Familiengefüge - Mann, Frau, Kinder - vertrete und das auch in ihrem Programm verankert habe. "Alles andere - naja, kann man machen", so Golombek. Es entspreche aber nicht dem Konzept der Partei. Wenig später betonte er, dass ja die Bundessprecherin der Partei "auch so lebt". Damit meint er, dass Alice Weidel mit einer Frau liiert ist.

  • Mehr als 23.000 Menschen aus Sachsen haben an der Umfrage von Sächsischer Zeitung und Leipziger Volkszeitung teilgenommen. Entwickelt und ausgewertet wurde der Sachsen-Kompass unter wissenschaftlicher Begleitung und in Kooperation mit der Agentur "Die Mehrwertmacher". Dabei wurde darauf geachtet, dass die Ergebnisse belastbar sind. Wo es aus kleinen Orten/Stadtteilen nicht ausreichend Antworten für belastbare Aussagen auf Gemeinde-/Stadtteilebene gab, wurden Nachbargemeinden teils gemeinsam ausgewertet. Alle Ergebnisse finden Sie auf saechsische.de/sachsenkompass

Insgesamt warf das Thema die Frage auf, wie man der spürbaren Spaltung der Gesellschaft begegnen kann. Auch die Brandmauer gegen die AfD kam zur Sprache. Gemeint ist eine explizite Distanzierung vonseiten anderer Parteien gegenüber der AfD. Dass insgesamt eine Annäherung untereinander stattfinden muss, darin waren sich alle einig - mit Einschränkungen. So sagte Conrad Clemens (CDU), der Begriff Brandmauer liege ihm fern. Er könne beispielsweise mit Mitbewerber Golombek reden, sich austauschen, streiten. Zum Miteinander-Regieren sei man aber in seinen Positionen zu unterschiedlich. "Eine Koalition mit der AfD wird es nicht geben."

Carsten Berg vom BSW plädiert für mehr Ehrlichkeit und Authentizität vonseiten der Parteien. Ferdinand Lorenz von den Linken wünscht sich, dass beispielsweise Anträge nicht per se abgelehnt werden, weil sie von einer bestimmten Partei kommen. "Und wenig später greifen die anderen das dann selbst auf. Das ist unredlich." Als Beispiel nennt er das kostenlose Vorschuljahr, das die CDU nun einführen will. Seine Partei, so Lorenz, habe bereits für ein kostenloses Kita-Jahr plädiert. Das sei mit der CDU bisher nicht drin gewesen. "Und nun greifen Sie das Thema selber wieder auf", wetterte er in Richtung von Conrad Clemens.

Carsten Berg (BSW): "Pflegebedürftige müssen finanziell mehr entlastet werden. Investitionen in Pflegeheime sollte der Staat tragen. Notfalls müssten dafür eben die Sozialabgaben erhöht werden."
Carsten Berg (BSW): "Pflegebedürftige müssen finanziell mehr entlastet werden. Investitionen in Pflegeheime sollte der Staat tragen. Notfalls müssten dafür eben die Sozialabgaben erhöht werden." © Matthias Weber/photoweber.de
Conrad Clemens (CDU): "Wir wollen eine sächsische Grenzschutzpolizei einrichten. Es gibt zu viel unkontrollierte Migration. Die Bundespolizei kriegt es nicht in den Griff. Da muss Sachsen aushelfen."
Conrad Clemens (CDU): "Wir wollen eine sächsische Grenzschutzpolizei einrichten. Es gibt zu viel unkontrollierte Migration. Die Bundespolizei kriegt es nicht in den Griff. Da muss Sachsen aushelfen." © Matthias Weber/photoweber.de
Toralf Einsle
(FDP): "Ich will ein Bildungssystem, das allen einen guten Abschluss ermöglicht. Und Ältere müssten mit guten Anreizen überzeugt werden, länger zu arbeiten, um dem Personalmangel beizukommen."
Toralf Einsle (FDP): "Ich will ein Bildungssystem, das allen einen guten Abschluss ermöglicht. Und Ältere müssten mit guten Anreizen überzeugt werden, länger zu arbeiten, um dem Personalmangel beizukommen." © Matthias Weber/photoweber.de
Roman Golombek (AfD): "Ich plädiere dafür vorrangig Fachkräfte aus dem eigenen Land auszubilden. Erst, wenn das nicht reicht, können wir Leute aus dem Ausland holen. Aber bitteschön einzeln und kontrolliert."
Roman Golombek (AfD): "Ich plädiere dafür vorrangig Fachkräfte aus dem eigenen Land auszubilden. Erst, wenn das nicht reicht, können wir Leute aus dem Ausland holen. Aber bitteschön einzeln und kontrolliert." © Matthias Weber/photoweber.de
Ferdinand Lorenz (Die Linke): "Bessere Kommunalfinanzen sind der Dreh- und Angelpunkt der Gesellschaft. Davon hängt alles ab - auch der Zuzug oder die Ansiedlung von Fachkräften, egal ob Ärzte, Lehrer oder in anderen Berufen."
Ferdinand Lorenz (Die Linke): "Bessere Kommunalfinanzen sind der Dreh- und Angelpunkt der Gesellschaft. Davon hängt alles ab - auch der Zuzug oder die Ansiedlung von Fachkräften, egal ob Ärzte, Lehrer oder in anderen Berufen." © Matthias Weber/photoweber.de
Thomas Pilz (Bündnisgrüne): "Ich halte nichts von der Brandmauer. Ich wünsche mir eine weniger gespaltene Gesellschaft. Man muss Fehler einräumen und sich gegenseitig verzeihen. Zum  Beispiel im Hinblick auf die Coronapolitik."
Thomas Pilz (Bündnisgrüne): "Ich halte nichts von der Brandmauer. Ich wünsche mir eine weniger gespaltene Gesellschaft. Man muss Fehler einräumen und sich gegenseitig verzeihen. Zum Beispiel im Hinblick auf die Coronapolitik." © Martin Schneider
Andreas Wünsche (SPD): "Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland ist wichtig und eine gute Lösung. Ohne die Ärzte aus Polen und Tschechien würde es viele Kliniken schon nicht mehr geben."
Andreas Wünsche (SPD): "Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland ist wichtig und eine gute Lösung. Ohne die Ärzte aus Polen und Tschechien würde es viele Kliniken schon nicht mehr geben." © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Wie für mehr Sicherheit sorgen - auch an den Grenzen?

In den Themenblock Sicherheit passt der Vorschlag von CDU-Mann Clemens eine sächsische Grenzschutzpolizei einzurichten. Damit will seine Partei die unkontrollierte Migration über die Grenzen zu Polen und Tschechien eindämmen.

Die Vertreter der anderen Parteien bezeichneten das als bloßen Wahlkampfgag. Das hätte schon Söder in Bayern im Wahlkampf propagiert. Jetzt übernehme es die CDU in Sachsen. Toralf Einsle von der FDP: "Das darf eine sächsische Grenzpolizei gar nicht. Das ist Sache des Bundes." Er plädiert vielmehr dafür, das Mittel der Schleierfahndung wieder verstärkt einzusetzen. Einig sind sich beim Thema Sicherheit alle Kandidaten darin, dass die Polizei im Freistaat personell aufgestockt werden sollte.

Was wollen die Politiker gegen Fachkräftemangel tun?

Nicht nur Ärzte und Lehrer fehlen - in allen Bereichen herrscht Personalmangel. FDP-Politiker Toralf Einsle ist hier für pragmatische Lösungen. "Asylbewerber und Flüchtlinge werden uns da nicht weiterbringen." Vielmehr sei qualifizierte Zuwanderung aus dem Ausland eine Möglichkeit. In anderen Ländern gebe es beispielsweise eine hohe Arbeitslosenquote unter ausgebildeten Medizinern. "Ehe sie dort rumsitzen und nichts zu tun haben, können sie doch hier helfen."

Carsten Berg vom BSW sieht das Problem, dass es für Asylbewerber ewig dauert, bis sie Berufsabschlüsse hierzulande anerkannt bekommen. Auch das behindere einen Fortschritt in Sachen Fachkräfte. Thomas Pilz von den Grünen verweist darauf, dass schon viel erreicht wurde: die duale Pflegeausbildung in Görlitz oder die Lehrerausbildung in Löbau etwa. "Das wird Früchte tragen." Viel wichtiger: "Das Leben auf dem Land muss attraktiv sein, damit Leute herkommen." Und dafür brauche es zum Beispiel eine bessere Anbindung an die Ballungsgebiete, sodass Menschen dort arbeiten und hier leben können - oder umgekehrt.

Auch Conrad Clemens (CDU) verweist auf bisher Erreichtes. In Chemnitz habe man bereits einen Modellstudiengang für Mediziner etabliert. "Der NC wird hochgesetzt, dafür müssen sich die Absolventen verpflichten, für zehn Jahre auf dem Land zu arbeiten. Das müssen wir ausweiten."